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Augen auf Athen und Rom …

08.11.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.32 Uhr) bei 1.3745, nachdem im europäischen Handel Höchstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3812 markiert wurden. Der USD stellte sich gegenüber dem JPY auf 78.05. In der Folge notiert EUR-JPY bei 107.25, während EUR-CHF bei 1.2415 oszilliert.

Die Märkte bleiben maßgeblich von der Politik bestimmt. Nachdem Herr Papademos laut Berichten aus Athen nicht für das Amt des Ministerpräsidenten zur Verfügung steht, da er eine zeitliche Befristung für die Übergangsregierung für nicht angemessen hält, wird nun der Vertreter Griechenlands bei dem IWF als Kandidat gehandelt. Wir sind gespannt. Der Druck auf Athen, zügig eine Übergangsregierung zu installieren ist ausgesprochen hoch. Das Parteikalkül des Herrn Samaras offenbart eine nicht unerhebliche Egozentrik ….

Rom steht gleichfalls im Fokus. Berlusconis Tage sind gezählt. Gerüchte über seinen Rücktritt führten gestern zu einem Rückgang der Risikoaversion an den Finanzmärkten. Die Ignoranz Berlusconis vor seiner eigenen politischen Impotenz ist schlicht weg und ergreifend grotesk. Es fällt nicht leicht, Berlusconi trotzdem in einigen Punkten zuzustimmen. Italien hat zwar eine hohe Staatsverschuldung von 120%. Italien hat aber auch ein enormes Staatsvermögen. Ebenso sind die privaten Haushalte gering verschuldet und haben massiv freie Vermögenswerte.

Der positive Primärsaldo Italiens im öffentlichen Haushalt (ohne Zinszahlungen) ist Ausdruck dafür, dass das Geschäftsmodell voll funktionsfähig ist. Was die Finanzmärkte hier derzeit spekulativ auf die Agenda bringen, ist sachlich absolut nicht angemessen. Märkte können aber eigene Wahrheiten schaffen. Das Risiko, dass Italien Opfer wird, ist nicht vollständig ausgeschlossen. Schließlich wurde ja auch Irland mit einer freien Liquiditätsreserve in Höhe von 25% des BIP im Oktober 2010 "geschlachtet". Um so mehr freuen wir uns, dass Herr Schäuble sich zu diesem hemenkomplex einschaltet. Der deutsche Finanzminister Schäuble betonte, dass Italiens Situation nicht mit der Griechenlands vergleichbar ist. Wir stimmen Herrn Schäuble umfänglich zu und hoffen, dass die Märkte die Signale hören und sich auch einmal um Fakten kümmern. Bezüglich der Erfolge in der Reformpolitik der Eurozone wäre das ja einmal eine neue Gangart …

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Risikoaufschläge unserer Freunde in Spanien, Italien und Frankreich gegenüber der deutschen Bundesanleihe.

Hinterfragen wir, was sich an den Bedingungen in Italien, Spanien und Frankreich seit Frühjahr verändert hat. Ja, die Wirtschaft hat sich global abgeschwächt. Damit werden global und nicht nur in Italien, Spanien und Frankreich, sondern auch in den USA und dem UK oder in Japan Defizitreduktionsziele verfehlt. Es gibt aber noch einen Unterschied. Die genannten Länder der Eurozone haben ihre Reformagenden deutlich verstärkt, ganz im Gegensatz zu den USA und Japan. "Food for thought!"

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Die Wirtschaftsdaten der Eurozone waren gestern wenig erbaulich: Die Einzelhandelsumsätze sanken im Monatsvergleich um per September um -0,7% (Prognose -0,1%) nach +0,1% (revidiert von -0,3%) per August. Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um -1,5% (Prognose -0,5%) nach zuvor -0,1% (revidiert von -1,0%).

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Die deutsche Industrieproduktion verfehlte mit -2,7% per September die Konsensusprognose von -0,5% deutlich. Die Revision des Vormonatswerts von -1,0% auf -0,4% konnte dieses Resultat nur geringfügig nivellieren. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 5,4% nach zuvor 8,5%. Damit ist das Gesamtbild nicht als prekär zu klassifizieren. Der langfristige Chart verdeutlicht in den letzten Monaten eine deutliche Umkehr, die nach meinem Verständnis mit der politischen Krise korreliert ist. Eine Fortsetzung unsensibler Politik in der Eurozone hat das Potential für weiteres Ungemach zu sorgen.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das zunächst eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein Ausbruch aus der Bandbreite 1.3350 - 1.3880 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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