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Märkte verdauen “Brexit”-Schock erstaunlich schnell

27.06.2016  |  Eugen Weinberg
Energie

Die Ölpreise setzten zum Auftakt in die neue Handelswoche die Abwärtsbewegung vom Freitag zunächst fort. Brent fiel kurzzeitig unter die Marke von 48 USD je Barrel, erholte sich dann aber rasch und handelt inzwischen knapp 1 USD höher. Offensichtlich erachten viele Marktteilnehmer die Ölpreise nach dem Rückgang um 5% am Freitag als attraktiv zum Einstieg. Dabei spielt sicherlich auch eine Rolle, dass die Tiefstände von vorletzter Woche nicht unterschritten worden sind. Fundamental ist der Ölpreis gut unterstützt.

Aufgrund einer fallenden US-Ölproduktion - die Bohraktivität in den USA ging letzte Woche erstmals seit vier Wochen wieder zurück - bei weiterhin hohen außerplanmäßigen Angebotsausfällen und einer gleichzeitig robusten Nachfrage ist der Ölmarkt monentan unterversorgt. Über die Auswirkungen des Brexits auf die Ölnachfrage kann im Moment nur spekuliert werden. Es ist möglich, dass die Energieagenturen ihre Nachfrageschätzungen in den kommenden Monaten nach unten revidieren. Solange dies aber nur Großbritannien betrifft und es nicht zu Ansteckungseffekten auf ganz Europa und andere Regionen kommt, sollte der Einfluss aber begrenzt sein.

Die Finanzanleger haben in der Woche vor dem Brexit-Referendum ihre Netto-Long-Positionen bei WTI um 28 Tsd. Kontrakte ausgeweitet. Bei Brent dürfte es zu einem ähnlichen Aufbau gekommen sein. Die ICE gibt die entsprechenden Daten heute Mittag bekannt. Die Finanzanleger sind damit auf dem falschen Fuß erwischt worden und dürften mit ihren Verkäufen den Preisrückgang am Freitag maßgeblich begünstigt haben.


Edelmetalle

Gold steigt zum Wochenauftakt entgegen einem festen US-Dollar um 1% auf rund 1.330 USD je Feinunze. In Euro gerechnet fällt der Preisanstieg entsprechend noch stärker aus: Gold verteuert sich um 1,5% auf gut 1.200 EUR je Feinunze. Am Freitag hatte sich die Lage nach dem ersten Schock über das Ergebnis des "Brexit"-Referendums wieder etwas beruhigt und von zwischenzeitlichen Preisanstiegen von 8% bzw. 13% in US-Dollar und in Euro blieben am Handelsende noch knapp 5% bzw. gut 7% übrig. Dies entsprach dennoch dem größten Tagesgewinn seit Januar 2009.

Wie zu erwarten war, sind den Gold-ETFs am Freitag umfangreiche Mittel zugeflossen. Die Bestände der von Bloomberg erfassten Gold-ETFs wurden um 17,5 Tonnen aufgebaut, so stark wie seit Anfang Mai nicht mehr. Erstaunlicherweise verzeichneten die europäischen Gold-ETFs dabei allerdings Abflüsse. Die Unsicherheit, wie es in Großbritannien weitergeht, dürfte Gold in den nächsten Monaten unseres Erachtens unterstützen. So hat zum Beispiel die Erste Ministerin Schottlands angekündigt, ein neues Referendum über einen Austritt Schottlands aus Gro߬britannien vorzubereiten.

Und auch außerhalb Großbritanniens bleibt die politische Lage instabil, wie das erneute Patt nach der Wiederholung der Parlamentswahl in Spanien zeigt. Die spekulativen Finanzinvestoren haben in der Woche zum 21. Juni und damit vor dem "Brexit"-Referendum ihre Netto-Long-Positionen bei Gold nochmals deutlich ausgeweitet. Sie sitzen damit nun auf deutlichen Buchgewinnen, was im Falle von Gewinnmitnahmen zu Preisrückgängen führen könnte. Dafür fehlt derzeit allerdings der Anlass.

