Gold und Silber in der Warteschleife
09.06.2014 | Eugen Weinberg
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Dass die physische Nachfrage nach Münzen, Barren und Schmuck auf Quartalssicht stark genug ansteigt, um dies zu kompensieren scheint eher fraglich. Darauf deuten u.a. die verhaltenen Münzabsätze in den USA hin, die im April und Mai nochmals unter dem bereits recht niedrigen Durchschnittsniveau des ersten Quartals lagen. Der WGC rechnet zudem damit, dass sich die Schmucknachfrage im Laufe des zweiten Quartals wieder dem langfristigen Durchschnitt annähert, dies impliziert einen Rückgang gegenüber dem Niveau des ersten Quartals von rund 50 Tonnen. Die Nachricht eines merklich nachgelassenen "Goldhungers" Chinas kann bereits ein Indiz dafür sein. Das weltgrößte Goldnachfrageland hat im April deutlich weniger Gold aus Hongkong importiert hat als in den Vormonaten. Die Einfuhren fielen dabei auf Nettobasis auf 67 Tonnen, den niedrigsten Stand seit 14 Monaten (Grafik 4). Offensichtlich sitzen die chinesischen Banken nach den starken Importen der Vormonate auf hohen Beständen, was die Importdynamik vorerst bremst.Auch Meldungen aus Indien sprechen nicht für eine Erholung der Nachfrage in diesem Quartal. So scheint die neu gewählte Regierung einer schnellen Lockerung der Goldimportrestriktionen kritischer gegenüberzustehen, als dass dies zunächst den Anschein hatte. Die Vorgängerregierung und die Zentralbank hatten vor etwa einem Jahr als Reaktion auf die deutlich gestiegenen Goldeinfuhren u.a. die Importsteuer auf 10% angehoben und zudem verfügt, dass 20% des importierten Goldes für den Re-Export zurückbehalten werden müssen. Ziel dieser Maßnahmen war es, das rekordhohe Leistungsbilanzdefizit einzudämmen und damit den Verfall der Indischen Rupie zu stoppen. Auch wenn diese Ziele mittlerweile erreicht sind (Grafik 5), möchte die neue Regierung unter Premierminister Modi mit einer Entscheidung über die Restriktionen offenbar noch bis zur Verabschiedung des neuen Haushalts im Juli warten. Denn es wird befürchtet, dass nach einer Lockerung der Beschränkungen die o.g. Probleme der indischen Wirtschaft wieder aufbrechen.
Der jüngste Preiseinbruch ging vor allem vom Futures-Markt aus. Der Druck von dieser Seite dürfte zunächst noch anhalten. Denn durch den Preisrückgang seit Ende Mai hat sich das charttechnische Bild deutlich eingetrübt (Grafik 1, Seite 1), was weitere spekulative Anleger auf fallende Preise setzen lassen könnte. Auf Sicht der kommenden Wochen überwiegen daher die Abwärtsrisiken für den Goldpreis, sodass ein erneuter Test der Tiefstände von Mitte und Ende letzten Jahres bei 1.180 USD je Feinunze nicht ausgeschlossen werden kann. Wir tragen dem Rechnung und revidieren unsere Goldpreisprognose zum Jahresende um 50 USD auf 1.350 USD je Feinunze nach unten. Wir gehen davon aus, dass die Goldnachfrage in Indien nach der von uns erwarteten Lockerung der Importbeschränkungen im Vergleich zum ersten Halbjahr und zum Vorjahr merklich anziehen wird.
Auch China dürfte nach der gegenwärtigen Schwäche in den kommenden Monaten wieder mehr Gold nachfragen, sobald die Lagerbestände bei den Banken abgebaut sind. So rechnet auch der WGC für 2014 mit einer chinesischen Goldnachfrage, welche nur knapp unter der des Vorjahres liegt. Dies setzt merklich höhere monatliche Importe als im April voraus. Seitens der ETFs sollte der Gegenwind weiter nachlassen. Deutliche Zuflüsse sind angesichts der gegen Jahresende absehbaren Zinserhöhungsspekulationen in den USA allerdings nicht zu erwarten. Wir prognostizieren daher auch für das nächste Jahr nur noch einen Goldpreisanstieg auf 1.400 USD je Feinunze.
