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Im Sicherheitsnetz der Zentralbanken

06.12.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Zentralbanken haben die Zügel fest in der Hand: Sie können, wenn es gewünscht ist, auch internationale Zahlungsausfälle abwenden.

Integration, Kooperation und Zentralisation sind Schlagworte, die in der Zusammenarbeit von Staaten positiv besetzt sind. Das gilt gleichermaßen für die Zusammenarbeit zwischen (inter-)nationalen Zentralbanken. In der Finanz- und Wirtschaftskrise haben die bedeutenden Zentralbanken der Welt zu einer sehr weitreichenden Maßnahme gegriffen: Sie haben untereinander sogenannte "Liquidität-Swap-Abkommen" (LSA) abgeschlossen.

Danach leihen sich die Zentralbanken gegenseitig bei Bedarf jederzeit ihre eigene Währung. Die amerikanische Zentralbank (Fed) leiht der Europäischen Zentralbank (EZB) US-Dollar. Die EZB leiht bei Bedarf der chinesischen Zentralbank, der Bank von Japan oder auch Schweizer Nationalbank (SNB) Euro, und die SNB leiht der EZB oder Bank von England bei Bedarf Schweizer Franken.

In 2008 und 2009 hat die Fed anderen Zentralbanken der Welt im Rahmen der LSA US-Dollar-Kredite gewährt. Der Grund dafür war, dass viele Nicht-US-Banken Probleme hatten, im Markt US-Dollar-Kredite zu erhalten.

So waren zum Beispiel Euro-Banken nicht in der Lage, ihre fälligen US-Dollar-Verbindlichkeiten zurückzuzahlen, beziehungsweise Investoren waren nicht mehr bereit, ihnen neue US-Dollar-Kredite zu gewähren.

Um die Zahlungsunfähigkeit von Euro-Banken zu verhindern, erhielt die EZB von der Fed neue US-Dollar, die sie dann an Euro-Banken (zu einem sehr niedrigen Zins) weiterverleihen konnte.

Das wiederum beruhigte natürlich die Finanzmärkte: Investoren konnten von da ab mehr oder weniger versichert sein, dass die Zentralbanken "systemrelevante" Banken zahlungsfähig halten werden.

Vor allem aber konnten Investoren fortan versichert sein, dass keine Bank untergehen würde, weil sie ihre Zahlungsversprechungen in fremder Währung nicht leisten kann. Am 31. Oktober 2013 verkündeten die bedeutenden Zentralbanken der Welt zudem, dass sie ihre bisherigen bilateralen LSA von nun an, und bis auf weiteres, als permanent ansehen würden.


LSA haben weitreichende Folgen

Die nationalen Zentralbanken verlieren die Hoheit über die heimische (Basis-)Geldmenge. Im Fall der Fälle werden sie jeden Betrag in heimischer Währung zur Verfügung stellen (müssen), der ihnen von ausländischen Geschäftsbanken abgefordert wird. Mit permanenten LSA wird also de facto die nationale Währungssouveränität aufgehoben, und die Zentralbanken befinden sich mehr denn je im Schlepptau der Bankenindustrie.

Permanente LSA lösen Fehlentwicklungen aus. Euro-Banken und ihre Kunden können sich beispielsweise bei künstlich niedrigen Zinsen US-Dollar beschaffen und damit (bei einer erwarteten Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar) amerikanische Wertpapiere kaufen. Es kommt zur Ausweitung der US-Dollar-Geldmenge, Spekulationsblasen oder offene Inflationsschübe in Amerika, die auch andere Währungsräume erreichen können. Einem Inflationierungskarussell wird Vorschub geleistet.

Die Zentralbanken können aus LSA nicht aussteigen, ohne größere Erschütterungen zu verursachen. Schließlich bauen die Finanzmärkte und insbesondere die Banken ihre Kreditvergabe- und Refinanzierungsgeschäfte auf der ultralockeren Geldpolitik aus. Ein Ausstieg würde die Turbulenzen auf den Finanzmärkten und Probleme in den Konjunkturverläufen hervorbringen, die man mit den LSA zu verhindern sucht.

