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Griechenland im Fokus - Referendum über Reformpaket Anfang 2012 geplant

01.11.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen (07.00 Uhr) bei 1.3815, nachdem im asiatischen Geschäft Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3793 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.10. In der Folge notiert EUR-JPY bei 107.90, während EUR-CHF bei 1.2145 oszilliert.

Kaum blüht das "Pflänzchen" der begründeten Hoffnung, ergibt sich eine neue Konstellation, die für das "Pflänzchen" belastende Einflüsse mit sich bringt. Ja, wir reden von der unendlichen Geschichte der Eurodefizitkrise und ihrem Herzstück Griechenland.

Bevor wir ins Detail gehen, fokussieren wir uns auf die Senkung der Wachstumsprognosen der OECD für die Eurozone und die USA. Die OECD hat die Wachstumsprognose für das Jahr 2012 für die Eurozone gestern markant von zuvor 2,0% auf 0,3% reduziert. Die OECD hat die Wachstumsprognose für die US-Wirtschaft per 2012 von zuvor 3,1% auf 1,8% gesenkt. Hintergrund für die verminderten Prognosen ist die Schuldenkrise.

Der Kollateralschaden, der für die globale Wirtschaft durch das „Handling“ des ökonomischen Zwergs Griechenland hervorgerufen wurde, ist massiv und übersteigt mittlerweile nach unseren Schätzungen das Gesamtvolumen der Staatsverschuldung Griechenlands (370 Mrd. EUR) um ein Vielfaches. Risikoaktiva sind zum Teil kollabiert, Rohstoffpreise sind reduziert, Wachstum bricht weg, andere Reformländer werden belastet, fiskalische Gesundung folgt einer positiven Konjunkturentwicklung und wird durch dieses "Handling" destabilisiert - Griechenland erscheint als der Nabel der Welt.

Der Vorwurf von G-20 an die politische Elite der Eurozone über das "Handling" klingt nach und ist nach unserer Ansicht berechtigt. Insbesondere der Umgang mit Griechenland von März 2010 bis Juli 2011 war Katalysator für die latente Verschärfung der Situation. Am Donnerstag steht der nächste G-20-Gipfel an. Wir sind gespannt, was den Eliten der Eurozone dort zu Ohren kommen wird.

Diesmal ist jedoch nicht die Elite Deutschlands, der EU, der EZB oder des IWF für die erhöhte Risikoaversion verantwortlich. Nein, es handelt sich um die griechische Elite, um Herrn Papandreou.

Ministerpräsident Papandreou hat ein Referendum in Griechenland über das neue Rettungspaket angekündigt. Außerdem stellt er in Kürze die Vertrauensfrage im Parlament. Das Referendum werde voraussichtlich Anfang 2012 stattfinden, wenn die Details des 130 Mrd. Euro schweren Rettungspakets stehen. Referenden zu ökonomischen Themen sind laut griechischer Verfassung nicht zulässig. Wir sind gespannt, wie belastbar das griechische Rechtssystem ist.

Wir nehmen diese Entscheidung Papandreous zur Kenntnis. Aktuelle Meinungsumfragen fallen ernüchternd aus. 60% der Griechen stehen dem verschärften Programm negativ gegenüber. Im Hinblick auf den durch die Reformen verursachten Schmerz ist diese emotionale Reaktion zunächst verständlich.

Sollten die Griechen Anfang 2012 immer noch diese Meinung vertreten, ist das Votum als Selbstmord aus Angst vor dem Tod zu klassifizieren.

Eine Ablehnung eröffnete zuallererst Chaos in Griechenland. Hilfszahlungen wären damit nicht mehr möglich. Die EZB stünde nicht mehr an der Seite der griechischen Banken. Der totale Kollaps der Ökonomie Griechenlands wäre die Folge. Er wäre sehr viel schmerzvoller als das gesamte Reformprogramm, das Griechenland bisher abverlangt wird.

Fraglos hätte dieser Konkurs Griechenlands weitreichende Konsequenzen für die Eurozone, das Weltfinanzsystem und die Weltwirtschaft. Positiv ist anzumerken, dass jetzt bereits Vorbereitungen für diesen Fall hinter den Kulissen getroffen werden können.

Wir "bedanken" uns bei Herrn Papandreou für diese zusätzliche und aus rechtlicher Sicht vollkommen unnötige Belastung. Damit werden die positiven Effekte des europäischen Maßnahmenpakets in Teilen konterkariert. Wir sehen eine zunehmende Risikoaversion an den Finanzmärkten, die sich belastend auf die Wirtschaftslage auswirkt und bis zum Referendum weiter auswirken wird. Damit wird die globale Erholung der Fiskallagen gefährdet. "Chapeau", es fehlen einem die Worte bei so viel Weitsichtigkeit der europäischen Politik, der letzten 18 - 20 Monate (Achtung: Wir nutzen im Forex Report Stilmittel, wie Ironie oder Sarkasmus …)

Passend zu diesem Thema gibt es jetzt auch ein Opfer der Defizitkrise der Eurozone in den USA. Der Makler MF Global meldete am Monat in den USA Gläubigerschutz nach "Chapter 11" an. Der Makler war aktiv im Eigenhandel und hat sich bei europäischen Staatsanleihen verhoben. Damit ist MF Global prominentestes US-Opfer der europäischen Defizitkrise. MF Global hat circa 41 Mrd. USD an Vermögenswerten in der Bilanz (Lehman 2008 639 Mrd. USD). Entsprechend ist diese Insolvenz nicht vergleichbar mit der Lehmanpleite.

Hilfreich ist eine derartige Meldung bezüglich des Aspekts Risikoaversion im jetzigen Umfeld auf keinen Fall.


Wenden wir und den gestern veröffentlichten Wirtschaftsdaten zu:

Die Berechnung der vorläufigen Verbraucherpreise der Eurozone per Berichtsmonat Oktober lieferte im Jahresvergleich ein unverändertes Ergebnis zum Vormonat bei 3,0%. Die Prognose lag bei 2,9%. Trotz der Abkühlung der globalen Wirtschaft kommt es derzeit nicht zu einer Entspannung im Bereich der Preisentwicklung. Weitere Verschärfungen der Defizitkrise haben aber durchaus die Potenz die Preisfront zu erschüttern.

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Die Arbeitslosenquote legte in der Eurozone per Berichtsmonat September unerwartet von zuvor 10,1% (revidiert von 10,0%) auf 10,2% zu. Die politische Belastung hat realwirtschaftliche Auswirkungen. Der Preis der für GR gezahlt wird, wird täglich höher!

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Auch US-Einkaufsmanagerindex Chicago konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Per Berichtsmonat Oktober kam es zu einem Rückgang des Index von zuvor 60,4 auf 58,4 Punkte. Die Prognose war bei 59,0 Zählern angesiedelt. Passend zum Gesamtindex sank der Auftragsindex von 65,3 auf 61,3 Punkte. Der Produktionsindex verlor leicht von 63,9 auf 63,4 Zähler, während der Beschäftigungsindex von 60,6 auf 62,3 Punkte zulegte.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.3700 - 30 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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