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Edelmetalle: Steigende Nervosität vor wichtigen Weichenstellungen

20.06.2016  |  Thorsten Proettel
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Abkehr von Sparanstrengungen in der Währungsunion wird offensichtlich

Die Situation in Spanien spiegelt damit auf zweierlei Arten das Dilemma der Währungsunion wider. Erstens ist die EU-Kommission nicht gewillt, die eigenen Regeln zum Erhalt einer stabilen Gemeinschaftswährung durchzusetzen oder auch nur den Anschein zu wahren.

Als Kommissionschef Jean-Claude Juncker Anfang Juni gefragt wurde, warum Frankreich wiederholt mehr Zeit für den Defizitabbau gewährt bekommt, antwortete er "Weil es Frankreich ist". Zweitens ist die Vorstellung, über Reformen und eine Minderung der Ausgaben überschuldete Staaten wieder fit zu machen zwar nicht ökonomisch gescheitert. Aber sie droht politisch zu scheitern. Wie die Beispiele Griechenland und Portugal zeigen, sind die Wähler nicht zu harten Einschnitten bereit. Entweder die Regierungen verschonen sie davor oder sie werden abgewählt. Damit bleibt die Europäische Zentralbank bis auf weiteres in der Rolle des Ausputzers, der die Währungsunion zusammenhält.


BVG entscheidet über OMT

Ob die EZB diese Rolle mit ihren milliardenschweren Anleihenkäufen auch zukünftig spielen kann, entscheidet sich am kommenden Dienstag, den 21. Juni. An diesem Tag verkündet das Bundesverfassungsgericht (BVG) zwar kein Urteil über die derzeitigen unkonventionellen Maßnahmen der Europäischen Notenbank, sondern nur über das so genannte OMT-Programm. Die Folgen könnten dennoch weitreichend sein. Zum Verständnis ist ein kurzer Rückblick notwendig.


OMT - Ein Kind der Not

Als im Sommer 2012 die Angst vor dem Zusammenbruch der Eurozone kursierte, verkündete EZB-Chef Mario Draghi auf einer Investorenkonferenz in London, alles zu tun, um den Währungsraum zu retten. Was zu diesem Zeitpunkt nur ein Versprechen im luftleeren Raum war, wurde kurze Zeit später mit dem Outright Monetary Transactions (OMT)-Programm der EZB mit Leben gefüllt. Demnach wird die Zentralbank im Notfall unbeschränkt Staatsanleihen von Mitgliedsländern kaufen, um dort Staatspleiten zu verhindern.

Die bloße Ankündigung half damals, die Märkte zu beruhigen. Doch das Bundesverfassungsgericht erklärte im Januar 2014, dass eine solche Aktion nicht vom Mandat der EZB gedeckt sei, da es sich nicht um eine währungspolitische Maßnahme handelt, sondern um einen Eingriff in die Wirtschaftspolitik. Das BVG überwies den Fall an den Europäischen Gerichtshof, der das OMT-Programm im Juni 2015 als rechtmäßig durchwinkte. Somit stehen zwei widersprüchliche Auffassungen von zwei obersten Gerichten im Raum, wobei sich das BVG in diesem Machtkampf das letzte Wort vorbehalten hat.


BVG in schwieriger Lage

Akzeptiert das BVG den Luxemburger Richterspruch am 21. Juni, dann dürfte der Goldpreis hiervon zunächst kaum beeinflusst werden. Das Thema wird vor dem Hintergrund der Brexit-Debatte in den ausländischen Medien derzeit nicht behandelt.

Mittel- bis langfristig wäre diese Entscheidung für Gold von einem zynischen Standpunkt aus betrachtet allerdings vorteilhaft. Die EZB würde sich mit ihrer Politik des billigen Geldes bestätigt sehen und die nach zwei Währungsreformen geschaffene deutsche Stabilitätskultur wäre auch in diesem Punkt ausgehebelt.

Sollte das BVG im umgekehrten Fall bei seiner Meinung bleiben und beispielsweise der Deutschen Bundesbank die Teilnahme am OMT-Programm untersagen, dann sind panikartige Preisschübe auf dem Goldmarkt nicht unwahrscheinlich. Das Rettungsversprechen Mario Draghis würde nicht mehr glaubwürdig erscheinen und der Euroraum könnte in letzter Konsequenz zerbrechen.

Vor diesem Hintergrund rechnen viele Marktbeobachter mit einem Einknicken des BVG, da sich die Karlsruher Richter vermutlich nicht dem Vorwurf aussetzen lassen wollen, mit ihrem Urteil den Fortbestand des Euro zu gefährden. Wahrscheinlich ist in diesem Fall, dass das BVG lediglich eine gesichtswahrende Passage in das Urteil einflechtet.


Brexit bereits teilweise eingepreist

Das am Goldmarkt mit Abstand am stärksten beachtete Ereignis in den kommenden Tagen ist jedoch das Brexit-Referendum. Wenn das amtliche Ergebnis am Freitagmorgen gegen 2 Uhr einen Verbleib Großbritanniens in der EU bescheinigt, ist mit einem Nachgeben der Goldnotierungen zu rechnen. Ein Brexit wurde nämlich zumindest zum Teil bereits eingepreist und diese Risikoprämie würde vermutlich wieder abgebaut werden. Hierauf deutet nicht zuletzt der Preissturz nach dem Attentat auf Jo Cox hin.

Umgekehrt halten wir bei einem "Vote Leave" angesichts der zu erwartenden Turbulenzen an den Finanzmärkten zunächst eine Verteuerung des Goldes für wahrscheinlich, bevor Gewinnmitnahmen einsetzen. Die langfristigen Wirkungen sind jedoch ebenso unklar wie die Frage, ob Großbritannien durch die Trennung in eine Rezession rutscht oder ob demnächst weitere Staaten wie die Niederlande oder Finnland mit eigenen Referenden folgen.


© Thorsten Proettel
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart



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