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Deutsche Politik als Katalysator der zunehmenden Krise …

15.12.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.52 Uhr) bei 1.2990, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.2947 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.05. In der Folge notiert EUR-JPY bei 101.40, während EUR-CHF bei 1.2380 oszilliert.

Wenn man auf das Jahr 2011 zurückschaut, ist es schockierend, mit welcher Lässigkeit dieser konjunkturelle Aufschwung der Weltwirtschaft aus Europa/Deutschland heraus aufs Spiel gesetzt wurde. Gerade hinsichtlich der Tatsache, dass fiskalische Erholungen Konjunkturerholungen folgen, ist diese Entwicklung verstörend.

Die öffentliche Debatte in Deutschland ist gespickt mit Halbwahrheiten (Targetsalden - kein Wort über Unterlegung, Deutschland Zahlmeister! - Nein Begünstigter!) oder schlichter Desinformation. Die Euroskeptiker bestimmen das Abendprogramm der Talkshows und forcieren antieuropäische Ressentiments, auf die die Politik in Berlin meint, agieren zu müssen, obwohl die Daten der Eurozone mehr als ermutigen (Entwicklung Leistungsbilanzen, Neuverschuldung, Gesamtverschuldung, Reformvolumina).

Entscheidend für diese politische Zuspitzung, die mittlerweile das Rezessionsthema hoffähig macht, ist aber auch die ordnungspolitische Ausrichtung der deutschen Politik. Ordnungspolitik in Extremlagen durchzusetzen, riskiert eben eine massive Verschärfung der Situation.

Latent gab es seitens der deutschen Bundesregierung Vorfestlegungen, die dann schlussendlich wieder über Bord geschmissen werden mussten. Mit anderen Worten wurde nicht angemessen reagiert. Zeitverzug und Unterdimensionierung sind die Merkmale deutsche Europapolitik der letzten 18 Monate. Folge dieses Politikansatzes ist, dass schlussendlich das Interventionsvolumen immer weiter wächst und eine zügige Lösung verhindert.

Dieser Prozess hat in den letzten 18 Monaten immer mehr Länder in der Eurozone in die Krise hineingezogen. Die Verschärfung der Krise hat die Umsetzungen der Reformen in den Reformländern behindert und verzögert. Die Handlungsweisen haben international Vertrauen für Europa verspielt, da mittlerweile die Weltwirtschaft durch die deutsche Haltung beeinträchtigt ist. Die Krönung war die Beratungsresistenz (gegenüber Buba und EZB) der deutschen Bundesregierung bei dem "freiwilligen" Schuldenschnitt Griechenlands, der die Refinanzierung auch gesunder Staaten in Europa in der Folge gefährdete.

Was ist das Wort von Frau Merkel wert, fragen sich die Finanzmärkte. Bei dem deutschen Michel mag man mit solchen politischen Attitüden punkten, da man mit solchen Schritten kurzfristige Gelüste der Öffentlichkeit bedienen kann und den Ruhm des Tages erntet. Der Ruhm des Tages vergeht aber auch im Zweifelsfall in 24 Stunden …

Bei den Vertretern der internationalen Finanzmärkte ist ein Wortbruch, der den Status der bisher risikolosen Anlageklasse der Staatsanleihen in Frage stellt, keine Kleinigkeit. Mit dieser Maßnahme wurde die Refinanzierung der europäischen Staatshaushalte in Frage gestellt! Es wurde die Fähigkeit der öffentlichen Hand in Frage gestellt, antizyklisch stabilisierend zu agieren. Der Mangel an Abstraktionsfähigkeit in Berlin ist verstörend!

Die Verfolgung des Ziels der Stabilitätsunion und der Fiskalunion ist vollkommen richtig. Der Verzicht auf die Interventionswaffen, die für die Spekulation gegen die Eurozone unberechenbar sind (Eurobond, EZB) und der Verzicht auf angemessene Solidarität mit den Reformländern ist ein großer Fehler.


Wenden wir uns den gestrigen Einlassungen von Frau Dr. Merkel zu:

Bundeskanzlerin Merkel betonte, dass der Weg zur Fiskalunion mit den EU-Gipfelbeschlüssen unwiderruflich eingeschlagen wurde. Das ist richtig, kommen wir aber auch an? Kann es nicht sein, dass bis zum Sommer 2012 Europa von den Märkten zerlegt wird. Unsere Freunde in London und NY setzen darauf (auch einige in der Eurozone …). Der Verzicht auf angemessene Waffengleichheit hat für Europa zu laufenden Niederlagen in den Schlachten geführt. Wer alle Schlachten verliert, verliert auch den Krieg!

Man habe die Weichen für ein Europa der Stabilität und des Vertrauens gestellt. Ja, mit der Stabilität stimmt die Weichenstellung. Das Vertrauen ist jedoch mehr als angeschlagen dank deutscher Politik!

Die Unterstützung des EFSF durch die EZB werde einen sehr positiven Effekt haben. Wir hören die Signale und lauschen Herrn Weidmann ganz intensiv …

Die konsolidierte Obergrenze des EFSF und ESM werde bei 500 Mrd. Euro liegen. Hier bedankt sich die Spekulationskulisse. Diese Berechenbarkeit ist für ihre Interessen belebend …Lernkurven sind in Berlin nicht zu erkennen!

Die Bundesregierung und die Bundesbank haben Modalitäten für die Mittelaufstockung des IWF festgelegt. Na, dann mal los …

Griechenland war mit der freiwilligen Umschuldung ein Sonderfall. Hoppla, gibt es doch eine Lernkurve? Der Boden ist jedoch schon mehr als halbverbrannt und mit jedem Tag steigender Risikoaversion nimmt der Flächenbrand zu. Die Folgen der Risikoaversion in der Bewertung an den Märkten wirken sich wie ein fortgesetzter Schuldenschnitt aus.

Wo ist die Abstraktionsfähigkeit in Berlin?

Wir verzichten heute auf eine umfassende Kommentierung der Wirtschaftsdaten:
  • Die Industrieproduktion der Eurozone sank per Oktober um -0,1% (Prognose 0,0%). Im Jahresvergleich ergab sich eine Zunahme um 1,3% nach zuvor 2,2%.

  • US-Importpreise nahmen per November im Monatsvergleich um 0,7% (Prognose 0,9%) nach -0,5% (revidiert von -0,6%) zu.

  • US-Exportpreise stiegen um 0,1% (Prognose 0,3%) nach zuvor -2,1% im Monatsvergleich.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.3410-40 neutralisiert den negativen Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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