Deutlicher Einbruch der Edelmetallpreise zum Quartalsbeginn
10.10.2016 | Thorsten Proettel
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Geldpolitischer Richtungsschwenk in der Eurozone?
Selbst wenn die stärker als erwartet angestiegenen USKonjunkturbarometer eine baldige Leitzinserhöhung durch die Fed wahrscheinlicher machen, müsste dieses Ereignis alleine noch nicht nachhaltig negativ für Gold sein. Wie bereits mehrfach an dieser Stelle dargelegt, blieben die Zinsen in den USA trotzdem weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Außerdem rechneten wir bislang mit einem gleichbleibend niedrigen beziehungsweise negativen Zinsumfeld in den anderen wichtigen Währungsräumen, insbesondere in Euroland. Diese Sichtweise hat in den letzten Tagen Risse bekommen.
Laut Agenturmeldungen hat sich im EZB-Rat ein Konsens darüber gebildet, wonach eine schrittweise Reduzierung des monatlichen Anleihenkaufvolumens eine angemessene Strategie für einen Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik wäre. Unter ihrem aktuellen Chef Mario Draghi kannte die EZB dagegen bislang nur die andere Marschrichtung, nämlich umfassende Zinssenkungen und monetäre Expansion. Möglicherweise führten die wieder leicht ansteigenden Inflations- und Wirtschaftswachstumsraten und die immer deutlicher sichtbar werdenden Nebenwirkungen dieser Politik zu einem Umdenken.
Einfluss auf Edelmetallpreise nicht zu unterschätzen
Die Gerüchte aus dem Frankfurter Eurotower machten sich ziemlich schnell am Kapitalmarkt bemerkbar. Die Rendite 10jähriger deutscher Staatsanleihen stieg von minus 0,09% am Montag auf derzeit plus 0,01%, was angesichts der zuletzt niedrigen Volatilität nicht wenig ist.
Auch die Renditen anderer Staatsanleihen zogen an (siehe Chart). Sollte tatsächlich ab Frühjahr 2017 ein "Euro-Tapering" stattfinden, dann dürfte die langfristigen Zinsen vermutlich noch deutlicher ansteigen, selbst wenn die EZB die Leitzinsen vorerst auf dem bestehenden niedrigen Niveau hält. Der Renditeanstieg würde auch den Druck auf andere Zentralbanken wie der Schweizerischen Nationalbank und der Schwedischen Reichsbank mindern, so dass sich das Zinsniveau über die Eurozone hinaus ändern dürfte.
Gold als zinsloses Investment würde an Attraktivität einbüßen. Interessanterweise verzeichneten die physisch besicherten Goldfonds (ETCs) trotz des Goldpreisrückgangs noch keine Mittelabflüsse. Die Probleme der Eurozone bleiben auch weiterhin bestehen. Fraglich ist, inwieweit sich ein Zinsanstieg auf die Haushalte der stark verschuldeten Eurostaaten auswirken würde.
Nobelpreisträger Joseph Stiglitz meldete sich in dieser Woche mit der Ansicht zu Wort, dass er mit dem Zerfall der Eurozone rechnet. Der massive Einbruch des Goldpreises im Jahre 2013 um rund 470 USD vor dem Hintergrund der damaligen Tapering-Diskussion verdeutlicht aber, dass eine geldpolitische Richtungsänderung der EZB nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Wenn sich die Gerüchte über ein Tapering in Euroland bestätigen, stehen unsere Edelmetallprognosen auf dem Prüfstand.
© Thorsten Proettel
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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