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Eine Krise historischen Ausmaßes

26.07.2017  |  John Mauldin
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Hinsichtlich der Bürokratie und der Regulationen gab es einige Fortschritte, aber diese gehen nicht einmal ansatzweise so weit, wie ich erwartet hatte. Wichtige Stellen wurden nicht besetzt und die Bürokratie hat noch immer die Kontrolle über die Schalthebel der Wirtschaft.

Liebend gerne würde ich falsch liegen. Nichts würde mich glücklicher machen, als alles zurücknehmen zu müssen. Doch ohne einen echten, baldigen Wandel wird die Wirtschaftsleistung stagnieren und zu sinken beginnen. Das Wachstum des zweiten Quartals wird in den USA zwar bei mehr als 2% liegen, im ersten Halbjahr wird es insgesamt jedoch unter diesem Wert bleiben. Eine ganze Reihe von Indikatoren zeigt eine Abschwächung der Konjunktur an.

Da wäre beispielsweise die regelrechte Schwemme von mehr als 7 Millionen ehemaligen Leasingwagen, die derzeit den Automarkt verstopft und zur Folge hat, dass die Produktion von Neuwagen den Prognosen nach weiter sinken wird. Die Verbraucher gelangen an ihre finanziellen Grenzen. Die Zahlungsausfälle bei Studiendarlehen und Kreditkartenschulden nehmen zu. Zwar gibt es auch vereinzelte Lichtblicke, doch ohne tiefgehende Reformen wird sich das Wirtschaftswachstum auf das absolute Minimum verlangsamen. Wenn dann noch ein externer Schock die Volkswirtschaft der USA trifft - und es bahnen sich womöglich gleich mehrere an - wird uns das wahrscheinlich in eine Rezession abgleiten lassen.

Und damit kommen wir zu den Zentralbanken.


Die Angst vor der Wahrheit

Eine Nachricht, die ich auf St. Thomas (leider) nicht verpasst habe, war Janet Yellens Statement bezüglich der Wahrscheinlichkeit einer weiteren Finanzkrise. Hier ist noch einmal das vollständige Zitat:

"Würde ich sagen, dass es niemals wieder eine Finanzkrise geben wird? Sie wissen wahrscheinlich, dass das zu weit ginge, aber ich denke tatsächlich, dass wir heute viel sicherer sind. Ich hoffe, dass es zu unseren Lebzeiten nicht mehr dazu kommen wird, und ich glaube, das wird es auch nicht."

Ich würde praktisch jedem Wort in diesen drei Sätzen widersprechen, doch meine Meinung zählt nicht so viel wie die der Notenbankvorsitzenden. Wenn sie das wirklich glaubt, dann ist sie sich der Instabilitätsfaktoren, die das Finanzsystem nach wie vor belasten, offenbar gar nicht bewusst. Das wäre äußerst ungünstig.

Sie könnte insofern Recht behalten, als die nächste Finanzkrise der vorhergegangenen vermutlich nicht ähneln wird, zumindest nicht in den USA. Wir haben das unter George W. Bush verabschiedete Gesetz, das es den Banken erlaubte, ihre Assets bis zu einem Faktor von 30 zu hebeln, wieder aufgehoben. (Was hatte man sich dabei nur gedacht?) Wir haben die Banken verpflichtet, sich zu rekapitalisieren, ihre Aktivitäten als Marktmacher an den Anleihemärkten zu reduzieren und dadurch theoretisch ihr Insolvenzrisiko zu verringern.

Zudem haben wir jede Menge Regulierungen beschlossen, die sowohl die Rentabilität als auch die Produktivität schmälern. Diese mögen in Bezug auf große Finanzinstitutionen vielleicht angemessen sein, doch kleineren Kommunalbanken schnüren sie die Luft ab und verhindern dadurch, dass Kapital auch kleinen Unternehmen zugänglich gemacht wird. Ist es angesichts dieser Situation ein Wunder, dass derzeit mehr Unternehmen pleite gehen als neu gegründet werden?

Genau wie Generäle, die noch immer mit den überholten Strategien des letzten Krieges versuchen, die neuen Schlachten zu schlagen, werden die Zentralbanker feststellen, dass in der nächsten Finanzkrise an anderen Fronten und gegen völlig andere Gegner gekämpft werden muss. An den Märkten für festverzinsliche Wertpapiere herrscht ein beängstigender Mangel an Liquidität und Market-Making - Services, die zuvor von den Banken geleistet wurden. Aufgrund der neuen regulatorischen Bestimmungen ist ihnen das jedoch nun untersagt. Zur Zeit ist alles noch in Ordnung, aber in dem Moment, in dem wir auch nur auf das kleinste Hindernis stoßen, wird die verbleibende Liquidität verschwinden und die Marktmacher werden sich zurückziehen.

Theoretisch kann die Fed diesen Märkten wahrscheinlich keine Liquidität zur Verfügung stellen. Ich wette aber mit Ihnen, dass sie ein Schlupfloch findet, das es ihr erlaubt, auf die ein oder andere Weise einzugreifen. Andernfalls wird an den Kreditmärkten eine Abwärtsspirale entstehen. An manchen Märkten wird es bergauf gehen, an anderen bergab. Wir haben erneut alle möglichen Arten von ausgeklügelten Kreditinstrumenten erschaffen, denn angesichts des niedrigen Zinsniveaus sind die Investoren immer auf der Suche nach Renditen.

In einer Krise wird es für diese Finanzprodukte jedoch ganz einfach keine Liquidität und keine Nachfrage geben. Die massenhafte Flucht der Investoren in sichere Assets wird dafür sorgen, dass die Renditen der langfristigen US-Treasuries auf neue Rekordtiefs fallen.

Ich könnte noch weitere Ungleichgewichte an den Finanzmärkten aufzählen, aber Sie verstehen auch so, wie die Gesamtlage ist.

Die Finanzpolitiker (und nichts anderes sind die Zentralbanker in Wahrheit) haben in der Vergangenheit schon oft genau das Falsche zur falschen Zeit gesagt. Noch schlimmer: Sie sagen nicht einmal die Wahrheit. Der frühere Vorsitzende der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker hat das sogar zugegeben: "Wenn es ernst wird, muss man lügen", sagte er 2011 während der Schuldenkrise in Europa.

Sie lügen, weil sie Angst vor den Auswirkungen der Wahrheit haben. Das stellt ein ernstes Problem dar, denn die Märkte können nicht funktionieren, wenn sie falsche Informationen erhalten - zumindest nicht für unbegrenzte Zeit. Das Beste für alle wäre es, den Märkten zu erlauben, sich auf natürlich Weise an die neuen Gegebenheiten anzupassen, auch wenn die Konfrontation mit der Wahrheit für einige Marktteilnehmer auf kurze Sicht zu Verlusten führt.


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