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Das Jahr der Inflation - und der Überraschungen

15.01.2017  |  Manfred Gburek
Eine meiner letzten Kolumnen hier auf goldseiten.de trug die Überschrift: Rechnen Sie mit dem Unerwarteten. Das ist kein Widerspruch, wie man auf Anhieb meinen könnte, sondern eine Variante unter vielen, um sich mit der Zukunft zu beschäftigen.

Allerdings eine ganz besondere, denn das Unerwartete umfasst im Gegensatz zu den üblichen Erwartungen, die sich auf Details wie Aktienkurse, Edelmetall- oder Immobilienpreise konzentrieren, so ziemlich alles: etwa einen Stromausfall, alternativ mit anschließendem Börsencrash und inneren Unruhen oder ohne solche Schreckensszenarien, die Eskalation des Flüchtlingsproblems, eine neue Finanzkrise, Deflation statt der zurzeit heiß diskutierten Inflation, das Ende des Euro in seiner aktuellen Mischung aus reichen Ländern wie Deutschland und armen wie Griechenland, 20 Prozent Stimmenanteil für die AfD bei der Bundestagswahl in diesem Jahr, ein großes Attentat oder überraschende Enthüllungen auf der Achse Donald Trump/Wladimir Putin.

Die Geschichte ist reich an Überraschungen. Dazu gehören die beiden Weltkriege, die deutsche Hyperinflation in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, das amerikanische Goldverbot ein Jahrzehnt später, die Einführung des Gold-Devisen-Standards Mitte der 40er Jahre, das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg, die erfolglose Goldpreismanipulation durch führende Zentralbanken in den 60er Jahren mit anschließender Goldhausse, der Börsencrash von 1987, der Schwindel am Neuen Markt vor der Jahrtausendwende, die Finanzkrise von 2008/09, zuletzt der Brexit und der Wahlsieg von Donald Trump.

Da die Inflation gerade in aller Munde ist, sei davor gewarnt, sie zu unter- oder zu überschätzen. Es handelt sich zunächst nur um zwei statistische Daten: 1,1 Prozent Dezember-Inflation im Euroraum, 1,7 Prozent in Deutschland. Ausgelöst vor allem durch den Basiseffekt des Ölpreises: Vor Jahresfrist war Öl spottbillig, seitdem hat es sich ziemlich stark verteuert; der gestiegene Dollar hat zusätzlich seinen Teil zur Verteuerung beigetragen. Das schlägt auf die Inflationsrate durch, indem sie steigt, wahrscheinlich noch bis Februar, möglicherweise sogar bis März. Danach ist mit einer kurzfristigen Beruhigung zu rechnen.

Was ihr folgen wird, steht in den Sternen. Viel spricht indes dafür, dass EZB-Chef Mario Draghi alles daransetzen wird, sein Ziel so schnell wie möglich zu erreichen: eine Inflationsrate im Euroraum von unter, aber nahe 2 Prozent.

Wenn Sie sich jetzt fragen, was an all dem unerwartet sein soll, ist hier die Antwort: Das Verhalten der Menschen wird dafür sorgen, dass Draghi arg ins Schwitzen kommt und zu Taten schreiten wird, die derzeit niemand erwartet. Denn wie reagieren Menschen nach allen bisherigen Erfahrungen auf mehr Inflation? Sie schrauben ihre Inflationserwartungen in die Höhe, wollen zudem endlich einen Ausgleich für die jahrelange Enteignung mittels Mini- oder Nullzinsen haben und beginnen zu streiken. Gleichzeitig versuchen Unternehmen - dank guter Konjunktur mit Erfolg - die gestiegenen Preise für Zink, Nickel, Zinn, Blei, Kupfer und weitere Rohstoffe auf ihre Kunden abzuwälzen. Damit beginnt die Lohn-Preis-Spirale, je nach Gusto auch Preis-Lohn-Spirale genannt.

