Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Wenn die Zukunft zur Gegenwart wird

18.07.2016  |  John Mauldin
- Seite 4 -
Kredite sind zukünftiger Konsum, der in die Gegenwart geholt wurde. Wenn die Schulden erst einmal aufgenommen wurden, kann der Verbrauch, der dadurch ins Jetzt verlegt wurde, nicht mehr in der Zukunft stattfinden. Es sollte daher wirklich keine Überraschung sein, dass Wachstum und Einkommen ab einem gewissen Schuldenstand zu sinken beginnen. Genau das beobachten wir in der realen Welt, auch wenn die Verfechter des vorherrschenden ökonomischen Paradigmas (Keynesianismus) noch immer in ihre schöne Theorie verliebt sind.

Es gibt praktisch zwei Arten von Schulden: Kredite, die verwendet wurden, um etwas Produktives zu erwerben (z. B. Werkzeuge für einen Tischler oder eine neue Fertigungsanlage für ein Unternehmen) und Kredite, die für Konsum verwendet wurden.

Wir vergessen dabei, dass Verschuldung zu Konsumzwecken kein neues Angebot generiert - sie holt das Angebot stattdessen nur von der Zukunft in die Gegenwart. Das Problem ist, dass das nicht ewig funktioniert. Wenn wir unsere Nachfrage und unseren Konsum zeitlich vorziehen, werden wir später weniger konsumieren. Die BIZ schreibt, dass diese "intertemporalen Zielkonflikte" schließlich unseren Handlungsspielraum einschränken werden. Und mit "schließlich" meint sie "jetzt".


Schießt die Fed mit Platzpatronen?

Wie oben erwähnt befindet sich die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in der einzigartigen Position, der Stabilität der Weltwirtschaft im Allgemeinen und gleichzeitig auch den einzelnen Zentralbanken zu dienen. Sie kann die Notenbanken daher offener kritisieren als Politiker, Banker oder Unternehmen das können. In ihren öffentlichen Dokumenten übt die BIZ oft sanfte Kritik, doch ich habe mich schon immer gefragt, was sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Vertrauenswürdige Quellen haben mir berichtet, dass die Diskussionen dann ziemlich hitzig und unverblümt werden, insbesondere bei den monatlichen Sitzungen der internationalen Zentralbanker. Der aktuelle Jahresbericht verschärft auch die öffentliche Kritik der BIZ deutlich.

Die Geldpolitik muss derzeit eine Last tragen, für die sie nicht geschaffen wurde. In der Krise war eine starke Reaktion der Zentralbanken notwendig und angemessen, schreibt die BIZ in ihrem Bericht, doch die anschließende Verlängerung der Maßnahmen war nicht zweckdienlich. Sich so lange auf die außergewöhnliche Geldpolitik zu verlassen, birgt das Risiko, dass der Rest von uns das Vertrauen in die Entscheidungsträger verliert. Die BIZ macht dazu folgende ominöse Anmerkung:

"Unterdessen hat die Abhängigkeit der Finanzmärkte von der Unterstützung der Zentralbanken immer mehr zugenommen, und der wirtschaftspolitische Handlungsspielraum hat sich verkleinert. Wenn diese Situation so lange anhält, dass schließlich das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Politik erschüttert ist, hätte dies womöglich schwerwiegende Folgen für die Finanzmärkte und die Wirtschaft. Während der Marktturbulenzen im Februar gab es erste Anzeichen dafür, dass genau das passiert. Dies gibt Anlass zur Sorge."

Anders gesagt: Was geschieht, wenn die Banken, die Investoren und die Öffentlichkeit das Vertrauen in die Fed, die EZB, die Bank of England und die Bank of Japan verlieren? Die BIZ spricht nicht von den üblichen Nörgeleien, in die wir alle hin und wieder verfallen. Alle schimpfen auf die Fed, ob die Zeiten nun gerade gut oder schlecht sind. Doch unter unserer chronischen Unzufriedenheit bewahren wir dennoch eine Art fundamentales Vertrauen, dass die Zentralbanken einspringen und eine Katastrophe abwenden werden. Was, wenn das nicht stimmt? Wenn die Notenbanken wirklich keine Munition mehr haben? So ziemlich jeder, der mit der Federal Reserve assoziiert ist, wird Ihnen allerdings sagen, dass sie durchaus noch über Optionen und Instrumente verfügt.

