Geopolitik und Finanzmärkte
16.04.2014 | Rolf Nef
1. Geopolitik
Geopolitik ist ein ursprünglich deutscher Begriff aus der Zeit nach 1870, d.h. nach der Entstehung Deutschlands im Gefolge des von Bismarck angezettelten deutsch-französischen Krieges von 1870/71, was zur sog. deutschen Einigung bzw. der preussischen Übernahme der deutschen Fürstentümer führte. Die Briten als Beherrscher der Weltmeere machten sich natürlich auch Gedanken darüber. Ihr bekanntester Vertreter ist Halford Mackinder, der das preussische Deutschland als grosse Herausforderung sah und davor warnte, dass ein europäisch-eurasischer Wirtschaftsraum entstehen könnte, mit Russland als Rohstofflieferant und Europa mit dem Zentrum Deutschland als Produzent industrieller Güter. England müsse diesen Schulterschluss verhindern. Bekannt ist deshalb der Spruch "Keep the Germans down and keep the Russians out."
Heute sind es vor allem Amerikaner, die geopolitische Artikel und Bücher schreiben. Nicht nur Henry Kissinger (Wer das Geld beherrscht, beherrscht die Welt, wer die Energie beherrscht, beherrscht einen Kontinent, wer die Lebensmittel beherrscht ein Land) gehört dazu. Z. Brezezinski, geboren 1928, veröffentlichte 1997 das Buch "The Grand Chessboard. American Primacy and Its Geostrategic Imperatives." Das Buch liest sich wie ein Koch- oder Drehbuch zur amerikanischen Übernahme Eurasiens, vor allem der zentralasiatischen Energielagerstätten.
Das Kapitel über Russland heisst "Das schwarze Loch". 1997 war nahe am Tief des Erdoelpreises von ca. 11 US$, dem Ende des Bearmarktes von 1980. Nach dem Kollaps der Sowjetunion 1990/93 ging Russland 1998 nochmals bankrott. Seit 1999 stieg der Ölpreis massiv und ist heute bei ca. 100 US$ pro Fass, was Russland ökonomisch Auftrieb gab. Zusätzlich wurde 1999 Wladimir Putin als Ministerpräsident gewählt und blieb in diesem Amt oder als Präsident bis zum heutigen Tag. Er wurde zeitlich nach Eröffnung des Yugoslawienkrieges gewählt, der das alte Yugoslawien in seine Teilstaaten zerstückelte, um einmal bereit zu sein, die Pipelines aufzunehmen, die aus den öl- und gasreichen Gegenden des Mittleren Ostens und Zentralasiens diese Energieträger liefern sollten. Durch diese Gegend ging vor dem ersten Weltkrieg die Bagdad-Bahn, die Erdoel aus der Nähe Bagdads im damaligen Osmanischen Reich nach Deutschland brachte, um die Dampfkessel der Marine und die eben entwickelten Diesel- und Ottomotoren der Wirtschaft zu betreiben.
Diese Bahn war einer der Gründe für den ersten Weltkrieg und die Uebernahme des Ölreichen Mittleren Ostens durch England. Die US Pipeline, genannt Nabucco, steht noch nicht, dafür das Wachhaus in Kosovo genannt Camp Bondsteel, eine US Basis. Die Russen planen ihre Gaspipeline Southstream auch durch diese Gegend. Zuerst durch das Schwarze Meer, dann durch Bulgarien, Serbien und Ungarn. Welche steht wohl zuerst?
2001 wurde Afghanistan besetzt um ebenfalls als Durchgangsland für die Pipelines aus Turkmenistan und Kasachstan zu dienen. Der Iraq wurde besetzt, Südsudan neu geschaffen und Libyen erobert, alles ölreiche Gegenden. Georgien wurde in einen Krieg getrieben. Als nächste wurde ein Putsch in Syrien versucht, das zusammen mit Persien und Iraq eine Gaspipeline ans Mittelmeer bauen wollte. Weil der Putsch nicht richtig funktionierte, versuchten die USA nachzuhelfen. Zum ersten mal aber stellte sich Russland quer und drohte mit einer direkten Konfrontation, obwohl seine Marine viel kleiner ist. Aber das Risiko einer Konfrontation mit einer Atommacht war dann doch zu viel. Der nächste Putsch war nicht weit: während der olympischen Spiele kam es in der Ukraine zu einem vor allem von den USA organisierten Regierungsumsturz, was Russland veranlasste, die Krim zu annektieren.
