Angebot und Nachfrage am Goldmarkt: Die große Illusion (Teil 1/2)
26.12.2016 | Jan Nieuwenhuijs
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Nach der Veröffentlichung dieser Zahlen saß GFMS in der Falle. Die Statistiken zeigten einen großen Teil der Goldströme zwischen Großinvestoren, die das Unternehmen zu verbergen suchte. Ich gehe davon aus, dass GFMS die LBMA anschließend nett darum gebeten hat, ihre Angaben nach unten zu korrigieren. Wie mein Kollege Ronan Manly in mehreren ausführlichen Artikeln dargelegt hat, gab die LBMA nach und passte ihre Statistiken zur Gesamtmenge des weiterverarbeiteten Goldes so an, dass die Scharade am Goldmarkt fortgesetzt werden konnte.Am 5. August 2015 änderte die LBMA das eben erwähnte Dokument, das die Goldverarbeitung nun auf 4.600 Tonnen bezifferte. (Hier können Sie die ursprüngliche Version des LBMA-Dokuments einsehen, hier die geänderte. Sehen Sie selbst.)
Abb. 8: © LBMA. Geändertes Dokument mit den Statistiken der Scheideanstalten, August 2015
In der neuen Version heißt es:
"Die Gesamtmenge des von den LBMA-zertifizierten Scheideanstalten weiterarbeiteten Goldes wird im Jahr 2013 auf 4.600 Tonnen geschätzt und setzt sich zusammen aus recyceltem Material sowie der weltweiten Minenproduktion von 3.061 Tonnen (Quelle: Thomson Reuters GFMS)."
Einige wichtige Anmerkungen:
- In der geänderten Version spricht die LBMA von einer Schätzung der verarbeiteten Goldmenge, obwohl die Scheideanstalten mit Good-Delivery-Standard verpflichtet sind, der Organisation die genauen Zahlen zu melden. Diese wurden in der ersten Version des Dokumentes veröffentlicht. Darin stand: "Die Gesamtmenge des von den zertifizierten Scheideanstalten aufbereiteten Goldes belief sich auf 6.601 Tonnen."
- In der geänderten Version beruft sich die LBMA auf die Angaben von Thomson Reuters GFMS, aber zur Erstellung der Statistik benötigt sie die Daten der GFMS-Analysten gar nicht. Dass das Unternehmen trotzdem erwähnt wird, deutet auf eine Absprache bei der Verschleierung der tatsächlichen Nachfrage hin. Auch die LBMA veröffentlicht also unvollständige und irreführende Daten.
- Der geänderten Version zufolge verarbeiteten die Scheideanstalten insgesamt 4.600 Tonnen Gold - eine schöne, runde Zahl, die man sich offenbar schnell ausgedacht hatte. Ein paar Wochen später wurden die Zahlen erneut angepasst, diesmal auf 4.579 Tonnen. Augenscheinlich kam es wiederholt zu Rücksprachen, um die Statistiken und die GFMS-Daten in Einklang zu bringen.
- Im Originaldokument der LBMA heißt es: "Die Gesamtmenge des von den zertifizierten Scheideanstalten aufbereiteten Goldes belief sich 2013 auf 6.601 Tonnen. Das ist mehr als das Doppelte der weltweiten Minenproduktion von 3.061 Tonnen." In der geänderten Version schrieben die Analysten dagegen: "Die Gesamtmenge des von den LBMA-zertifizierten Scheideanstalten weiterarbeiteten Goldes wird im Jahr 2013 auf 4.600 Tonnen geschätzt und setzt sich zusammen aus recyceltem Material sowie der weltweiten Minenproduktion von 3.061 Tonnen." GFMS zieht es vor, den Fokus beim Gesamtangebot auf Wiedergewinnung und den Minenausstoß zu legen, statt auch die Verkäufe institutioneller Investoren mit zu berücksichtigen.
- Die ursprüngliche Statistik (6.601 Tonnen) ist noch im LBMA-Magazin "The Alchemist" zu finden (Ausgabe Nr. 78, Seite 24).
Bei den Bemühungen, die Statistiken von GFMS vollständig wirken zu lassen, bleibt nichts unversucht. Ein weiteres Beispiel ist, dass die Analysten die Goldkäufe der chinesischen Zentralbank nicht in ihre Daten zu Angebot und Nachfrage aufgenommen haben. Im Juni 2015 hat die Chinesische Volksbank ihre offiziellen Goldreserven um 604 Tonnen erhöht, von 1.054 Tonnen auf 1.658 Tonnen. Im zweiten Quartal 2015 kauften alle anderen Zentralbanken weltweit unterm Strich 45 Tonnen Gold, d. h. die staatliche Nachfrage belief sich auf 649 Tonnen netto. Vergleichen wir das einmal mit den Zahlen, die GFMS für das Juniquartal 2015 veröffentlichte:
Abb. 9: © GFMS. Goldnachfrage und -angebot weltweit nach Angaben der Gold Survey für das zweite Quartal 2015
Die Nettokäufe des offiziellen Sektors werden mit 45 Tonnen angegeben. Das GFMS-Team hat sich entschieden, die Erhöhung der chinesischen Goldreserven um 604 Tonnen nicht mit einzuberechnen, weil sie nicht ins Bilanzmodell gepasst hätte. Die Aufstockung der Goldbestände des Landes hätte zur Folge gehabt, dass sich eine Netto-Bilanzsumme von -480 Tonnen ergibt. Die Leser hätten die Bilanz auf Grundlage dieses Ausreißers womöglich in Frage gestellt, also hat man den Wert lieber gleich weggelassen.
Meinen Quellen zufolge stammt das Gold, das die chinesische Zentralbank erworben hat, von institutionellen Investoren aus dem Ausland (nicht von der Shanghai Gold Exchange). Die Daten zu dieser Angebotskategorie werden von GFMS nicht veröffentlicht, daher stellte die von China gekaufte Goldmenge ein Problem dar. (Im Text hat GFMS übrigens auf die Goldkäufe der Chinesischen Volksbank hingewiesen, aber in der Bilanz wurden sie nicht berücksichtigt.)
Lesen Sie weiter: Teil 2 ...
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© Jan Nieuwenhuijs
The Gold Observer
Dieser Artikel wurde am 19. Oktober 2016 auf www.BullionStar.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.