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Der Weg in die Bankenverstaatlichung

23.04.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Wie eine weitere alte Forderung von Karl Marx erfüllt werden wird

Auf den Finanzmärkten schleicht sich eine Erwartungsänderung ein: Umfragen zeigen, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) vielleicht schon bald von ihrer Politik des negativen Einlagenzinses verabschieden wird. Derzeit müssen Banken, wenn sie "Überschussguthaben" auf EZB-Konten halten, darauf einen Strafzins in Höhe von 0,4 Prozent pro Jahr entrichten. Durch ihre fortgesetzten Anleihekäufe pumpt die EZB immer mehr Überschussreserven in den Bankenmarkt, und das treibt die Kosten der Liquiditätshaltung immer weiter in die Höhe.

Die Banken versuchen, dem auszuweichen, indem sie Staatsanleihen kaufen. Das hebt deren Kurse und senkt die Renditen, zieht sie sogar zuweilen unter die Nullinie. Weil die laufende Inflation positiv ist, werden die Realzinsen - also Nominalzins abzüglich der Inflation - negativ. Erfreulich für strauchelnde Staats- und Bankschuldner: Sie werden entschuldet.

Für die Banken verbleibt jedoch ein akutes Problem: Wenn die nominalen Marktzinsen derart niedrig sind, verdienen sie kaum mehr etwas. Zudem laufen ihre Kunden Sturm, wenn sie einen Negativzins auf Bankeinlagen in Rechnung stellen.

Im Grunde macht die Null- beziehungsweise Negativzinspolitik der EZB dem maroden Euro-Bankenapparat den Garaus. Und damit ist das Überleben des Euro in akuter Gefahr. Denn der Fortbestand der ungedeckten Einheitswährung hängt in ganz entscheidendem Maße am Wohl und Wehe der Banken. Wenn sie die Segel streichen, wenn sie ihre Pforten zusperren, implodiert die Euro-Kreditblase und die Euro-Volkswirtschaften gehen geradewegs in die Rezession-Depression.

Solch ein kataklysmisches Ereignis würde der Euro vermutlich nicht überleben. Das weiß man in der EZB-Machtzentrale in Frankfurt sehr wohl. Man wird erkennen müssen, dass die Null- und Negativzinspolitik nicht dauerhaft so fortgeführt werden kann. Um den Banken zu helfen, muss der Kurs geändert werden. Der neue Weg wird vermutlich darin bestehen, dass die EZB den Einlagenzins auf null Prozent zurückführt und gleichzeitig zulässt, dass die Marktzinsen wieder leicht über die Nullinie steigen.

Anleihen werden weiter kräftig gekauft, das vergrößert die Euro-Geldmenge. Sie sollte früher oder später auch die Inflation in die Höhe treiben, so dass der Realzins auf beziehungsweise unter der Nullinie verbleibt. Die Kaufkraftentwertung des Euro und der in Euro ausgewiesenen Ersparnisse wird im Zuge des "neuen Zinsexperiments" also unbeirrt weitergehen.

Den Banken würde der neue EZB-Kurs gefallen. Steigen die Marktzinsen etwas an, verbessern sich ihre Gewinne. Und wenn die EZB zudem noch für eine "steile Zinskurve" sorgt - wenn die Langfristzinsen deutlich über den Kurzfristzinsen gehalten werden -, locken zusätzlich Gewinne, wenn Banken langlaufende Kredite vergeben und sie mit kurzfristigen Krediten refinanzieren.

Doch wird es der EZB mit ihren geldpolitischen Tricksereien gelingen, den Euro-Bankenapparat - der übrigens völlig überdimensioniert, renditeschwach und verlustträchtig ist - aus dem Sumpf zu ziehen?

Rein technisch gesehen ist es zwar möglich, die Geldhäuser zahlungsfähig zu halten, auch wenn sie keine ausreichenden Gewinne mehr erzielen: Die EZB lässt ganz einfach die elektronische Notenpresse schneller laufen und versorgt die Banken mit jeder benötigten Geldmenge. Aber die Investorenschaft wird unter diesen Bedingungen wohl einen immer größeren Bogen um die Euro-Banken machen.

Überreguliert, kaum rentabel und die Bilanzen voll mit faulen Krediten: Mit diesen Eigenschaften findet man nur schwerlich neues Eigenkapital und talentiertes Personal. Die Euro-Banken spielen bereits nur noch eine untergeordnete Rolle im internationalen Bankgeschäft. Mehr denn je dominieren US-Banken, geben vor, wo es langgeht.

Wenn erst einmal ein Eigenkapitalmangel der Euro-Banken aufgrund von Abschreibungsverlusten offen zutagetritt, ist absehbar, was passieren wird: Die Staaten werden die Geldhäuser rekapitalisieren, finanziert mit neuen Staatsschulden, die von der EZB monetisiert werden. Das auf diesem Wege neu geschaffene Geld wird als Eigenkapital eingezahlt.

Das ist natürlich nichts anderes als - Hokuspokus - eine Verstaatlichung des Bankenapparates mit inflationären Mitteln: eine Verstaatlichung des Bankgeschäfts, wie es Karl Marx im "Kommunistischen Manifest" bereits im Jahr 1848 eingefordert hat! Und darauf läuft es wohl in den Euro-Volkswirtschaften hinaus. Ob der Euro nun auseinanderbricht oder nicht, ändert daran vermutlich nichts mehr.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit

Quelle: Auszug aus eigentümlich frei Nr. 172



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