Die LSA ebnen den Weg zur einheitlichen Weltgeldpolitik. Bisher besteht zumindest in Ansätzen noch ein Wettbewerb zwischen den nationalen Papiergeldanbietern. Indem jedoch die Zentralbanken ihre Politiken immer enger koordinieren, wird der Währungswettbewerb reduziert. Die Möglichkeit, eine Inflationspolitik im Gleichschritt zu betreiben, wird attraktiv(er), gerade in Zeiten einer Überschuldung von Staaten und Banken. Für Sparer schwindet die Mög-lichkeit, sich vor dem Missbrauch mit der elektronischen Notenpresse entziehen zu können.

Die Volkswirtschaften haben sich im "Sicherheitsnetz" der Zentralbanken verfangen. Die LSA sind dabei jedoch nur ein Symptom für eine mittlerweile überall auf der Welt verfolgte Geldpolitik: Eine Geldpolitik, die bestrebt ist, systemgefährdende Zahlungsausfälle in der internationalen Kredit- und Geldarchitektur zu verhindern und die Preisauftriebstendenzen auf den Güter- und Finanzmärkten in Gang zu halten. Wohin diese Geldpolitik führt, soll im nachstehenden Aufsatz erörtert werden.


Was sind Liquidität-Swaps?

Ein Liquiditäts-Swap erfolgt in zwei Transaktionen ("Legs"):

(1) Die EZB "zieht" ihre Swap-Linie, die ihr von der Fed eingeräumt wird. Das bedeutet, dass sie der Fed einen Euro-Betrag (z. B. 100 Mrd. Euro), den sie "aus dem Nichts" schafft, zum gegebenen EURUSD-Wechselkurs (z. B. 1,30) verkauft. Sie erhält dafür einen entsprechenden US-Dollar-Betrag (in diesem Beispiel 130 Mrd. US-Dollar), den die Fed ebenfalls "aus dem Nichts" schafft.

(2) Die EZB verpflichtet sich, die 100 Mrd. Euro in der Zukunft (z. B. in drei Monaten) zurückzukaufen, und zwar zum unveränderten Wechselkurs, das heißt, sie wird der Fed die 130 Mrd. US-Dollar zurückzahlen. Ein Wechselkursänderungsrisiko ist damit ausgeschlossen.

Die EZB verleiht die US-Dollar an Euro-Banken zu Konditionen (Zins, Absi-cherung, Laufzeit etc.), die sie selbst bestimmen kann. Die EZB (beziehungsweise letztlich der Euro-Steuerbürger) haftet dabei gegenüber der Fed für den US-Dollar-Betrag, den sie an die Euro-Banken verliehen hat. Die EZB (beziehungsweise der Euro-Steuerbürger) wird Schuldner der Fed.

Am Ende des Liquidität-Swaps zahlt die EZB der Fed zudem den Zins, den sie den Euro-Banken für den US-Dollar-Kredit in Rechnung gestellt hat. Die Fed zahlt keinen Zins auf den Euro-Betrag, den sie von der EZB erhalten hat. Die Fed verpflichtet sich, den Euro-Betrag nicht zu investieren beziehungsweise auf einem Girokonto bei der EZB zu halten.

"Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen […]. Für die fortgeschrittensten Länder werden […] die folgenden [Maßnahmen, a. d. V.] ziemlich allgemein in An-wendung kommen können: … 5. Zentralisation des Kredits in den Händen des Staates durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol." Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei


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Quelle: Thomson Financial


Die obige Grafik zeigt die Inanspruchnahme der Liquidität-Swaps, die die amerikanische Zentralbank (Fed) seit 2006 bereitgestellt hat. In der akuten Krisenzeit 2008/2009 stieg sie auf knapp 600 Mrd. US-Dollar an. Derzeit ist sie de facto null. Ihre Wirkung entfalten die Liquidität-Swaps dennoch: Sie sind quasi ein aufgespanntes Sicherheitsnetz, auf das sich Banken mehr oder weniger verlassen können. Das wiederum senkt die Kreditausfallsorgen in den Finanzmärkten ab. Es ermutigt beziehungsweise provoziert sogar Investoren Risiken einzugehen, die sie ohne das Sicherheitsnetz nicht eingehen würden.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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