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Finanzmärkte: Was ist los?

16.04.2017  |  Klaus Singer
Nach dem Wahlsieg Donald Trumps im zurückliegenden November machte sich großer Optimismus an den Finanzmärkten breit - man vertraute blind darauf, Trump und seine Vorhaben Deregulierung, Kredit-finanzierte Infrastrukturinvestitionen und massive Steuersenkungen werden es schon richten. Man klammerte sich dabei auch an das historische Vorbild, die Reagonomics (siehe z.B. hier, hier und hier!).

Zeitgleich mit der ersten und bisher einzigen "präsidialen" Rede von Trump Anfang März bildete der S&P 500 sein jüngstes Allzeithoch aus. Seitdem konsolidiert der Index, er steht jetzt fast 3% tiefer. Der Bankenindex KBW schreibt mittlerweile zehn Tage in Folge Verluste, seit seinem zeitgleichen Hoch hat er über 11% verloren.

Ein Bull-Run ohne Beteiligung der Banken ist immer eine brüchige Angelegenheit, allerdings hatten die Banken seit der Wahl Trumps in Vorfreude auf Zinsschritte der Fed und die Deregulierung des Finanzsystems in der Spitze auch um 32% zugelegt. Der S&P 500 ist im selben Zeitraum "nur" um 12% gestiegen. Da ist die Versuchung für Gewinnmitnahmen eben auch größer - bei bisher recht guten Quartalsergebnissen der Banken.

Der Dow Jones Transport Index (DJT) konnte seit der Wahl von Trump um 15% zulegen, hat aber seit Anfang März 7,5% eingebüsst. Der Index notiert mittlerweile deutlich unter seiner EMA50, nachdem der Versuch vor zwei Tagen gescheitert ist, sie wieder zu überwinden - ein Hinweis auf weitere Verluste. Die relative Schwäche des DJT könnte ein Vorbote für weitere Schwäche im breiten Aktienmarkt sein.

Mit der bisher im Kongress gescheiterten Rückabwicklung von "Obamacare" mehren sich Zweifel an der (zeitnahen) Umsetzung der Trumpschen Wahlversprechen. Das betrifft auch das Infrastrukturprogramm, das eventuell kleiner ausfällt. Das könnte den Druck auf Inflationsrate und damit auch auf die Fed abmildern, die Leitzinsen deutlich zu steigern. Möglicherweise gibt es in diesem Jahr nur insgesamt zwei Zinsschritte, bisher wurde von zumindest dreien ausgegangen.

Das schlägt sich in der Rendite der zehnjährigen TNotes nieder, die jetzt wieder auf gut 2,2% abgerutscht ist. Nach der Wahl Trumps ist sie von 1,8% aus mit zwei Aufwärtslücken per 14. November auf eben diesen Pegel gesprungen. Bankaktien profitierten auch von der Phantasie, dass das traditionelle Kreditgeschäft mit steigenden Zinsen wieder profitabler wird. Diese Aussicht trübt jetzt etwas ein - und belastet die Kurse von Banken.

Trump hatte bisher hinsichtlich seiner protektionistischen Attitüde Kreide gefressen und war seiner Linie treu geblieben, sich aus internationalen Angelegenheiten herauszuhalten. Das hat sich in den zurückliegenden Tagen geändert mit den Bombardierungen in Syrien und in Pakistan. Auch hinsichtlich Nord-Korea mimt er den starken Mann und droht mit Militäraktionen.

Hinzu kommt, dass die Fed mit der Veröffentlichung des jüngsten FOMC-Protokolls das Vorhaben offenbart, ihre Bilanz zu verkürzen. Indem sie in ihrem Bestand befindliche Anleihen verkauft, wird die Geldmenge in den Geldmärkten reduziert. Wenn sie auslaufende Anleihen nicht durch Zukäufe ersetzt, hat das indirekt denselben Effekt. Ihr Ziel könnte sein, innerhalb von fünf Jahren die Bilanz um 2,5 Bill. Dollar zu verkürzen. 500 Mrd. Dollar pro Jahr ergäbe geschätzt etwa ein Prozent jährliche Erhöhung der kurzfristigen Zinsen. Ob das tatsächlich vollumfänglich so kommt, ist allerdings sehr unwahrscheinlich.

Freie Liquidität ist der Treibsatz für Aktienkurse, die Aussicht auf eine Reduktion der Geldmenge ist da kontraproduktiv. Hinzu kommt, dass die Fed in ihrem jüngsten FOMC-Protokoll von einer Überbewertung bei Aktien gesprochen hat. Hierfür hat sie in Zusammenarbeit mit anderen großen Zentralbanken selbst gesorgt, mit ultra-billigem Geld wurde der Wert des globalen Aktienmarkts in den zurückliegenden acht Jahren um 21 Bill. Dollar aufgepumpt. Das KGV im S&P500 liegt nach Shiller-CAPE mittlerweile bei 28,60 (siehe auch hier!).

Schlechtere Aussichten auf schnelle und umfassende Umsetzung der Trumponomics, Abwendung des Politik-Fokus von inner-amerikanischen Wirtschaftsangelegenheiten, Aussicht auf Bilanzverkürzung der Fed und verstärkte geopolitische Risiken - das ist die mentale Begleitmusik der gegenwärtigen Konsolidierung bei Aktien und gibt Anlass für Gewinnmitnahmen.

Der S&P500 hat am 27. März und am 11. April seine EMA50 intraday unterboten, jedoch jeweils oberhalb davon geschlossen. Am zurückliegenden Donnerstag, dem dritten Test der EMA50, schloss der Index darunter. Das ist für den mittelfristigen Ausblick zunächst ungünstig. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass sich dies zu einem Fehlsignal mausert, wenn es zügig zu einer dynamischen Gegenbewegung kommt. Hinzu kommt, dass der Index jetzt auch wieder unter der Oberseite seines seit 2009 bestehenden Aufwärtskanals geschlossen hat (siehe Chart).

Die aktuelle Chartformation im S&P 500 entspricht der eines sich öffnenden Abwärtskeils. Die sich daraus ergebende Implikation ist eher bullisch, allerdings weist die Öffnung auf zunehmende Unsicherheit hin.

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Chartquelle: www.incrediblecharts.com


Entfaltet sich die beschriebene Formation "regelgerecht", wäre demnach mit einem maximalen Abwärtspotenzial auf deren untere Begrenzungslinie (aktuell 2285) zu rechnen.


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