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Das große italienische Bankenfiasko

07.12.2016  |  John Mauldin
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Italien ist zum Teil aus den gleichen Gründen ein Problemfall wie Griechenland, Spanien und Portugal. Die Verbraucher der südeuropäischen Staaten nahmen Kredite auf, um Waren aus dem vermögenderen Norden zu kaufen, insbesondere aus Deutschland. Doch das Wirtschaftswachstum, das sie erwartet hatten, manifestierte sich nicht. Die gekauften Güter sind zum größten Teil verbraucht, also gibt es keine Kreditsicherheiten, die man wieder einsammeln könnte. Viele Kredite sehen aus, als müssten sie fast vollständig als Verlust verbucht werden.

Um ein altes Sprichwort etwas abzuwandeln: Wenn Sie der Bank 1 Million Dollar schulden, gehören Sie der Bank. Wenn Sie der Bank 100 Millionen Dollar schulden, gehört die Bank Ihnen. Wenn eine Bank ein gigantisches Darlehen als Verlust abschreiben muss, geht sie pleite. Folglich schaltet sie in den Modus "verlängern und verleugnen", in dem sie unter den fadenscheinigsten Vorwänden endlose Zahlungsverzögerungen zulässt und wider besseres Wissen hofft, dass der Schuldner im Lotto gewinnt und die Tilgungszahlungen fortsetzt. Das geschieht gerade in Italien und ganz Europa. Die USA befanden sich vor der Immobilienkrise in der gleichen Lage.

Der nächste Chart zeigt den Berg der notleidenden Kredite Italiens in Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Um die Zahlen für unsere US-amerikanischen Leser ins Verhältnis zu setzen: Die Banken der Vereinigten Staaten müssten notleidende Darlehen in Höhe von 3,8 Billionen Dollar in ihren Büchern stehen haben, um in einer vergleichbar schlechten Lage zu sein. Das würde die Probleme der Subprime-Krise von 2008 bei Weitem in den Schatten stellen. Aber warten Sie, es kommt noch besser...

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Letzten Endes muss selbst die Bank zugeben, dass ihre säumigen Kreditnehmer sich nicht mehr bessern und plötzlich kreditwürdig werden. Was dann? Wo treibt man das benötigte Bankenkapital auf? Man beginnt, sich nach einem Bail-out umzusehen. So gestaltet sich die aktuelle Lage in Italien. Die größten Banken des Landes brauchen frisches Kapital. Wo kann man das nun herbekommen?

Die Banca Monte dei Paschi di Siena, die älteste Bank der Welt und eines der größten italienischen Kreditinstitute - und womöglich das, was am tiefsten in Schwierigkeiten steckt - versucht mit Hilfe eines dreiteiligen Plans 5 Milliarden Euro aufzutreiben. Vorgesehen sind die Umwandlung nachrangiger Anleihen in Aktien, der Verkauf neuer Aktien an Institutionen im Rahmen einer Privatplatzierung und die Emission neuer Anteile an der Börse. Nichts davon läuft derzeit besonders gut. Wenn der Aktienkurs einer Bank in weniger als einem Jahr um 84% fällt und immer noch niemand die Wertpapiere für ein Schnäppchen hält, kann man sich sicher sein, dass die Bank ernste Probleme hat.

Unicredit ist noch größer als Monte dei Paschi und will bis Anfang nächsten Jahres 13 Milliarden Euro beschaffen. Die Erfolgschancen liegen irgendwo zwischen sehr schlecht und Null. Außerdem läuft die Zeit davon, denn die Einleger ziehen ihr Geld ab und weigern sich, mehr einzuzahlen. Und da haben wir noch nicht einmal über die verschiedenen Gerichtsverfahren gesprochen, mit denen sich diese Banken konfrontiert sehen und für die sie nur einen Bruchteil der potentiellen Strafen beiseite legen.

