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Die EZB überdreht

04.11.2015  |  Robert Rethfeld
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Die EU-Kern-Inflationsrate notierte im September bei 0,9 Prozent. Im Oktober stieg sie auf 1,0 Prozent. Der Anstieg der Kerninflation deutet darauf hin, dass der Inflationsdruck an Momentum gewinnt.

Mario Draghi handelt offenbar lieber jetzt, bevor ihm im ersten Halbjahr 2016 die Hände gebunden sind. Dieses Vorauseilen ist unnötig, denn fast überall im Euroraum verbessert die wirtschaftliche Situation. Selbst im - aus ökonomischer Sicht - notorisch schwachen Italien kommt es zu positiven "Exzessen": Per Berichtsmonat Oktober notiert der italienische Verbrauchervertrauensindex auf dem höchsten Stand seit dreizehn Jahren. Der italienische Geschäftsklima-Index erreicht ein Sieben-Jahres-Hoch.

In Deutschland brummt der Konsum. Man muss nicht lange suchen, warum dies so ist. Neben einer Rekordzahl an Beschäftigten dürften vor allem die Rentner dran "Schuld" sein. Zum 1. Juli 2015 stiegen die Renten um 2,1% (Westen) bzw. 2,5% (Osten). Hinzu kommt: Zum 1. Juli 2016 sollen nochmals 4 bis 5 Prozent draufgelegt werden. Die Inflationsrate befindet sich derzeit bei null. Das bedeutet: Real ist die 2015er-Rentenerhöhung voll wirksam.

Eine berechtigte Frage ist, warum man das zusätzliche Geld nicht dazu benutzt, um einen Kapitalstock für spätere Rentner-Generationen aufzubauen. Niemand in der Bundesregierung - erst recht nicht Frau Nahles - hat daran ein Interesse. Und das, obwohl alle genau wissen, dass sich die Situation des Altersquotienten ab etwa 2020 zu verschlechtern beginnt. Und dies selbst dann, wenn eine optimale Flüchtlingsintegration gelingen würde.

Von 20 Millionen Rentnern verfügt ein Drittel über weniger als 500 Euro Rente. Ähnlich wie bei den Harz IV-Empfängern dürfte jedes Plus sofort ausgabewirksam sein. Weitere sieben Millionen Rentner erhalten zwischen 500 und 1.000 Euro.

Auch hier dürfte die Konsumwirksamkeit eines Anstiegs erheblich sein. Das restliche Drittel erhält zwischen 1.000 und 2.000 Euro Rente. Nur ganz wenige (0,07%) erhalten mehr als 2.000 Euro. Zum Vergleich: Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger beträgt etwa 7 Millionen, also etwa ein Drittel der Rentner.

Die Rentenerhöhung in diesem und auch im kommenden Jahr bedeutet ein erhebliches Konjunkturprogramm, darüber sollte man sich im Klaren sein. Es könnte sogar sein, dass die Wirtschaft in der Eurozone im Jahr 2016 eine Dynamik gewinnt, die diejenige der US-Wirtschaft aussticht.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Mario Draghi die Staaten in die Pflicht nahm, ihre fiskalpolitischen Anstrengungen zu verdoppeln, um den Einfluss der Geldpolitik zurückfahren zu können. Sicherlich wurde nur ein kleiner Teil dieser Anstrengungen von den Staaten umgesetzt. Dennoch gewinnt der Aufschwung des Euroraums an Breite. Unter diesen Umständen sollte die EZB damit beginnen, ihren Einfluss zurückzunehmen.

Die Europäische Zentralbank hat sich offenbar so sehr an ihr Aufgabe gewöhnt, dass sie nicht mehr davon loskommt. Es scheint sogar eine Abhängigkeit entstanden zu sein. Der Junkie ist nicht mehr der Euroraum, sondern die EZB selbst.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de



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