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Das Undenkbare denken: Ein Blick auf die kommende Krise

01.07.2016  |  John Mauldin
- Seite 5 -
Egal, ob wir bis dahin in einer Trump-Welt oder einer Clinton-Welt leben - wenn die Federal Reserve versucht, eine Rezession in den Griff zu bekommen, werden die USA es dann zulassen, dass der Rest der Welt seine Währungen gegenüber dem US-Dollar abwertet? Nein. Wir werden das Undenkbare denken müssen. Die Regierung und die Zentralbank, die für die Reservewährung der ganzen Welt verantwortlich sind, werden tatsächlich versuchen, den Dollarwert zu beeinflussen, und zwar mit Methoden, die Sie sprachlos machen werden. Anleihekäufe und negative Zinssätze sind erst der Anfang. Die vorsätzliche Abwertung des US-Dollars ist womöglich die dümmste Idee, die wir bislang gehört haben, und ich erwähne sie an dieser Stelle, weil ein solcher Schritt undenkbar ist. Er ist genauso unvorstellbar, wie Negativzinsen das noch vor vier Jahren waren, oder wie Zentralbankbilanzen in Höhe von 10 Billionen USD.

Wenn wir in den Bereich des Undenkbaren vorstoßen, muss ich an die Schlacht von Alamo denken, bei der texanische Widerstandskämpfer im 19. Jahrhundert versuchten, Fort Alamo gegen das mexikanische Heer zu verteidigen. Der mexikanische General Santa Anna ließ seine Kapelle 13 Nächte lang das spanische Lied "El Deguello" spielen, was so viel bedeutet wie "die Enthauptung". Mit dem Lied verkündete der Trompeter, dass es für die Besiegten kein Pardon geben würde.

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13 Nächte lang hörten die Männer in Fort Alamo das Lied und dessen Botschaft "morgen werden wir euch töten" und 13 Nächte lang hielten 150 Mann gegen ein Heer von 5.000 aus. Letztlich ging ihnen die Munition aus und sie kämpften mit Messern und Schwertern gegen die Kugeln. Sie verloren. Ich denke, den Schwellenmärkten ergeht es so ähnlich wie den Männern, die versuchten das belagerte Fort Alamo zu halten. Die Zentralbanken der Schwellenmärkte werden letztlich auch verlieren, weil sie in ein Feuergefecht geraten sind, aber nur Messer besitzen, keine Schusswaffen.

Wie können wir ein solches Desaster vermeiden? Im Hinblick auf die Schulden muss etwas geschehen. Womöglich werden wir eine Art Schuldenerlass ausrufen, was wie bereits erwähnt wahnsinnig und undenkbar wäre. Doch wenn man mit dem Rücken zur Wand steht und einem eine letzte Zigarette und eine Augenbinde angeboten werden, dann fängt man vielleicht an, über Alternativen nachzudenken.

Könnten die großen Industriestaaten dieser Erde alle gemeinsam ihre Schulden monetarisieren - nicht jedes Land für sich, sondern wirklich alle zusammen - und anerkennen, dass die Verschuldung außer Kontrolle geraten ist? Wir müssen das gesamte System rationalisieren, und zwar in einer geordneten und gut koordinierten Weise, sodass kein bedeutender Staat hinsichtlich des Wertes seiner Währung einen Vorteil erhält. Das wäre ein kontrollierter Währungskrieg. Die kleineren Schwellenländer wären auf sich allein gestellt. Traurigerweise ist das mein Versuch, das Undenkbare optimistisch zu betrachten.

Ich habe nicht das geringste Vertrauen in die eben angesprochenen Ideen. Aber ich sage Ihnen, dass sie alle möglich sind. Die Zentralbanker und Regierungen haben sich selbst in die tiefste aller Sackgassen manövriert und sie werden sich noch öfter in die Zwickmühle bringen, weil ihre Glaubenssätze und Präsuppositionen grundlegend falsch sind.

Ich schätze, sie werden das System weiter verschlechtern, bis eine wirklich drastische Maßnahme notwendig wird. An diesem Punkt wird die kollektive Rationalisierung der Schulden die einzige Option sein. Kein Land könnte einen solchen Schritt allein gehen, ohne dass alle anderen Staaten ebenfalls den gleichen Weg beschreiten. Wenn ein einzelner Staat die Reformierung seiner Schulden versuchen würde, hätte das enorme Verschiebungen im Finanz- und Währungssystem zur Folge. Ohne kollektive Abwertung steht uns ein Währungskrieg bevor, gegen den die 1930er Jahre harmlos wirken werden. Damals konnte man die Währungen wenigstens noch gegenüber etwas anderem abwerten - gegenüber Gold. Heute haben die Währungen keinerlei Verankerung mehr.