Einige der Urteile werden für geschmacklose Geschäftspraktiken ergehen, bei denen bestimmte Banken ihre Anleihen an Kunden verkauften, die dachten, sie würden Geld auf ein Konto einzahlen. Der Wert der Anleihen ist in der Zwischenzeit gesunken und könnte noch weiter fallen - möglicherweise bis auf Null, wenn die EU-Regelungen zur Anwendung kommen und Italien zuerst die Forderungen der Anleihebesitzer streichen muss, bevor öffentliche Mittel zur Rettung verwendet werden dürfen.

Dieses Problem betrifft nicht nur Monte dei Paschi. Die Banken haben in Italien Schulden in Höhe von 240 Milliarden Euro aufgenommen. Bankkunden, die eine gewisse Rendite wollten, sagte man, dass das eine sichere Möglichkeit sei, gute Kapitalerträge zu erzielen. Viele haben ihrer örtlichen Bank vertraut. Genau diese treuen Kunden sind nun allerdings die ersten, die ihr investiertes Kapital verlieren, wenn die betreffenden Banken bankrott gehen. Und das ist derzeit eine reale Gefahr. Ich werde später noch einiges zu den praktischen Aspekten einer Strategie sagen, bei der man sich von ganz normalen Bürgern eine Kapitalsumme leiht, die 12% des BIP entspricht. In den USA wären das 2,2 Billionen Dollar. Stellen Sie sich einmal vor, die durchschnittlichen US-Bürger der Mittelschicht würden 2,2 Billionen Dollar verlieren, und dann stellen Sie sich vor, welche politische Reaktion das auslösen würde. Auf diese Gegenreaktion werden wir gleich zurückkommen.


Ein nicht regierbares Schlamassel

Diese Schwierigkeiten tragen wesentlich zur politischen Dysfunktionalität des Landes bei. Wirtschaftliche Schwäche ist die Folge einer sklerotischen, vielschichtigen Regierung, der es leicht fällt, Geld auszugeben, aber sehr schwer, etwas anderes zu tun. Das Ergebnis dessen sind eine Bürokratie, die den Handel erdrückt, und gigantische Staatsschulden, die das Wirtschaftswachstum ausbremsen. Einer der Hauptgründe für die hohe Arbeitslosigkeit in Italien liegt in der schwachen und chaotischen Staatsführung. Die Rettung der Banken wird den Schuldenberg zusätzlich erhöhen, aber die Alternativen sind womöglich noch schlechter als ein Bail-out.

Das italienische Schuldenproblem ist nichts Neues. Als das Land die europäische Gemeinschaftswährung einführte, konnten die Italiener auf staatlicher und individueller Ebene von den niedrigen Zinsen profitieren, also nahmen sie mehr Schulden auf. Das Problem ist nun, dass der Staat die Währung nicht länger abwerten kann, um sich einen Weg aus dem Schuldensumpf zu bahnen. Italien hat ein enormes - und ich meine ein wirklich enormes - Handelsdefizit gegenüber Deutschland und dem Rest Europas.

Gleichzeitig fließen Bankeneinlagen und Kapital in riesigen Mengen aus dem Land heraus. Gemessen werden diese Kapitalströme mit Hilfe der TARGET2-Bilanzen. Die Target2-Bilanz von Italien zeigt im Grunde genommen, wie viel Geld das Land verlässt und in andere Staaten des Eurosystems fließt. Ich sollte noch hinzufügen, dass der untenstehende Chart zwar die jüngsten Daten beinhaltet, aber nicht die Zahlen, die wir hinter vorgehaltener Hand gehört haben und die den Chart noch schlechter aussehen lassen würden. Außerdem darf man nicht vergessen, dass seit der Veröffentlichung des EZB-Diagramms im September die Präsidentschaftswahlen in den USA stattfanden und es zu weiteren politischen Verschiebungen kam. Zudem geht es für den Euro immer weiter abwärts.

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