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John Butler: Der Umbruch im Währungssystem und die Remonetarisierung von Gold

19.10.2015  |  Redaktion
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Das hartnäckige Fortbestehen der Dissonanz

Kommen wir nun zu der Frage, warum sich die kognitive Dissonanz im Bezug auf den Dollar so hartnäckig hält. Dafür gibt es verschiedene plausible und ergänzende Erklärungen. Zum ersten wird das menschliche Denken zu einem gewissen Grad vom sogenannten "Normalitätsbias" beeinflusst, dem naiven wenn auch nicht notwendigerweise falschen Glauben, dass die Zukunft der jüngeren Vergangenheit vollständig oder zum Teil gleichen wird. Der Dollar ist bereits seit rund 70 die weltweit bedeutendste Reservewährung. Warum sollte sich das jetzt ändern?

Zum zweiten werden wir durch eine bestimmte Interpretation der Geschichte beeinflusst (in unserem Fall der Geschichte des internationalen Währungssystems) deren bekanntester Vertreter wohl der schottische Philosoph der Aufklärung David Hume ist und die das Normalitätsbias möglicherweise noch verstärkt. Der Grundgedanke ist dabei, dass die Geschichte immer eine Weiterentwicklung in Richtung einer besseren Welt darstellt, dass ein kontinuierlicher, wenn auch nicht immer verstandener oder gewürdigter Fortschritt stattfindet. Nach dieser Logik ist das derzeitige Dollar-basierte System den vorherigen Finanzsystemen schon allein deshalb überlegen, weil es das heutige und nicht das gestrige ist. Eine weitere Erklärung ist nicht nötig und wird auch nicht gewünscht.

Wir wissen, dass diese Logik fehlerhaft ist. Die Geschichte zeigt uns ihre Unzulänglichkeiten auf: Rezessionen, Finanzkrisen, Depressionen, Kriege, Revolutionen, Staatsgründungen und -zusammenbrüche, Tyrannei, Despotismus usw. begegnen und mit trauriger Regelmäßigkeit, so auch heute in großen Teilen des Nahen Ostens und Nordafrikas. Doch das oberflächliche Gefühl eines stetigen (oder sporadischen) Fortschritts ist dennoch überraschend weit verbreitet, und zwar in allen Disziplinen, nicht nur im Hinblick auf Wirtschafts- und Finanzfragen. Selbst in den exakten Wissenschaften, in denen doch eigentlich nur Fakten und Beweise zählen sollten, können neue Ideen auf enormen Widerstand treffen.

Thomas Kuhn hat das in seiner monumentalen Studie der Wissenschaftsgeschichte, "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen", überzeugend dargelegt. Selbst in den exakten Wissenschaften sind Kuhn zufolge nicht die Fakten das Wichtigste, sondern das "Paradigma". Fakten, die dem vorherrschenden Paradigma widersprechen, werden entweder ignoriert oder diejenigen, die sie verbreiten, werden offen verfolgt, so wie das auch bei Galileo der Fall war, nachdem er die Monde des Jupiter beobachtet hatte.

Angesichts der relativen Subjektivität der Sozial- und Gesellschaftswissenschaften, einschließlich der Wirtschaftswissenschaften, ist fraglos davon auszugehen, dass die Macht des bestimmenden Paradigmas, unbequeme Fakten und die daran geknüpften Theorien fehlzudeuten, ins Lächerliche zu ziehen oder vollständig auszublenden, in diesen Disziplinen noch größer ist. Tiefer gehendes Verständnis, konstruktive Debatten und echter Fortschritt werden dadurch erstickt.

Kuhn weist außerdem darauf hin, dass die angesehendsten Vertreter der jeweiligen Disziplin selbst mit dafür sorgen, dass etablierte Paradigmen so schwer zu überwinden sind. Diese haben - wie die Hohepriester in einer hierarchisch aufgebauten Kirche - viel zu verlieren, wenn sie von unorthodoxen Ideen auf die Probe gestellt werden. Wir lachen heute über die päpstliche Verfolgung von Galilei, aber für die Beteiligten gab es damals nichts zu Lachen. Galileis Beobachtungen, durch das Teleskop für jeden klar nachvollziehbar, widersprachen dem althergebrachten ptolemäischen, geozentrischen Weltbild und bedrohten damit die Grundlagen der kirchlichen Macht.