Wie investieren wir vor diesem Hintergrund? Als Anleger haben wir das Problem, dass uns gar keine andere Wahl bleibt, als in die globalen Märkte zu investieren, denn dort findet das globale Wachstum statt. Etwas anderes gibt es nicht.

Vor zwei Monaten hatte ich dazu eine Konversation mit Harry Markowitz, dem Nobelpreisträger, der die moderne Portfoliotheorie entwickelte. Wir haben uns eineinhalb Stunden lang über die Theorie und die Diversifizierung von Portfolios unterhalten und ich argumentierte, dass es künftig sinnlos sein wird, zwischen verschiedenen Anlageklassen zu diversifizieren, da die Korrelationen sich in einer kopfstehenden Welt angleichen werden. Um eine gute Performance zu erreichen, müssen wir meiner Meinung nach die Trading-Strategien diversifizieren, die wir auf die verschiedenen Assets anwenden.

Wir werden es uns nicht mehr leisten können, passiv zu sein und Long-Positionen auf dieses und Short-Positionen auf jenes zu halten. Das wird nicht mehr zu Ergebnissen führen, mit denen Sie zufrieden sind. Wenn Sie jedoch auf verschiedene schlaue Trader setzten, haben Sie eine Chance, Ihr Vermögen ans andere Ufer zu retten. Harry wies darauf hin, dass meine Vorschläge noch immer mit der modernen Portfoliotheorie vereinbar sind, denn sie beschreiben nur eine andere Art, diversifizierte Anlageklassen zu handeln.

In der kommenden Krise werden Sie das andere Ufer unbedingt unbeschadet erreichen wollen, denn dort wird ein höllischer Bullenmarkt warten. Die Technologie wird uns Dinge ermöglichen, von denen wie nie geträumt haben. Drei Milliarden Menschen steigen in den Schwellenländern in die Mittelklasse auf, auch wenn dieser Prozess noch eine Weile dauern wird. Wir werden in einer phänomenalen Welt leben. Sie müssen sich nur darüber im Klaren werden, wie Sie Ihre Assets durch die Krise retten.

Die Modelle der Federal Reserve funktionieren nicht. Aus irgendeinem Grund akzeptieren wir noch immer, dass die Fed intelligent genug ist, um den wichtigsten Preis der Welt zu bestimmen: den Preis von Geld in der weltweiten Reservewährung. Denn letztlich sind Zinsen nichts anderes als der Preis, den Geld hat. Diese Entscheidung trifft die Notenbank auf Grundlage der von ihr selbst erarbeiteten Modelle, die noch nie richtig waren. Sie liegen immer falsch, aber wir glauben, dass sie den Zinssatz richtig festlegen können? Sie werden es vermasseln, denn genau das tun sie schon seit sechs Jahren. Wir erleben hier den Beginn des größten währungspolitischen Fehlers der Weltgeschichte, vielleicht mit Ausnahme dessen, was sich in der Weimarer Republik und in Zimbabwe abgespielt hat. Doch heute werden die Auswirkungen weltweit spürbar sein.

Ich fürchte das Einzige, worauf wir uns verlassen können, wird die Tatsache sein, dass die Fed zielsicher immer exakt den falschen Kurs wählt. Sie glauben, sie könnten den Preis des Geldes festlegen und dadurch Angebot und Nachfrage ausbalancieren. Können Sie mir ein Beispiel für feste Preise nennen, die in der Realität funktioniert haben und ein Paradies geschaffen haben, in dem Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht waren? Die Zentralbanker haben das System manipuliert und Geld den falschen Preis zugemessen.

Sie haben eine Welt geschaffen, in der Sparer bestraft und Unternehmen dafür belohnt werden, wenn sie ihre Konkurrenz aufkaufen, statt selbst wettbewerbsfähig zu werden. Eine Welt, in der nur die Teilnehmer der Finanzmärkte eine Wertsteigerung ihres Vermögens erleben. Meine der österreichischen und monetaristischen Wirtschaftstheorie angehörenden Schulfreunde haben vorhergesagt, dass all die quantitativen Lockerungen zu Inflation führen würden und so ist es letztlich auch gekommen - allerdings beschränkt sich die Inflation auf die Assetpreise, von denen die Wall Street profitiert. Der Realwirtschaft kommt sie nicht zu Gute.

Das ist kein ausschließlich US-amerikanisches Problem. Es betrifft auch Europa, Japan und alle anderen Länder dieser Erde, in denen die Zinsen niedrig gehalten und die Sparer benachteiligt werden.

Wenn die Zentralbanker ihre religiösen Ansichten darüber, wie man sinnvolle Währungspolitik macht, nicht von Grund auf überdenken, werden wir eine weitere Zeit erleben, in der das Undenkbare Realität wird. Wenn wir darauf vorbereitet sein und womöglich sogar noch davon profitieren wollen, müssen wir das Undenkbare schon heute denken.



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