Anleihen am Scheideweg
19.08.2016 | Robert Rethfeld
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Zudem weisen zwei weitere von Sentix entwickelte Indikatoren (Overconfidence Index, Neutralität) auf ein Anleihenhoch = Renditetief hin. Die Europäische Zentralbank hält durch ihre Käufe dagegen und sorgt so für niedrige Renditen. Das klingt eingängig und plausibel.
Andererseits war es in der Vergangenheit so, dass die Ausweitung der QE-Maßnahmen durch die Fed (=Anleihenkäufe) regelmäßig zu steigenden Renditen führte, also zum Gegenteil dessen, was eigentlich beabsichtigt war. Dies erklärt sich aus der belebenden wirtschaftlichen Wirkung des QE mit in der Folge steigenden Zinsen. Ein weiteres Beispiel für das Nicht-Eintreten der beabsichtigten Wirkung offeriert der japanische Aktienmarkt.
Obwohl die japanische Zentralbank mittlerweile der fünftgrößte Aktienbesitzer im Nikkei Index ist, weist der japanische Leitindex ein Jahresminus von 13 Prozent auf. Damit ist er in nationaler Währung betrachtet einer der schwächsten Leitindizes weltweit. Die starke Aufwertung des Yen verschafft dem Nikkei in Dollar oder Euro gerechnet immerhin ein ausgeglichenes Ergebnis. Wer glaubt, dass direkte Aktienkäufe durch die EZB den DAX beflügeln würden, der schaue auf den Vorreiter Japan.
Es ist thematisch ein kurzer Weg zum Dollar/Yen und seiner historischen Parallelität zur Rendite 10jähriger US-Anleihen.
Dieser Parallelverlauf wird aktuell gestört, eine Divergenz tut sich auf. Die Rendite ziert sich, dem Abwärtssog des Dollar/Yen zu folgen (siehe Doppelpfeil obiger Chart).
Direkte Profiteure eines Renditeanstiegs wären Banken und Broker, aber auch Zykliker, Technologieaktien und der Energiesektor. Verlierer wären Dividendenersatzwerte wie REIT´s, Güter des täglichen Bedarfs, Versorger und Telekommunikationswerte. Die Charts der letztgenannten Anlageklassen zeigen obere Umkehrmuster, während die US-Sektoren, die wir als Profiteure des Renditeanstiegs aufgelistet haben, nahe ihren Jahreshochs notieren. Es scheint, als ob sich die Marktteilnehmer auf höhere Renditen vorbereiten, was bedeuten würde, dass der 30jährige Renditezyklus erhalten bleibt.
Die vier größten japanischen Banken, so schreibt Bloomberg, haben seit dem Jahr 2013 ihren Bestand an Staatsanleihen halbiert und müssen den Rest als Sicherheit (Collateral) halten. Wir nehmen an, dass in Europa gerade eine ähnliche Entwicklung stattfindet, so dass der Markt zunehmend illiquide wird.
Wenn aber das verkaufsfähige Material abnimmt, dann wird die Orchestrierung eines Anleihencrashes schwieriger. Wir sehen steigende Renditen - aber keinen Anleihencrash - in den kommenden Monaten als wahrscheinlichen Pfad an. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rendite 10jähriger US-Staatsanleihen ihre positive Divergenz zum Dollar/Yen halten kann.
© Robert Rethfeld
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