Menschliches Verhalten ist nicht vorhersehbar und erst recht nicht mit Zahlen wie 1,1 oder 1,7 Prozent zu erfassen. Vielmehr handelt es sich um eine äußerst dynamische Abfolge von Aktionen und Reaktionen, um ein massenpsychologisches Phänomen. Es schlägt sich bestenfalls in Charts nieder. Deren Kurven auf der X- (Zeit) wie auch auf der Y-Achse (Wert) spiegeln das Verhalten Tausender von Anlegern mit ganz unterschiedlichen Anlagemotiven und zeitlichen Perspektiven wider. In Extremfällen herrscht Gier vor, wenn die Preise steigen, oder Angst, wenn sie fallen. Beim aktuellen Goldpreis etwas unter 1200 Dollar je Feinunze kann weder von Gier noch von Angst die Rede sein. Die Marktteilnehmer beobachten sich gegenseitig, aufseiten des Angebots wie auch aufseiten der Nachfrage, keiner dominiert.

Die Ursache liegt mit großer Wahrscheinlichkeit darin, dass alle Welt gespannt auf die Trump-Rede aus Anlass seines Präsidentschaftsbeginns am 20. Januar wartet. Der neue Mann im Weißen Haus könnte sich nämlich über alle Warnungen vor zu hohen neuen Schulden zugunsten eines Infrastruktur-Programms hinwegsetzen. Die Folge bestünde unter anderem in einem Anstieg der amerikanischen Inflationsrate über 3 Prozent. Die dürfte dann auch auf andere Länder ausstrahlen, Ende offen.

Zu Hilfe käme Trump die Entwicklung der US-Anleiherenditen: Seit Mitte Dezember fallen sie (gemessen an den zehnjährigen), nachdem sie vorher monatelang gestiegen sind. Das kann man entweder als Unterbrechung des Aufwärtstrends interpretieren - oder aber als Indikator für eine Schwäche der Konjunktur. Die Deutung seitens der Trump-Mannschaft dürfte eindeutig sein: Die Entwicklung der Konjunktur soll dafür herhalten, dass zusätzliche Abermilliarden in die Wirtschaft gepumpt werden. Spätestens am 20. Januar wissen wir mehr.

Im Zuge der aktuellen deutschen Inflationsdiskussion wird der Trump-Effekt weitgehend ausgeklammert; man konzentriert sich vor allem auf den statistischen Prozentzahlen-Salat. Umso erfreulicher sind Kommentare, die auch die Entwicklung in Amerika berücksichtigen. Wie zum Beispiel der von Feri Investment Research: "Kommen jetzt noch staatliche Ausgabenprogramme hinzu, wie von der neuen Regierung unter Trump in Aussicht gestellt, könnten weiter sinkende Arbeitslosenzahlen und Knappheiten am Arbeitsmarkt die Löhne nach oben treiben und tatsächlich zu einer Inflationsrate von mehr als 3 Prozent führen."

Ähnliche Argumente bringt der Wellenreiter-Jahresausblick: "Im Jahr 2017 werden höhere Inflationsraten als 2016 zu beobachten sein, die Zeit der deflationären Phase ist zu Ende gegangen. Zum Teil liegen die höheren Inflationsraten am Basiseffekt des Ölpreises, der am stärksten am Jahresanfang zum Ausdruck kommen wird. Aber auch im dritten Quartal wird der Basiseffekt greifen. Darüber hinaus sind insbesondere in den USA Zweitrundeneffekte aufgrund eines enger gewordenen Arbeitsmarktes zu erwarten, sodass auch die Lohninflation weiter ansteigen wird."

Der Goldpreis kann von den hier beschriebenen Szenarien erheblich profitieren. In welchem Umfang, ist natürlich nicht vorherzusagen. Mit zwischenzeitlichen Rückschlägen ist zwar immer wieder mal zu rechnen, aber daran sollten Sie sich längst gewöhnt haben. Und wie schon häufiger betont: Bewahren Sie starke Nerven und üben Sie sich in Geduld, es wird sich auszahlen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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