Heute sind wir zumeist stolz darauf, dass wir, ob wir nun Atheisten sind oder nicht, Wissenschaften und Religion getrennt voneinander betrachten. Und doch durchdringt ein quasi-religiöser und unterschätzter Glaube an bestimmte Paradigmen die Wissenschaften nach wie vor zu einen nicht unerheblichen Grad. Nehmen wir als Beispiel die Urknall-Theorie. Sie wurde schon vor Jahrzehnten entwickelt und nie widerlegt, bleibt aber dennoch nur eine Theorie. Grund dafür ist vor allem, dass es trotz hoher Investitionen in die Forschung nach dem Ursprung unseres Universums noch keine eindeutigen Daten gibt, die sie bestätigen.

Ich bin mit Sicherheit kein Experte auf diesem Gebiet, aber ich erinnere mich, dass die Astrophysiker in meiner Jugendzeit dank der Urknall-Theorie überzeugt waren, eine große vereinheitlichte Theorie zur Erklärung des gesamten Universums sei in Reichweite. Alles, was sie dafür brauchten, war ein Teilchenbeschleuniger mit der nötigen Leistung. Heute, 30 Jahre später, sind sie nach all diesen optimistischen Erwartungen der Verzweiflung nahe. Ungeheure Rechenleistung und sämtliche Beobachtungsinstrumente, von denen sie vor einer Generation nur träumen konnten, stehen zu ihrer Verfügung, und doch sind sie nicht deutlich weiter gekommen, als Einstein vor einem Jahrhundert mit reiner Mathematik, einer Tafel und Kreide?

Könnte es sein, dass die Astrophysik in einen Paradigma gefangen ist, das die Dauer seiner Nützlichkeit überschritten hat und den Fortschritt bremst, statt ihn voranzubringen? Ich habe keine Antwort darauf, aber Kuhn wäre zweifellos ebenfalls der Meinung, dass es sich lohnt, die Frage zu stellen.

Im heutigen, Dollar-zentrischen Währungssystem stellen die Politik der US-Notenbank Fed und alle den Dollar betreffenden Regelungen das dominierende Element der weltweiten Währungspolitik dar. Ist es also ein Wunder, dass die Machthaber versuchen, kritischen Gedanken zu widerstehen, die ihre Strategien als nicht nachhaltig oder schlicht kontraproduktiv entlarven? Was ist mit den Akademikern, von denen sie beraten werden und die sie auf direktem oder indirektem Wege finanzieren?

Ja, es gibt einige Gelehrte, die bereit sind, das Paradigma anzufechten, und einige von ihnen sind auch relativ bekannt. Der Nobelpreisträger Robert Mundell, der sogenannte "Vater des Euros" spricht offen über die allmähliche Erosion, der der Status des Dollars als Reservewährung ausgesetzt ist (wobei er nicht so weit geht zu behaupten, der Dollar würde die Funktion komplett einbüßen). Professor Kevin Dowd, der in den vergangenen Jahrzehnten an der Planung zahlreicher Währungsreformen beteiligt war, hat diesen Gedanken ebenfalls geäußert. Doch die Mainstream-Finanzmedien zogen es vor, diese beiden Ökonomen weitestgehend zu ignorieren.

Interessanterweise hat der Internationale Währungsfonds (IWF) ebenfalls die Idee aufgegriffen, dass der Dollar seinen herausragenden Status als Reservewährung letztlich verlieren könnte. Doch auch hier können wir ein eigennützig handelndes Paradigma erkennen: Der IWF schlägt in recht deutlichen Worten eine "Lösung" für zunehmende Untergrabung der Rolle der US-Währung vor: die Ersetzung des Dollar durch das Sonderziehungsrecht (SZR) des IWF selbst. Können Sie erraten, welche supranationale, faktisch nicht zur Verantwortung ziehbare, bürokratische Institution der IWF zur Verwaltung eines SZR-basierten, internationalen Währungssystems vorschlägt? Ja, natürlich sich selbst. In dieser Rolle könnte der IWF das weltweite Geldangebot und folglich auch die internationalen Zinnsätze steuern.

(Dieses Thema wird weniger förmlich auch im Official Monetary and Financial Institutions Forum (OMFIF) diskutiert, einem internationalen Think-Tank, der die Idee einer potentiellen Umstrukturierung des globalen Währungssystems unter Leitung des IWF prinzipiell begrüßt. Das OMFIF spricht sich jedoch zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit ausdrücklich für die Aufnahme von Gold in den Währungskorb des SZR aus.)



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