Das nächste Land wäre wohl Weissrussland und Russland selbst gewesen, die mit "Demokratisierungsmethoden" übernommen worden wären. Es gibt einfach keinen Plan B. Natürlich betreiben auch die Russen geopolitische Studien. Ich kannte nur Daschitschew, der alle diese oben genannten Ziele kannte. Darum ist anzunehmen, dass die Krim nicht das Ende russischer geopolitischer Aktionen sind, sondern der Anfang. Seit dem Ausbruch der Krise ist kein Tag vergangen ohne Eskalation. Die nächste Runde scheint mit der Ostukraine angelaufen zu sein. Würde die Ukraine als neutraler Pufferstaat erklärt, wären die russischen Sicherheitsbedürfnisse befriedigt und die Rivalitäten zu Ende? Oder eskalieret der Konflikt zunehmend, es kommt zum Kampf und es gilt das Recht des militärisch stärkeren und am Schluss wird verhandelt. Ist es ein unsinniges Ziel der Russen, die NATO aus den osteuropäischen Staaten draussen zu haben oder gleich ganz weg?
2. Finanzmärkte
Seit 1980/82 haben die US Finanzmärkte von Inflation auf Desinflation gedreht, nachdem 1974 der Rest der Welt diesen Wandel schon vollzogen hatte. Desinflation ist die Phase, wenn die Finanzmärkte in luftigste Höhen steigen, weil die fallende Inflation höhere Bewertungen zulässt und der Boom steigender Preise sich selbst nährt. Seit 1982 ist das besonders der Fall, weil die Notenbanken bei jeden wirtschaftlichen Einbruch mit noch mehr Liquidität reagierten, was die Aktien- und Bondmärkte in noch luftigere Höhen trieb. Selbst nach der Finazkrise von 2008 gelangte der US Aktienmarkt nochmals auf neue Höchst, allerdings wurden dazu 3'000 Milliarden US$ an Liquidität über die Notenbank geschaffen. (Grafik 2) Die Angst der Notenbanken ist die nächste Phase nach der Desinflation, die Deflation, wie diese nach 1929 und vorher schon einmal 1835 auftrat. In den Medien kommunizieren die Notenbankschefs die Deflation als ein Phänomen sinkender Konsumgüterpreise und deshalb als gefährlich. Die Gefahr liegt aber ganz anderwo.
Geopolitik ist ein ursprünglich deutscher Begriff aus der Zeit nach 1870, d.h. nach der Entstehung Deutschlands im Gefolge des von Bismarck angezettelten deutsch-französischen Krieges von 1870/71, was zur sog. deutschen Einigung bzw. der preussischen Übernahme der deutschen Fürstentümer führte. Die Briten als Beherrscher der Weltmeere machten sich natürlich auch Gedanken darüber. Ihr bekanntester Vertreter ist Halford Mackinder, der das preussische Deutschland als grosse Herausforderung sah und davor warnte, dass ein europäisch-eurasischer Wirtschaftsraum entstehen könnte, mit Russland als Rohstofflieferant und Europa mit dem Zentrum Deutschland als Produzent industrieller Güter. England müsse diesen Schulterschluss verhindern. Bekannt ist deshalb der Spruch "Keep the Germans down and keep the Russians out."
Heute sind es vor allem Amerikaner, die geopolitische Artikel und Bücher schreiben. Nicht nur Henry Kissinger (Wer das Geld beherrscht, beherrscht die Welt, wer die Energie beherrscht, beherrscht einen Kontinent, wer die Lebensmittel beherrscht ein Land) gehört dazu. Z. Brezezinski, geboren 1928, veröffentlichte 1997 das Buch "The Grand Chessboard. American Primacy and Its Geostrategic Imperatives." Das Buch liest sich wie ein Koch- oder Drehbuch zur amerikanischen Übernahme Eurasiens, vor allem der zentralasiatischen Energielagerstätten.
Das Kapitel über Russland heisst "Das schwarze Loch". 1997 war nahe am Tief des Erdoelpreises von ca. 11 US$, dem Ende des Bearmarktes von 1980. Nach dem Kollaps der Sowjetunion 1990/93 ging Russland 1998 nochmals bankrott. Seit 1999 stieg der Ölpreis massiv und ist heute bei ca. 100 US$ pro Fass, was Russland ökonomisch Auftrieb gab. Zusätzlich wurde 1999 Wladimir Putin als Ministerpräsident gewählt und blieb in diesem Amt oder als Präsident bis zum heutigen Tag. Er wurde zeitlich nach Eröffnung des Yugoslawienkrieges gewählt, der das alte Yugoslawien in seine Teilstaaten zerstückelte, um einmal bereit zu sein, die Pipelines aufzunehmen, die aus den öl- und gasreichen Gegenden des Mittleren Ostens und Zentralasiens diese Energieträger liefern sollten. Durch diese Gegend ging vor dem ersten Weltkrieg die Bagdad-Bahn, die Erdoel aus der Nähe Bagdads im damaligen Osmanischen Reich nach Deutschland brachte, um die Dampfkessel der Marine und die eben entwickelten Diesel- und Ottomotoren der Wirtschaft zu betreiben.
