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Super-Monetisierung des Kreditbooms

05.12.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Um den weltweiten Kreditboom in Gang zu halten, werden die Zentralbanken immer mehr Kredit und Geld verabreichen (müssen).

Auf den Finanzmärkten hat sich mittlerweile die Erwartung festgesetzt, dass die US-amerikanische Zentralbank (Fed) ihre Leitzinsen Mitte Dezember erhöhen wird. Es wäre eine Zinsanhebung in einem gefährlichen Umfeld. Die Renditeaufschläge in den Kreditmärkten haben seit Mitte 2014 merklich zugenommen; die Sorgen vor einer Verschlechterung der Kreditqualitäten ha-ben also wieder zugenommen.

Nun war aber seit Anfang der 1990er Jahre das Ansteigen der Renditeaufschläge stets mit einem Absenken, nicht aber mit einem Anheben der US-Leitzinsen verbunden. Diese Beobachtung könnte sehr bedeutsam sein.

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Quelle: Bloomberg. *Rendite für US-Unternehmensanleihen mit einer Kreditqualität von "BAA" minus Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen; 100 Basispunkte = ein Prozent-punkt. Schattierte Fläche: Perioden, in denen die Kreditprämien angestiegen sind.


Sie stützt die Einschätzung, dass eine Erhöhung der US-Leitzinsen, wenn sie denn tatsächlich kommt, in ihrem Umfang sehr begrenzt bleiben und vermutlich auch in ihrer Dauer recht kurz sein wird. Steigende Kreditkosten - und dafür sorgt ein Anstieg der US-Leitzinsen weltweit - können die Volkswirtschaften nicht mehr tragen, ohne dass das ohnehin spärliche Wirtschaftswachstum leidet.

Um das zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass die Zentralbanken die Geldmenge fortwährend ausweiten, und zwar wann immer es geht durch Kreditvergabe. Ein Ausweiten der Geldmengen durch Kreditvergabe führt zunächst zu einem künstlichen Absenken der Zinsen. Das ermutigt zu kreditfinanzierten Ausgaben. Ein künstlicher Aufschwung, ein Boom, kommt in Gang. Der Boom muss aber früher oder später in sich zusammenbrechen. Über dem Boom hängt also ein Damoklesschwert. Doch es lässt sich nicht verlässlich sagen, wann der Boom in einen Bust umkippt.

Denn Produktivitätsgewinne - als Folge technologischer Neuerungen - können den Boom verlängern. Der Boom wird aber spätestens dann in einen Bust umkippen, wenn die Überschuldungssituation erreicht ist: Wenn Schuldner nicht mehr in der Lage oder willens sind, ihren Schuldendienst vollumfänglich zu leisten, und die Kreditgeber das erkennen. Das ist auch der Zeitpunkt, an dem die Zentralbank den Marktzins vollends kontrollieren und auf die Nulllinie oder darunter drücken muss, damit strauchelnde Schuldner fällige Kredite durch neue, zinsgünstigere Kredite ersetzen können.

Soll der Boom nicht kollabieren, muss die Neuverschuldung weitergehen. Doch wie, wenn die Verschuldung schon sehr hoch ist? Die Antwort lautet: Die aufgelaufenen Schuldenlasten müssen verringert werden. Der eleganteste Weg wäre natürlich, aus den Kreditverbindlichkeiten "herauszuwachsen". Genau das aber ist in der Regel nicht mehr möglich, wenn Schuldenlasten, im ungedeckten Papiergeldsystem aufgetürmt wurden. Es bleiben daher nur zwei Wege: Schuldenschnitt oder die Entwertung der Kaufkraft des Geldes.

Schuldenschnitte sind zwar in dem einen oder anderen Fall möglich (wie beispielsweise in Zypern und Griechenland). Sie lassen sich jedoch nicht "großflächig" anwenden, ohne dass dabei die Kredit- und Geldarchitektur und damit der Boom zusammenbricht; Schuldenschnitte offenbaren die Unmöglichkeit, die ausstehenden Schulden zurückzuzahlen. Unter diesen Umständen bleibt dann nur die Inflationspolitik. Wenn Zentralbanken Schulden in großem Stile aufkaufen und mit neu geschaffenem Geld bezahlen, sinkt die reale Schuldenlast der Schuldner: Die Kaufkraft des Geldes, mit der Zins- und Tilgungszahlungen geleistet werden müssen, schwindet. Die Geschädigten sind die (Gut-) Gläubiger.

