Das große italienische Bankenfiasko
07.12.2016 | John Mauldin
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Sollte das Movimento in Italien die Führung übernehmen, droht dem Land noch Schlimmeres. Mit Renzis sanften Überredungskünsten zur Umgehung der Bail-out-Regelungen der EU und der EZB wäre es dann vorbei. Italien würde die Regeln stattdessen gänzlich ignorieren, Steuern erhöhen, um die Banken zu retten und dann die Eurozone verlassen und die Lira wieder als Landeswährung einführen.Natürlich wäre nichts davon leicht oder schmerzlos für die Italiener, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie sich dadurch aufhalten ließen. Ihnen ist nicht entgangen, dass das Schwenken der finanziellen weißen Flagge Griechenland augenscheinlich keine Unterstützung seitens der EU-Führung verschafft hat. Griechenland hat einen großen Teil seiner Souveränität aufgegeben und dafür wenig Hilfe bei seinem Schuldenproblem bekommen. Das ist auch der Grund für diese Umfrageergebnisse:
Italien - nicht die einzige Sorge der EU
Wie Sie anhand der obenstehenden Grafik sehen können, sind in weiten Teilen Europas große Bevölkerungsmehrheiten mit der Wirtschaftspolitik der EU unzufrieden, aber die Griechen sind mit Abstand am meisten über Brüssel verärgert. An nächster Stelle steht Italien, dicht gefolgt von Frankreich und Spanien. Großbritannien, wo die Menschen wütend genug waren, um für einen Austritt aus der EU zu stimmen, wirkt dagegen geradezu gleichmütig. Das deutet in meinen Augen darauf hin, dass manche dieser Länder den Sprung ebenfalls wagen würden, wenn man ihnen eine Chance gäbe, die EU zu verlassen und ihnen versichern würde, dass die Welt deshalb nicht gleich untergeht.
Erinnern Sie sich daran, wie es vor einigen Jahren war, als Griechenland im Fokus stand? Viele von uns waren der Ansicht, dass es der EU gelingen könnte, das kleine Griechenland einzuschüchtern, aber dass Italien ein viel größerer, aggressiverer Fisch sei, der sich nicht so einfach in die Pfanne hauen lassen würde. Ich hatte in einem Buch bereits vor fünf Jahren über eine solche Krise spekuliert. Jetzt ist der Tag gekommen, wenn auch anders, als ich erwartet hatte. Die Revolte gegen die Eliten hat sehr schnell eine eigene Dynamik gewonnen. Noch im April dieses Jahres hatte Renzi geglaubt, dass er sein Reformprogramm ohne großen Widerstand durchsetzen könnte.
Nach dem Referendum wird es interessant. Die Probleme bleiben bestehen, ganz unabhängig vom Ergebnis der Abstimmung.
Doch die EU hat auch noch andere Sorgen. Dieses Wochenende wird uns einige Schlüsselinformationen liefern. Ich gehe nicht davon aus, dass ich am Montagmorgen aufwache und feststelle, dass die Europäische Union auseinandergebrochen ist. Aber wenn Renzi mit seinem Referendum scheitert und Norbert Hofer zum österreichischen Präsidenten gewählt wird, ist davon auszugehen, dass 2017 zum Schlüsseljahr für Europa wird. Das Vereinigte Königreich wird den Brexit weiter vorantreiben; Marine Le Pen hat eine reale Chance, in Frankreich an die Macht zu kommen und in Italien könnte die Fünf-Sterne-Bewegung zur Regierungspartei aufsteigen. In Deutschland wird sich Angela Merkel erneut zur Wahl stellen und wahrscheinlich gewinnen, aber sie könnte zu Zugeständnissen gezwungen werden, zu denen sie in der Vergangenheit nicht bereit gewesen wäre.