Diese Bahn war einer der Gründe für den ersten Weltkrieg und die Uebernahme des Ölreichen Mittleren Ostens durch England. Die US Pipeline, genannt Nabucco, steht noch nicht, dafür das Wachhaus in Kosovo genannt Camp Bondsteel, eine US Basis. Die Russen planen ihre Gaspipeline Southstream auch durch diese Gegend. Zuerst durch das Schwarze Meer, dann durch Bulgarien, Serbien und Ungarn. Welche steht wohl zuerst?
2001 wurde Afghanistan besetzt um ebenfalls als Durchgangsland für die Pipelines aus Turkmenistan und Kasachstan zu dienen. Der Iraq wurde besetzt, Südsudan neu geschaffen und Libyen erobert, alles ölreiche Gegenden. Georgien wurde in einen Krieg getrieben. Als nächste wurde ein Putsch in Syrien versucht, das zusammen mit Persien und Iraq eine Gaspipeline ans Mittelmeer bauen wollte. Weil der Putsch nicht richtig funktionierte, versuchten die USA nachzuhelfen. Zum ersten mal aber stellte sich Russland quer und drohte mit einer direkten Konfrontation, obwohl seine Marine viel kleiner ist. Aber das Risiko einer Konfrontation mit einer Atommacht war dann doch zu viel. Der nächste Putsch war nicht weit: während der olympischen Spiele kam es in der Ukraine zu einem vor allem von den USA organisierten Regierungsumsturz, was Russland veranlasste, die Krim zu annektieren.
Das nächste Land wäre wohl Weissrussland und Russland selbst gewesen, die mit "Demokratisierungsmethoden" übernommen worden wären. Es gibt einfach keinen Plan B. Natürlich betreiben auch die Russen geopolitische Studien. Ich kannte nur Daschitschew, der alle diese oben genannten Ziele kannte. Darum ist anzunehmen, dass die Krim nicht das Ende russischer geopolitischer Aktionen sind, sondern der Anfang. Seit dem Ausbruch der Krise ist kein Tag vergangen ohne Eskalation. Die nächste Runde scheint mit der Ostukraine angelaufen zu sein. Würde die Ukraine als neutraler Pufferstaat erklärt, wären die russischen Sicherheitsbedürfnisse befriedigt und die Rivalitäten zu Ende? Oder eskalieret der Konflikt zunehmend, es kommt zum Kampf und es gilt das Recht des militärisch stärkeren und am Schluss wird verhandelt. Ist es ein unsinniges Ziel der Russen, die NATO aus den osteuropäischen Staaten draussen zu haben oder gleich ganz weg?
Grafik 1: Ölpreis in US$
2. Finanzmärkte
Seit 1980/82 haben die US Finanzmärkte von Inflation auf Desinflation gedreht, nachdem 1974 der Rest der Welt diesen Wandel schon vollzogen hatte. Desinflation ist die Phase, wenn die Finanzmärkte in luftigste Höhen steigen, weil die fallende Inflation höhere Bewertungen zulässt und der Boom steigender Preise sich selbst nährt. Seit 1982 ist das besonders der Fall, weil die Notenbanken bei jeden wirtschaftlichen Einbruch mit noch mehr Liquidität reagierten, was die Aktien- und Bondmärkte in noch luftigere Höhen trieb. Selbst nach der Finazkrise von 2008 gelangte der US Aktienmarkt nochmals auf neue Höchst, allerdings wurden dazu 3'000 Milliarden US$ an Liquidität über die Notenbank geschaffen. (Grafik 2) Die Angst der Notenbanken ist die nächste Phase nach der Desinflation, die Deflation, wie diese nach 1929 und vorher schon einmal 1835 auftrat. In den Medien kommunizieren die Notenbankschefs die Deflation als ein Phänomen sinkender Konsumgüterpreise und deshalb als gefährlich. Die Gefahr liegt aber ganz anderwo.