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Industriemetalle

An den Metallmärkten hat sich die Lage nach dem "Brexit"-Referendum offenbar wieder beruhigt. Schon am Freitag holten die Metallpreise im Tagesverlauf ihre anfänglichen Verluste teilweise wieder auf und legen heute Morgen mehrheitlich bereits wieder zu. Unterstützt werden sie dabei wohl von festen chinesischen und japanischen Aktienmärkten.

Die Marktteilnehmer stellen sich anscheinend darauf ein, dass die chinesischen Behörden in den nächsten Wochen geldpolitische Maßnahmen ergreifen werden, um die negativen Auswirkungen des "Brexit" auf die größte asiatische Volkswirtschaft möglichst gering zu halten. Der aufwertende US-Dollar bremst dagegen eine stärkere Erholungsbewegung noch aus.

Kupfer verteuert sich wieder auf rund 4.750 USD je Tonne und nähert sich damit sowohl seinem Mehrwochenhoch von letztem Donnerstag als auch der charttechnisch wichtigen 200-Tage-Linie. Die spekulativen Finanzanleger haben laut CFTC-Daten in der Woche zum 21. Juni und damit vor dem "Brexit"-Referendum bei Kupfer an der Comex in New York ihre Netto-Short-Positionen deutlich um gut 40% auf 28 Tsd. Kontrakte reduziert, da die Finanzmärkte einen Austritt Großbritanniens aus der EU auspreisten.

Sie haben damit wohl zum Preisanstieg von Kupfer in der Beobachtungsperiode beigetragen. Da Kupfer nach dem Datenstichtag weiter gestiegen ist, dürften die Netto-Short-Positionen mittlerweile weiter reduziert worden sein.


Agrarrohstoffe

Wie für den Fall eines Abstimmungsergebnisses zugunsten des „Brexit“ erwartet, zogen am Freitag die Londoner Kakaonotierungen kräftig an. Der massive Wertverlust des Britischen Pfundes katapultierte den Kakaopreis im meistgehandelten Terminkontrakt zwischenzeitlich auf ein 5-Jahreshoch von 2.351 GBP je Tonne. Kakao schloss letztlich bei 2.343 GBP je Tonne mit 2,5% im Plus. Der Kakaopreis in New York gab dagegen um 5% nach, was nicht neuen fundamentalen Daten, sondern der Stärke des US-Dollar geschuldet war.

Der starke US-Dollar dämpfte auch die Preisentwicklung bei anderen Agrarrohstoffen. So beendete etwa Arabica-Kaffee erstmals seit vier Wochen eine Woche im Minus, nachdem der Preis am Freitag um 4% rückläufig war. Von dem Abstimmungsergebnis am letzten Donnerstag dürften viele kurzfristig orientierte Marktteilnehmer überrascht worden sein, nachdem sie in der letzten Berichtswoche Netto-Long-Positionen bei Kakao und Arabica-Kaffee aufgebaut hatten.

Die Pfund-Abwertung sorgte auch für einen Preisanstieg bei dem ebenfalls in GBP notierten Futterweizen. In Euro notierter Mahlweizen in Paris konnte trotz negativer Vorgaben aus Chicago ebenfalls profitieren, nachdem der Euro gegenüber dem US-Dollar an Wert verlor. Welche Auswirkungen ein "Brexit" für den Weizenhandel in Europa hat, ist derzeit unklar und hängt von den künftigen Handelsvereinbarungen ab.

Das Vereinigte Königreich importiert Mahlweizen, ist aber ein großer Anbieter von Futterweizen. Kurzfristig dürfte für die Preisrelation wichtiger sein, wie sich die Weizenqualität nach dem Starkregen der letzten Wochen darstellt



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