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Was Sie über Nullzinsen wissen sollten

28.03.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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In der "Zinsfalle"

Im Grunde verliert eine Volkswirtschaft durch eine Nullzinspolitik ihren Kompass und gerät dadurch in einen Blindflug. Alle Preise werden durch das Absenken des Zinses verzerrt und büßen dadurch ihre Signalfunktion ein: Es ist nicht mehr sichergestellt, dass knappe Ressourcen zum besten Wirt geleitet werden. Das muss das Wirtschaftswachstum beschädigen, auch wenn das in kurzer Frist auch nicht immer ersichtlich sein mag.

Es ist jedoch absehbar, dass die Politik des Nullzinses zu einer "Zinsfalle" wird, aus der es nachfolgend kaum mehr ein Entkommen gibt. Nach einer andauernden Phase des künstlich niedrig gehaltenen Zinses würden steigende Zinsen nicht nur einzelne Schuldner, sondern die gesamte Wirtschaftsstruktur ins Taumeln bringen.

Beispielsweise würden die Investitionen und Arbeitsplätze unrentabel werden, die im Zuge der Niedrig- beziehungsweise Nullzinsphase aufgebaut wurden. Politisch gibt es meist keine Bereitschaft, eine Anpassungsrezession hinzunehmen, um den Zins wieder auf sein normales Niveau zurückzuführen.

Die Hoffnung von Sparern und Anlegern, der "Spuk der Nullzinsen" werde vielleicht bald vorbei sein, könnte sich also als trügerisch erweisen. Wie etwa im Falle Japans: Hier ist der Leitzins seit Mitte 1995 nahe, beziehungsweise quasi auf der Nulllinie.

Jüngst ist die Rendite der zehnjährigen japanischen Staatsanleihe sogar unter die Nulllinie gefallen. In Japan hat die Zinsfalle also bereits zugeschnappt - und im Euroraum könnte sie ebenfalls bald zuschnappen.

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Quelle: Bloomberg


Der Zins: Ausdrucks des menschlichen Handelns und Wertens

Der Zins ist Ausdruck des menschlichen Handelns und Wertens. Weil alles menschliche Handeln unter Knappheit stattfindet (und sei es nur, weil man zum Handeln Zeit braucht, und Zeit knapp ist), schätzt der Handelnde eine frühere Erfüllung seiner Ziele höher als eine spätere; und er zieht auch ein "Mehr" gegenüber einem "Weniger" vor. Mit anderen Worten: Der Handelnde wertet ein Gut, das in der Gegenwart verfügbar ist (Gegenwartsgut), höher als das Gut, das er erst zu einem späteren Zeitpunkt erhält (Zukunftsgut). Für den Wertabschlag, den folglich ein Zukunftsgut gegenüber einem Gegenwartsgut erleidet, steht der Zins (beziehungsweise der "natürliche Zins" oder der "Urzins", wie er auch genannt wird).

Jeder handelnde und wertende Mensch trägt den Urzins gewissermaßen in sich. Dabei ist es ganz und gar undenkbar, dass der Urzins auf null fallen kann, geschweige denn, dass er negativ wird. Ein Urzins von null Prozent hieße nichts anderes, als dass der Handelnde niemals konsumiert. Er würde bereit sein, einen Apfel heute gegen 2 Äpfel in 1000 Jahren zu tauschen. Aber auch nach 1000 Jahren würde er (beziehungsweise seine Erben) nicht konsumieren, weil er (sie) einen Apfel gegen zwei Äpfel in 1000 Jahren tauschen will. Mit anderen Worten: Der Gedanke eines Null-Urzinses ist absurd, und was ein negativer Urzins heißt, kann sich ein gesunder Menschenverstand nicht einmal vorstellen.

Der Marktzins, der sich durch das Angebot von und der Nachfrage nach Ersparnissen auf dem Markt bildet, setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Neben Inflations- und Kreditausfallprämien gehört dazu natürlich auch der Urzins. Er kann jedoch, wie gesagt, niemals null, geschweige denn negativ sein. Anders der Marktzins: Er kann durchaus negativ werden. Etwa deshalb, weil die Zentralbank ihn in den Negativbereich drückt. Es kommt jedoch dann zu einem Ungleichgewicht, wenn der reale Marktzins null oder gar negativ wird.

Wer den Eindruck hat, eine Nullzinspolitik oder gar eine Politik des Negativzinses sei etwas "unnatürliches", der liegt vollkommen richtig. Es ist eine Politik, die der menschlichen Vernunft zuwiderläuft, und die nicht etwa die Prosperität der Volkswirtschaft erhöht, sondern das Gegenteil bewirkt: Sie bringt der Volkswirtschaft Fehlinvestitionen und Kapitalverzehr, macht sie ärmer, weil sie die Marktwirtschaft quasi aushebelt.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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