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Angebot und Nachfrage am Goldmarkt: Die große Illusion (Teil 1/2)

26.12.2016  |  Jan Nieuwenhuijs
Die Daten, die von allen bedeutenden Beratungsfirmen zu Goldangebot und -nachfrage veröffentlicht werden, sind unvollständig und irreführend. Sie lassen das Edelmetall fälschlicherweise als Rohstoff, statt als Währung erscheinen und haben dadurch zu verbreiteten Fehlvorstellungen bezüglich seiner Handelseigenschaften und der Preisbildung am Goldmarkt geführt.

Zahlreiche Consultingunternehmen, beispielsweise Thomson Reuters GFMS, Metals Focus, der World Gold Council und die CPM Group erstellen Angebots- und Nachfragestatistiken für den Goldsektor und analysieren diese unter Bezugnahme auf die Preisentwicklung. Teil dieser Berichte sind üblicherweise auch Übersichten zu Angebot und Nachfrage, die zeigen, wie viel Gold weltweit gekauft und verkauft wurde und diese Zahlen nach verschiedenen Kategorien aufschlüsseln.

Gemeinhin wird angenommen, dass diese Daten die Gesamtheit des globalen Angebots und der globalen Nachfrage repräsentieren, doch das ist nicht der Fall - die wichtigste Kategorie fehlt in diesen Tabellen. Die Unternehmen ziehen es jedoch vor, diese subtile Wahrheit nicht mit der Öffentlichkeit zu teilen, um ihr Geschäftsmodell nicht zu gefährden.

Die Angebots- und Nachfragebilanzen der Analysten stellen Gold als Rohstoff dar, nicht als Währung, denn sie zeigen im Wesentlichen, wie viel Metall produziert und wie viel konsumiert wurde. Anders gesagt konzentrieren sie sich auf die Gegenüberstellung von Minenproduktion und dem Verkauf neu hergestellter Goldprodukte. In Wirklichkeit ist das gelbe Metall jedoch dauerhaft und unvergänglich. Es kann nicht "konsumiert", d. h. verbraucht werden. Alles Gold, das jemals gefördert wurde, ist in Form von Barren, Münzen, Schmuck, Artefakten und Industrieprodukten noch immer überirdisch vorhanden.

Dies war auch einer der Gründe, aus denen der freie Markt das Edelmetall vor Jahrtausenden als Zahlungsmittel etabliert hat. Da Gold Geld ist, werden auch beim Handel damit vorwiegend überirdische Reserven gekauft und verkauft. Gesamtangebot und -nachfrage liegen also unbestreitbar weit über der jährlichen Minenproduktion und der Einzelhandelsnachfrage.

Die meisten individuellen Investoren, Fondsmanager, Journalisten, Akademiker und Edelmetallanalysten gehen davon aus, dass die Statistiken der erwähnten Unternehmen vollständig sind. Als Konsequenz dessen hat der weltumspannende Irrglaube bezüglich des Umfangs von Angebot und Nachfrage am Goldmarkt wahrhaft epische Ausmaße angenommen. Physisches Gold zählt zu den tragenden Pfeilern des globalen Finanzsystems, daher ist es von größter Wichtigkeit, dass wir die Feinheiten und Details seiner Eigenschaften im weltweiten Handel verstehen.


Die Berechnungsgrundlagen der Unternehmen

Die Beraterfirmen argumentieren, dass die Unterschiede zwischen ihren Statistiken und einem meiner Meinung nach unverfälschterem Ansatz zur Bestimmung von Angebot und Nachfrage auf die verschiedenen Berechnungsgrundlagen zurückzuführen sind. Diese wollen wir nun unter die Lupe nehmen, um zu zeigen, dass sie gravierende Mängel aufweisen. Kurz zusammengefasst berücksichtigen die Rechercheteams nur die physischen Goldflüsse, die leicht zu messen sind, während sie die wichtigste Größe übergehen: Nachfrage und Angebot seitens der institutionellen Investoren.

Obwohl die Firmen alle leicht unterschiedliche Methoden zur Messung von Angebot und Nachfrage nutzen, kommen sie zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Im weiteren Verlauf werden wir uns auf die von GFMS Thomson Reuters veröffentlichten Daten beziehen, da GFMS als einzige Firma bereit war, eine vollständige Beschreibung ihres Vorgehens öffentlich zugänglich zu machen. Metals Focus stellte eine teilweise Methodenbeschreibung zur Verfügung, während der World Gold Council und die CPM Group keinerlei Auskunft erteilten.

Sehen wir uns die von GFMS aufgeführten Kategorien an. Auf der Angebotsseite sind das:

  • Minenproduktion (neu gefördertes Gold)
  • Recycling (aus älteren Produkten wiedergewonnenes Gold)

Die Kategorien auf der Nachfrageseite umfassen:

  • Schmucknachfrage (Goldgehalt neu hergestellter Schmuckprodukte, die auf lokaler Ebene im Einzelhandel verkauft wurden, unter Berücksichtigung von Importen und Exporten)

  • Industrielle Nachfrage (Gesamtmenge des in industriellen Anwendungsbereichen benötigten Goldes, z. B. für Drähte, Halbleiter, Elektronik und Legierungen in der Zahnmedizin)

  • Privatinvestitionen in Goldbarren (Nettovolumen an Goldbarren, die von individuellen Anlegern im Einzelhandel erworben werden)

  • Münzinvestitionen (Kombination aus den von den Prägestätten veröffentlichten Daten und den Ergebnissen einer von GFMS durchgeführten Studie)

Diese vier Nachfragekategorien werden oft als "Verbrauchernachfrage" zusammengefasst. Darüber hinaus berücksichtigt GFMS folgende Faktoren:

  • Netto-Hedging (Änderungen an den physischen Märkten infolge von Goldkrediten, Termingeschäften und Optionsvereinbarungen seitens der Bergbauunternehmen)

  • Nettoänderungen im offiziellen Sektor (Gesamtmenge des von den Zentralbanken gekauften und verkauften Goldes)

  • ETF-Bestände (Änderungen in den Goldbeständen der ETFs)

  • Börsenbestände (Änderungen der Goldreserven, die von den Handelsplätzen verwahrt werden)

Die letzten vier Kategorien können entweder unter Angebot oder unter Nachfrage fallen. Wenn die Zentralbanken unterm Strich beispielsweise mehr Gold verkaufen als sie zukaufen, taucht dieser Wert in den Statistiken als negative Nachfrage auf (siehe z. B. die Jahre 2006 bis 2009 in der folgenden Übersicht von GFMS). Treten die Zentralbanken dagegen als Nettokäufer auf, geht das als positive Nachfrage in die Statistik ein (siehe Jahre 2010 bis 2015).

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Abb. 1. © GFMS. Goldangebot und -nachfrage auf globaler Ebene nach Angaben der Gold Survey 2016



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