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Kapitalverkehrskontrolle in Griechenland

14.08.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Bankenschließung und Kapitalverkehrskontrolle sperren die Griechen nicht nur ein, sondern sie ebnen auch den Weg zum "Bail-in".

Seit dem 27. Juni 2015 sind die Banken in Griechenland geschlossen. Kunden können zwar elektronische Überweisungen im Inland abwickeln, aber sie können nur noch 60 Euro pro Tag bar abheben. Zudem hat die griechische Regierung "Kapitalverkehrskontrollen" - treffender: ein Verbot für Überweisungen in das Ausland - eingeführt. Dadurch soll verhindert werden, dass noch vorhandene Guthaben in das Ausland oder durch Barabhebungen in Sicherheit gebracht werden können.

Dieser Repressalie können die Bankkunden nicht entkommen. Überweisungen werden im Euroraum mittels eines Zahlungssystem abgewickelt, das den Namen "Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem" (oder auch: "Target-2") trägt und von den Euro-Zentralbanken geführt wird. Sie können grenzüberschreitende Zahlungen - wie von Griechenland in das Ausland - unterbinden. Auslandszahlungen mittels Zahlungsdienstleistern wie Paypal oder Western Union sind ebenfalls unterbunden.

Die Griechen können derzeit folglich keine Güter mehr aus dem Ausland beziehen, deren Bezahlung eine Überweisung erfordert. Wer nicht über entsprechende Bargeldbestände verfügt, kann nicht ins Ausland reisen. Dass dieser Zustand ruinös für das gesamte griechische Wirtschaftsleben ist, liegt auf der Hand: Griechische Unternehmen können Auslandsrechnungen - für Güterkäufe, aber auch für Zins- und Tilgungen - nicht mehr bezahlen, wenn sie nicht über gefüllte Konten im Ausland verfügen. Produktion und Beschäftigung in Griechenland werden schwer geschädigt.

Das, was sich in Griechenland abspielt - Bankenschließung und Kapitalverkehrskontrolle -, ist ein schwerer Eingriff in die Eigentumsrechte. Er zeigt, wie rasch und endgültig der Staat in der Lage ist, die Ersparnisse der Bürger, die bei Banken deponiert sind, einzufrieren - und auch zu entwerten. Darauf läuft es sehr vermutlich auch hinaus.

Das griechische Parlament hat am 22. Juli 2015 der europäischen Abwicklungsrichtlinie (BRRD) zugestimmt.(1) Fortan werden die Halter von Bankschuldpapieren und die Einleger (vermutlich schon recht bald) für die Verluste der Banken aufkommen müssen ("Bail-in") - bevor die im neuen "Rettungsplan" vorgesehenen 25 Mrd. Euro für eine Bankenrekapitalisierung zum Einsatz kommen.

Nach Zypern wäre Griechenland der zweite "Einzelfall", der gutgläubigen Bankschuldnern und -einlegern Verluste beschert. Doch es handelt sich nicht mehr um Einzelfälle. Um die Überschuldung von Staaten und Banken im Euroraum "in den Griff" zu bekommen, werden auch in anderen Ländern Schulden- und Einlagenschnitte an der Tagesordnung sein.

Dazu braucht es nicht notwendigerweise die Schließung des gesamten Bankenapparates. Es können auch nach und nach (damit keine Panik entsteht) einzelne Banken geschlossen und ihre Kundenverbindlichkeiten herabgesetzt werden ("Salami-Taktik"). Es gibt also gute Gründe für Sparer und Investoren auch hierzulande, auf der Hut zu sein - denn nicht nur in Griechenland, auch in anderen Euroraumländern können Banken quasi über Nacht geschlossen werden.


Artikel 63 des Vertrags über die Ar-beitsweise der Europäischen Union - Freier Kapital- und Zahlungsverkehr:

(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

(2) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.


Artikel 64 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - Ausnahmsweise zulässige Beschränkungen:

(2) Unbeschadet der anderen Kapitel dieses Vertrags sowie seiner Bemühungen um eine möglichst weitgehende Verwirklichung des Zieles eines freien Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern kann der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit Maßnahmen für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten beschließen.

Maßnahmen nach diesem Absatz, die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern einen Rückschritt darstellen, bedürfen der Einstimmigkeit.


Artikel 66 des Vertrags über die Ar-beitsweise der Europäischen Union - Kurzfristige Schutzmaßnahmen:

"Falls Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern unter außergewöhnlichen Umständen das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend stören oder zu stören drohen, kann der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Europäischen Zentralbank gegenüber dritten Ländern Schutzmaßnahmen mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten treffen, wenn diese unbedingt erforderlich sind."

(1) Siehe hierzu "Was die Euro-Bankenabwicklung wirklich bedeutet", Degussa Marktreport, 15. August 2014, S. 1 - 3.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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