Worüber ich mir Sorgen mache, ist, ob sie auch tatsächlich noch scharfe Munition hat? Ich fürchte wirklich, dass die Fed in Zukunft mit Platzpatronen schießen wird und sich die erwarteten wirtschaftlichen Folgen einfach nicht einstellen. Die Ironie dabei ist, dass die Zentralbanker den Abzug wie Schauspieler in einem zweitklassigen Actionfilm einfach weiter ziehen und mit Platzpatronen feuern werden. Sie scheinen zu glauben, dass ihr Wirtschaftsfilm nach dem Schnitt glaubhafter wirken würde.

Wir können nur hoffen, dass wir die Antwort auf diese Frage nicht herausfinden müssen. Die BIZ hat uns jedenfalls einen ziemlich deutlichen Hinweis gegeben. Mit dem Satz "dies gibt Anlass zur Sorge" hat sie bestätigt, dass unsere Bedenken bezüglich der Wirksamkeit der Zentralbankmaßnahmen durchaus gerechtfertigt sind.

Nachdem die BIZ unsere Sorgen über die Geld- und Wirtschaftspolitik verstärkt hat, macht sie einige Vorschläge. Sie unterteilt ihre Ideen dabei in drei Bereiche: Aufsichtspolitik, Fiskalpolitik und Geldpolitik.

Mit "Aufsichtspolitik" meint die BIZ die Bankenregulierung und die Eigenkapitalanforderungen. Seit der letzten Krise hat sich an dieser Front einiges geändert. Das Basel-III-Regelwerk zwingt die Banken, zur Absicherung ihrer Risiken mehr Eigenkapital vorzuhalten. Diese Regelung hat vielen Tradern zufolge den Effekt, dass die Liquidität an den Anleihemärkten drastisch gesunken ist.

Das gesteht die BIZ zu, doch sie kontert mit einem Argument, dass ich zuvor noch nie gehört habe: Vor der Krise sei der Preis für Liquidität viel zu niedrig angesetzt gewesen. Die Liquiditätsgeber wurden für ihre Leistungen nicht ausreichend entlohnt und verschwanden, als sie am Nötigsten gebraucht wurden. An diesem Punkt mussten die Zentralbanken und Regierungen einspringen und ihre Rolle übernehmen.

Um die Entstehung einer solchen Dynamik in Zukunft zu vermeiden, sollte es der BIZ zufolge nicht mehr zur gewohnheitsmäßigen Unterbewertung von Liquidität kommen. Wir sollten die Market Maker in guten Zeiten angemessen bezahlen, damit sie im Notfall für uns da sind.

"Die beste strukturelle Maßnahme gegen eine solche Schönwetter-Liquidität und ihr schädliches Potenzial ist, die Illusion permanent verfügbarer Marktliquidität nicht aufkommen zu lassen und die Widerstandsfähigkeit von Finanzinstituten zu stärken. Höhere Eigenkapital- und Liquiditätsstandards sind nicht Teil des Problems, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Lösung. Besser gewappnete Finanzintermediäre sorgen für robustere Marktliquidität."

Ich vermute stark, dass diese Formulierungen in Wirklichkeit verschleierte Kritik am Hochfrequenzhandel mittels Algorithmen sind. Der Hochfrequenzhandel schafft die Illusion von Liquidität. Je nachdem, wen Sie fragen und wie Sie es messen, macht diese Art des Tradings 70% oder mehr des gesamten Marktvolumens aus. Wenn wir wirklich Liquidität brauchen, wird dieser Handel jedoch sofort aufhören. Dass der Hochfrequenzhandel Liquidität bereitstellen würde, ist ein Märchen, dass die Börsen und Fonds, die entsprechende Algorithmen verwenden, der Öffentlichkeit erzählen. Hochfrequenzhandel ist genau das, was die BIZ meint, wenn sie von der "Illusion permanent verfügbarer Marktliquidität" spricht.

Ich frage mich, ob wir die spezielle Rolle, die die NYSE traditionell für den Handel der meisten börsennotierten Aktien hatte, vermissen werden. Die New Yorker Börse hat ihre Ausrichtung fast völlig geändert und glaubt, sie könne den Verlust der Fairness und des Marktgleichgewichts durch Volumen kompensieren. Ich bin mir nicht sicher, ob das funktioniert hat.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!



Weitere Artikel des Autors


Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"