Historische Turbulenzen an den Anleihemärkten - Gold als Gewinner?
01.12.2016
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Wenn wir den Sell-off genauer unter die Lupe nehmen, stellen wir fest, dass er hauptsächlich das Ergebnis der steigenden Laufzeitprämien war. Diese repräsentieren die Ausgleichszahlung, die die Investoren dafür verlangen, dass sie sich der unbekannten künftigen Entwicklung der langfristigen Zinsen aussetzen. (Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, zwischen der erwarteten Zinsentwicklung und den zusätzlichen Risikoprämien zu unterscheiden. Letztere können kalkuliert werden, indem man den kurzfristigen Terminzins (ablesbar an den Futures-Märkten) von einem langfristigen Zinssatz, beispielsweise der Rendite 30-jähriger Anleihen, abzieht.)Unsicherheit verlangt nach einer Kompensation, so wie das bei Kapitalanlagen immer ist. Andernfalls wäre niemand bereit, das Risiko einzugehen. Letztlich sind alle Berechnungen der Unsicherheit und damit auch der Laufzeitprämien subjektiv. Es gibt keine "richtige" Antwort. Allein der Markt legt fest, welche Kompensation er angesichts des jeweiligen Risikos zu einem bestimmten Zeitpunkt als angemessen erachtet. Der Marktpreis ist der Preis, zu dem der Markt geräumt wird - in diesem Fall der Markt für langfristige Zinsen.
In Hinblick auf die Staatsanleihen gibt es zahlreiche Quellen der Unsicherheit. Das zukünftige Preisniveau ist unsicher. Das Angebot an Anleihen im Verhältnis zu anderen Vermögenswerten ist unsicher. Die zugrundeliegende Währung einer Anleihe könnte großen Wertschwankungen unterliegen, was besonders internationalen Investoren Sorgen bereitet. Im Extremfall könnte es zum völligen Zahlungsausfall kommen, auch wenn das bei Regierungen mit Zugang zu einer Druckerpresse äußerst selten ist. Die meisten Regierungen können ihr Geld selbst drucken - mit Ausnahme der Mitgliedsstaaten der Eurozone.
Unsicherheit und die damit verbundene Volatilität ist gleichermaßen Freund und Feind des Investors. Ohne Risiko gibt es keine Erträge und der intelligente Anleger wird kein Risiko eingehen, wenn er dafür nicht eine angemessene Entschädigung erhält. Bei den Staatsanleihen und ihrer augenscheinlichen Sicherheit mag das ein relativ kleiner Haken sein, doch auch hier liegt Sicherheit im Auge des Betrachters. Erfüllen die Regierungen ihre Versprechen immer? Natürlich nicht. Doch während zu den Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Cashflows usw. der Unternehmen allerlei Finanzanalysen durchgeführt werden können, sind die Staatsfinanzen so undurchsichtig und die politischen Risiken so entscheidend, dass sie sich meist jeder stichhaltigen Quantifizierung entziehen. Man könnte sogar argumentieren, dass viele Anleger einfach ihr "Vertrauen" in die Regierungen setzen. Die Geschichte lehrt uns allerdings, dass das bisweilen eine gefährliche Einstellung sein kann.
Alles in allem können wir einfach nicht wissen, welche genaue Kombination aus den erwähnten Risikofaktoren der Auslöser für den jüngsten Abverkauf an den Anleihemärkten war. Wir können darüber spekulieren, aber keine detaillierten Analysen durchführen. Wenn wir die wachsende Unsicherheit an den Märkten schlicht als das akzeptieren, was sie ist, können wir daraus jedoch bestimmte Folgen für die Finanzmärkte, den Dollar und Gold ableiten.
Sollte die Unsicherheit weiter zunehmen, impliziert das auch höhere Kreditkosten - vorausgesetzt, andere Faktoren wie Inflation und Wirtschaftswachstum bleiben unverändert. Wenn das Wachstum so wie heutzutage schwach ist und die Inflationsrate niedrig, die Investoren aber aus irgendeinem Grund eine höhere Entschädigung für den Besitz von Anleihen verlangen, dann steigen die Kreditkosten nichtsdestotrotz. Die zusätzliche Kompensation muss irgendwo herkommen, daher bleibt weniger für diejenigen übrig, die diese verfügbaren Finanzmittel lieber ausgeben würden. Folglich wird auch das Wachstumspotential der Wirtschaft eingeschränkt. Da die globalen Rohstoffpreise mittlerweile allem Anschein nach einen Boden gebildet haben, wird das Endergebnis dieser Entwicklungen wahrscheinlich "Stagflation" lauten.