Doch lässt sich Inflation überhaupt noch schaffen? Sorgen nicht Überkapazitäten, hohe Arbeitslosigkeit und technologischer Fortschritt, dass Inflation gar nicht mehr entstehen kann? Die Antwort ist nein. Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen. Bringt die Zentralbank immer mehr Geld in Umlauf - und das kann sie als Monopolist der Geldproduktion im Grunde jederzeit und in jeder gewünschten Menge bewerkstelligen -, steigen früher oder später auch die Preise; das ist eine ökonomische Gesetzmäßigkeit.

Aber auf welchem Wege lässt sich die Geldmenge erhöhen, wenn die Bankenkreditvergabe vielleicht nicht mehr ausreicht, die Inflation in die Höhe zu treiben? Ein Weg ist der Aufkauf von Staats- und Privatschulden durch die Zentralbank und das Bezahlen mit neu geschaffenem Geld. Reicht das nicht, kann die Zentralbank Fremdwährungen erwerben und diese mit neu geschaffenem Geld bezahlen. Sie kann neue Banknoten drucken und als "Konsumgutschein" an die Bevölkerung ausgeben ("Helikopter-Geld"), oder sie kann die Kontoguthaben der Bankkunden verdoppeln, verzehnfachen.

Wenn es das Ziel ist, Inflation - im Sinne von steigenden Preisen - zu schaffen, können die Zentralbanken das erreichen. Letztlich ist entscheidend, ob die Öffentlichkeit mitspielt. Scheut sie vor Deflation zurück, und sieht sie eine fortgesetzte Inflation als wünschenswert an, haben die Zentralbanken Carte Blanche, und es wird Inflation, nicht Deflation geben. Angesichts der immensen Schuldenlasten in den entwickelten Volkswirtschaften, verbunden mit einer großen Abhängigkeit vieler von staatlichen Finanzzuwendungen, steht wohl vielerorts eine Super-Monetisierung ins Haus - die zu einer gewaltigen Zwangsumverteilung von Einkommen und Vermögen führt.


Die Relation zwischen der "Überschussliquidität" und dem Goldpreis

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. Schattierte Fläche: Periode der fallenden Umlaufgeschwindigkeit des Geldes


Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes bezeichnet die Häufigkeit, mit der eine Geldeinheit in einer Zeitperiode (zum Beispiel in einem Quartal) zu Zahlungszwecken eingesetzt wird. Sie wird errechnet, indem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) durch die Geldmenge dividiert wird.

Seit etwa Mitte 1997 ist die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge M2 auf dem Sinkflug. Die Geldmenge wächst also stärker als das nominale BIP. Es stellt sich die Frage: Was ist mit der "überschüssigen" Geldmenge passiert? Vermutlich ist die "Überschussgeldmenge" in die Vermögensmärkte - wie zum Beispiel in die Häuser- und Aktienmärkte - geflossen. Sie hat die Preise in den Vermögensmärkten inflationiert.

Die US-Geldpolitik, die spätestens seit der "Asienkrise" 1997 immer expansiver geworden ist, hat die Inflationierung der Vermögensmärkte immer weiter verschärft - mit der Folge, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes immer weiter abgesackt ist.

Interessant ist dabei, dass der Goldpreis (gerechnet in US-Dollar pro Feinunze) mit Beginn des 21. Jahrhunderts begann sehr stark anzusteigen. Das mag im Zusammenhang gestanden haben mit dem "Rohstoffpreisboom". Aber es ist ebenso plausibel zu vermuten, dass die immer expansiver gewordene US-Geldpolitik Sparer und Investoren veranlasst hat, Gold zu Versicherungszwecken nachzufragen. Der Goldpreisrückgang seit September 2011 wäre so gesehen eher eine "Anomalie".

Denn macht die US-Zentralbank weiter wie bisher - was wahrscheinlich ist, - dann sollte der Goldpreis steigen, nicht fallen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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