Rendite-Ritt ins Extrem
20.11.2015 | Robert Rethfeld
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Ob Schweizerische Nationalbank, die dänische Nationalbank, die schwedische Reichsbank oder die tschechische Nationalbank: Sie alle sind den Sachzwängen, die durch die EZB-Politik ausgeübt werden, hilflos ausgeliefert. Keines der Länder zeigt ein Aufwertungsinteresse der eigenen Währung gegenüber dem Euro.Die genannten Währungen fungieren als ein Symbol nationaler Identität. Die Bevölkerung zahlt lediglich "auf dem Papier", de facto aber im Euro. Eine solche Aussage gilt zu 100 Prozent für Dänemark (fixer Wechselkurs zum Euro). In abgeschwächter Form kann diese Aussage für die anderen genannten Währungen übernommen werden, auch wenn der Schweizer Franken als"sicherer Hafen" gilt und im Sinne einer weltweit anerkannten "Marke", die dem schweizerischen Finanzplatz sicherlich hilft, eine Sonderrolle einnimmt.
Der Renditespread zwischen Euro- und Dollarraum am kurzen Ende nimmt zu.
Wenn die eine Zentralbank auf Straffung (Fed), die andere auf Expansion setzt (EZB), dann driften die Renditen am kurzen Ende auseinander.
Eine solche Divergenz ist üblicherweise kein Dauerzustand. Es sei denn, die Volkswirtschaften der USA und Europas würde sich extrem unterschiedlich entwickeln. Noch dazu müssten die Inflationsraten in verschiedene Richtungen gehen. Beides geschieht aktuell nicht. Sowohl in den USA als auch in Euroland befindet sich die Inflationsrate nahe Null. Beide Wirtschaftsräume haben dank des Basiseffekts Aussicht auf einen Anstieg der Inflation im ersten Quartal 2016.
Die US-Zentralbank plant an dieser Stelle mit der Dezember-Zinserhöhung das Richtige. Niemand würde eine Fortsetzung der Nullzinspolitik bei einer Januar-Inflationsrate von 2 Prozent und einer Arbeitslosenquote von 5 Prozent verstehen. Hingegen kommt der Lockerungsdrang der EZB einer Überreaktion gleich.
Am Ende des Tages dürften sich beide Zentralbanken aufeinander zu bewegen. Die EZB dürfte Anfang Dezember ihre vorerst letzte Lockerungsaktion fahren, während die Fed mit weiteren Zinsschritten eher sparsam umgehen dürfte.
Der Wechselkurs des Euro/Dollar dürfte diese Gedanken einigermaßen einpreisen. Der Weg derjenigen, die ihn zur Parität prügeln wollen, wird dadurch nicht leichter. Wir sehen einen Verbleib in der Spanne zwischen 1,05 bis 1,15 als ein realistisches Szenario für die kommenden Monate.
Die Negativzinsen in Europa könnten zunächst ein Tief markiert haben. In den 1960er und 1970er-Jahren waren Negativzinsen in der Schweiz gängig. In den 1980er, 1990er und 2000er Jahren nicht, in den 2010er Jahren wieder. Drei Dekaden mit, drei Dekaden ohne Negativzinsen: Was ist die Normalität?
© Robert Rethfeld
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