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Der Goldpreis vor der nächsten Reizschwelle

27.11.2016  |  Manfred Gburek
In letzter Zeit häufen sich in den Medien die Kommentare zum Thema Gold und Zinsen so sehr, dass einem Angst und Bange werden kann. Sie laufen fast immer auf die einfache Formel hinaus: Zinsanstieg = Goldpreisrückgang. Begründung: Mit dem Anstieg des Nominalzinses steige auch der Realzins, also der um die Inflationsrate verminderte Nominalzins. Das erscheint auf den ersten Blick zwar plausibel, aber wird es auch dem komplexen Zusammenhang von Gold und Zinsen gerecht? Erhebliche Zweifel sind angebracht.

In einer ersten Reaktion auf die im Sommer begonnene Zinswende nach oben (in Europa wie auch in den USA und anderswo) fiel der Goldpreis aus der Zone über 1300 auf unter 1200 Dollar je Feinunze, zum Wochenende am Schluss auf 1182 Doller. Um diesen Preisrückgang gleich zu relativieren: In Euro war er geringer, weil der Euro in der fraglichen Zeit gegen den Dollar fiel. Wer als Deutscher Gold besaß, musste folglich keine allzu großen Verluste einstecken. Dagegen verloren Amerikaner Geld, aber nur, falls sie sich von ihrem Goldschatz trennten.

Angenommen, amerikanische wie auch deutsche Anleger blieben dem Edelmetall treu, bauten jedoch als Gegengewicht eine Position in zehnjährigen Staatsanleihen auf. Diese rentierten in Amerika noch während des Sommers zu unter 1,5 Prozent; in Deutschland waren ihre Renditen vorübergehend sogar negativ. Nach der Schlussglocke vom vergangenen Freitag rentieren Staatsanleihen in Amerika zu 2,35, in Deutschland zu 0,26 Prozent. Hier gleich auch noch weitere aktuelle Renditen zehnjähriger Staatsanleihen: Schweiz 0,09, Großbritannien 1,3, Japan 0,03 Prozent.

Da drängt sich die Frage auf: Haben die Besitzer amerikanischer Staatsanleihen etwa einen großen Reibach gemacht? Immerhin, so scheint es zumindest auf den ersten Blick, ist die Zinsspanne zwischen weniger als 1,5 Prozent im Sommer und 2,35 Prozent aktuell ungewöhnlich groß. Doch Vorsicht, es handelt sich hier nicht um Zinsen im üblichen Sinn, etwa wie für Anlagen auf dem Tagesgeldkonto, sondern um Renditen. Und die mögen noch so sehr steigen, als Gegengewicht fallen dann immer ihre Kurse. Das ist finanzmathematisch so vorgegeben und bedeutet: Unter dem Strich bleibt in der Regel nichts übrig – es sei denn, deutsche Anleger haben auf einen steigenden Dollarkurs spekuliert und nehmen nach dessen Anstieg ihren Währungsgewinn mit. Doch diese Betrachtung hat nur wenig mit Renditen zu tun.

Nehmen wir diese noch kurz aus einer anderen Perspektive ins Visier. Gängige Anleihen haben einen unveränderlichen Nominalzins. Dieser bezieht sich auf ein Jahr und kommt den Anlegern in der Regel ein Mal jährlich zugute. Während der vergangenen drei Jahrzehnte fiel der Nominalzins unter Schwankungen weltweit, für amerikanische Staatsanleihen zum Beispiel von rund 15 Prozent zu Beginn der 80er Jahre bis unter die erwähnten 1,5 Prozent. Mit dem fallenden Nominalzins stiegen die Kurse der Anleihen.

Damit ist jetzt erst mal Schluss, die Kurse fallen. Der Knackpunkt: Im Gegensatz zum Nominalzins, der sich auf ein ganzes Jahr bezieht und unverändert bleibt, schwankt die Anleiherendite von einem Tag zum anderen. Das heißt, ein aktuell geltender, auf ein Jahr bezogener Nominalzins von beispielsweise 1 oder 2 Prozent für eine deutsche Bundesanleihe kann an nur einem einzigen Tag durch einen Kursrückgang von heute auf morgen pulverisiert werden. Wem das zu theoretisch erscheint, der/die sehe sich die Kursverläufe von Anleihen minderer Qualität an. Zweistellige Verluste nach der Zinswende, also in nur wenigen Monaten, sind da nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel - je länger die Laufzeit der Anleihen, desto schlimmer.

Mit diesen Überlegungen relativiert sich nicht nur die Betrachtung von Zinsen und Renditen, sondern auch von anderen Anlageklassen, wie Aktien, Immobilien und Gold. Bei Aktien und Immobilien ist die Sache relativ klar: Im ersten Fall dienen - ähnlich wie Nominalzinsen bei Anleihen - Dividenden als wichtiger Gradmesser, im zweiten Fall Mieten. Und wie steht es ums Gold? Es bildet eine eigene, unvergleichliche Anlageklasse und unterscheidet sich von den anderen ganz erheblich, weil es weder Zinsen noch Dividenden oder Mieten abwirft. Es ist eine Art Versicherung, ein sicherer Hafen, Währungsreserve, internationale Liquidität, Geldanlage, Tauschmittel und über allem auch ein Mythos.


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