Doch warten Sie, es kommt noch besser! Während all das geschieht, wird Europa gleichzeitig nervös nach Ost und West blicken. Im Osten wird Wladimir Putin danach streben, seine Macht zu festigen, trotz der nach wie vor niedrigen Preise für Energierohstoffe. Im Westen wird Donald Trump versuchen die NATO-Mitglieder zu höheren Verteidigungsausgaben zu bewegen, wenn diese nicht wollen, dass die USA ihren schützenden Schirm zusammenklappen. Die meisten Länder haben in ihrem Haushaltsplan allerdings keinerlei Spielraum für die Erhöhung der Militärausgaben, wenn sie die Sozialleistungen nicht kürzen wollen. Italien wendet weniger als 1% seines Etats für die Verteidigung auf und zahlreiche andere Staaten geben noch viel weniger aus. In Deutschland liegt der Anteil am Gesamthaushalt bei knapp über 1%.
Zwischen den NATO-Mitgliedern und der EU gibt es nur partielle Überschneidungen. Ein großer Unterschied: Die Türkei ist ein wichtiges Mitglied der NATO, aber nur ein Möchtegern-EU-Mitglied. Das wird zu heiklen Verhandlungen zwischen Ankara, Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten führen.
Die Konsequenzen, die all das auf das Investmentgeschäft haben wird, sind noch unklar. Das Worst-Case-Szenario wäre das Auseinanderbrechen der Eurozone und das Ende der europäischen Freihandelszone. Beide könnten jedoch auch schrumpfen, wenn sich Italien und eventuell weitere Staaten entschließen sollten, sie zu verlassen.
Wenn ich über Italien nachdenke, gibt es einen Punkt, der heraussticht. Auf der ganzen Welt richten sich die Trends gegen zentralisierte Macht. In Hinblick auf das Entstehen wirtschaftlicher oder militärischer Bündnisse zwischen verschiedenen Staaten lassen sich kaum neue Entwicklungen beobachten. Das Gegenteil ist der Fall: Großbritannien stimmt für den EU-Austritt; Trump will Handelsabkommen neu verhandeln; die Transpazifische Partnerschaft zerfällt. Zudem können beobachten, wie einzelne Regionen innerhalb von Staaten versuchen, sich von ihren Zentralregierungen wieder mehr Kompetenzen und Autonomie zu erkämpfen.
Was Renzi in Italien vorhat, widerspricht diesem Trend. Er möchte die Regierung stärken, wofür es auch durchaus gute Gründe gibt. Doch er schwimmt gegen den Strom und das deutet darauf hin, dass er es nicht schaffen wird.
Letztlich komme ich immer wieder zu dieser Schlussfolgerung: Grenzen sind wieder in Mode. Wir haben die letzten Jahrzehnte damit zugebracht, sie zu demontieren, durchlässig zu machen oder für bestimmte Gruppen von Menschen und Gütern außer Kraft zu setzen. Ich denke, eines Tages werden wir zurückblicken und das Jahr 2016 als das Jahr erkennen, in dem sich dieser Trend umkehrte. Die Staaten beginnen wieder, ihre Grenzen gegen Immigration und Handel zu sichern.
Die Grenzen niederzureißen hat Jahrzehnte gedauert. Sie werden sich nicht so schnell wieder errichten lassen. Manche Grenzen werden offener bleiben als andere. Dennoch glaube ich, dass wir uns in der Anfangsphase der Herausbildung einer neuen weltweiten Machtstruktur befinden, die sich auch auf Ihre Investitionen auswirken wird.
Die heutigen globalisierten Unternehmen betrachten Grenzen und Regierungen als lästige Unannehmlichkeiten, die sie umgehen können, indem sie ihren Firmensitz einfach in ein anderes Land verlegen. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Strategie auch in Zukunft funktionieren wird. Wenn sie zu scheitern beginnt, werden wir die Bewertungen an vielen verschiedenen Märkten komplett überdenken müssen.
Beachten Sie bitte auch, dass alle obenstehenden Überlegungen selbst dann zutreffen, wenn niemand einen offenen Handelskrieg anfängt, so wie Donald Trump das gegenüber China angedroht hat. Zollgebühren sind als ausschlaggebender Faktor aus dem Handelsgeschehen fast vollständig verschwunden. Ich glaube nicht, dass sie im großen Maßstab wieder eingeführt werden.
© John Mauldin
www.mauldineconomics.com
Dieser Artikel wurde am 2. Dezember 2016 auf www.mauldineconomics.com veröffentlicht und in Auszügen exklusiv für GoldSeiten übersetzt.