Das weltweite Silberangebot ist im letzten Jahr laut Thomson Reuters GFMS und Silver Institute um 2% auf ein 4-Jahrestief von 978,1 Mio. Unzen (30,4 Tsd. Tonnen) gesunken (Grafik 6). Ausschlaggebend hierfür war ein Einbruch des Angebots an Altsilber, welches weltweit um 24% auf 191,8 Mio. Unzen (6 Tsd. Tonnen) zurückging. Dies war der stärkste Jahresrückgang seit mehr als 30 Jahren und das niedrigste Niveau von Altsilber seit dem Jahr 2001. Hauptverantwortlich hierfür war das deutlich gesunkene Preisniveau, wodurch die Wiedergewinnung von Silber weniger attraktiv wurde. Dies gilt vor allem für die Industrieländer in Europa und Nordamerika, wo es zu merklichen Rückgängen bei Altsilber kam. Besonders augenfällig ist allerdings der Einbruch von Altsilber in Indien um knapp 80%. Eine Rolle hierfür könnten neben dem Preisrückgang auch die staatlich eingeführten Importrestriktionen bei Gold gespielt haben. Juweliere und Haushalte haben statt auf Gold anscheinend verstärkt auf Silber zurückgegriffen und waren somit weniger bereit, Altsilber zu verkaufen.
Die globale Minenproduktion stieg dagegen um 3,4% und erreichte 819,6 Mio. Unzen (25,5 Tsd. Tonnen) ein neues Rekordniveau. Dies war der zugleich elfte Jahresanstieg in Folge. Sowohl die Primär- als auch die wichtigere Sekundärminenproduktion verzeichneten 2013 Anstiege. GFMS und Silver Institute führen dies auf die Inbetriebnahme neuer Silberminenprojekte und eine steigende Kupferproduktion in Südamerika zurück, wo Silber als Nebenprodukt anfällt. Der starke Preisrückgang von Silber hat die Primärproduktion somit ebensowenig beeinträchtigt wie die gesunkenen Preise für Kupfer, Gold und Zink die Sekundärproduktion. Trotz eines leichten Rückgangs hat Mexiko seine Position als weltgrößter Silberminenproduzent mit deutlichem Vorsprung verteidigt. Peru konnte seine im Vorjahr an China verlorene Position als zweitgrößter Produzent zurückerobern. Das Reich der Mitte ist trotz eines erneuten Anstiegs der Minenproduktion knapp hinter Peru auf Platz drei zurückgefallen.
Die globale Silbernachfrage stieg im letzten Jahr laut GFMS und Silver Institute um 13% auf ein Allzeithoch von 1.081,1 Mio. Unzen (33,6 Tsd. Tonnen, Grafik 7). Haupttreiber war eine sehr robuste Nachfrage nach Münzen und Barren, welche um 76% auf ein Rekordhoch von 245,6 Mio. Unzen (7,64 Tsd. Tonnen) zulegte. Begünstigt wurde dies durch eine eine gestiegene Barrennachfrage in Indien, u.a. weil indische Haushalte durch die Engpässe bei Gold aufgrund der staatlichen Importrestriktionen auf Silberbarren umstiegen. Auch die Schmucknachfrage stieg auf ein Rekordniveau, während die Nachfrage nach Silberwaren ein 3-Jahreshoch erreichte. Schwächer entwickelte sich dagegen die industrielle Nachfrage, welche nichts desto trotz der wichtigste Nachfragesektor bleibt (siehe auch Kasten auf Seite 5). Diese fiel um 1% auf 586,6 Mio. Unzen (18,2 Tsd. Tonnen) und verzeichnete damit den dritten Jahresrückgang in Folge.
Insbesondere die industrielle Nachfrage in den westlichen Industrieländern war rückläufig, wofür GFMS und Silver Institute neben der schwächeren Wirtschaftsentwicklung Substitutions- und Einspareffekte bei den elektronischen und elektrischen Anwendungen verantwortlich machen. Die höhere Industrienachfrage in Asien und hier insbesondere in China konnte diese Schwäche nicht vollständig ausgleichen. Die ETF-Nachfrage leistete keinen nennenswerten Beitrag zur gesamten Silbernachfrage. Die Netto-Zuflüsse von auf 1,6 Mio. Unzen bzw. 48 Tonnen reichten nicht einmal aus, um den Rückgang der Industrienachfrage auszugleichen.