Eine Krise historischen Ausmaßes
26.07.2017 | John Mauldin
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Ja, wie die geldpolitischen Entscheidungsträger diese Zielkonflikte handhaben, ist ausschlaggebend. Doch selbst wenn wir annehmen, dass unsere Zentralbanker ruhig und professionell handeln werden - was wir vielleicht nicht unbedingt tun sollten - ändert das nichts an der Tatsache, dass ihnen mittlerweile keine guten Optionen mehr bleiben, weil sie zu lange gezögert haben. Das "geringste Übel" ist das Beste, auf das wir hoffen können, und ich wage zu bezweifeln, dass wir das überhaupt bekommen werden. Die massive Wand der Fehlentscheidungen ragt drohend auf.Die Zentralbanker machen sich aus dem Staub
Die Fed weiß sicherlich, dass sie eher mit den Zinserhöhungen hätte beginnen sollen. Sie versteht auch die aktuellen Risiken. Ich bin zwar ebenfalls der Meinung, dass es angemessen ist, die Zinssätze langsam anzuheben, aber ich kann einfach nicht verstehen, warum die Notenbanker ihre Bilanzsumme jetzt, zu diesem späten Zeitpunkt, noch kürzen wollen, wenn sie gleichzeitig auch das Zinsniveau erhöhen. Sie hätten schon seit vier Jahren zulassen können, dass sich die Bilanz quasi von selbst verringert, aber das jetzt in Verbindung mit den steigenden Zinsen zu tun, erhöht das Risiko eines geldpolitischen Fehlers. Doch das sehen die Notenbanker wahrscheinlich nicht als ihr Problem an.
Die Vorsitzende Janet Yellen glaubt wie ich, dass die meisten der aktuellen Gouverneure bis zum zweiten Quartal nächsten Jahres nicht mehr auf ihren Posten sein werden. Ich wäre auch keineswegs überrascht, wenn Vizepräsident Fischer noch vor dem Ende seiner offiziellen Amtszeit im Juni 2018 zurücktritt. Die Fed wird die Zinsen noch ein paar Mal erhöhen, die Bilanzkürzung einleiten und sich dann aus dem Staub machen.
Die Gouverneure der Federal Reserve haben im Grunde genommen einen 14-jährige Amtszeit. Dadurch hat der jeweilige US-Präsident während seiner vierjährigen Amtszeit nur begrenzt die Möglichkeit, neue Mitglieder in den Offenmarktausschuss zu berufen. Tritt ein Notenbanker zurück, wirkt sich das natürlich auch aus.
Trump wird die ungewöhnliche Gelegenheit haben, bis spätestens Mitte nächsten Jahres mindestens sechs, wahrscheinlich aber sieben Stellen im Führungsgremium der Fed neu zu besetzen. In ihrer nächsten Zusammensetzung wird die US-Notenbank die Trump-Fed sein, ob ihm das passt oder nicht. Ohne umfassende Reformpläne seitens der Regierung wird sich die Trump-Fed mit einer Rezession, ernsten globalen Problemen und einer daraus resultierenden, heftigen Baisse an den Aktienmärkten konfrontiert sehen.
Glauben Sie, die Fed wird die Zinsen unter diesem Umständen weiter erhöhen? Wie lange wird es wohl dauern, bis die Notenbanker wieder über ein paar kleine quantitative Lockerungen reden, um die Märkte zufriedenzustellen?
Die derzeitigen Mitglieder des Offenmarktausschusses hoffen, dass die Lage stabil bleibt, bis sie sich unauffällig aus dem Staub machen können. Wem wird mal wohl die Schuld an der nächsten Rezession geben? Es müssten eigentlich die Notenbanker sein, die heute die Geldpolitik bestimmen, aber so funktioniert die Welt nicht. Die Trump-Fed wird von ihren Gegnern in der Demokratischen Partei für politische Zwecke instrumentalisiert und stigmatisiert werden, ganz gleich, was sie tut. Ich kann die Forderung nach unabhängiger Kontrolle und Aufsicht praktisch schon hören.
Globale Ansteckung
Der prekäre Zustand der Wirtschaft ist kein amerikanisches, europäisches, britisches oder japanisches Problem. Es handelt sich um ein globales Problem.
Ich frage mich, ob Janet Yellen wirklich anerkennt, in welchem Maße sich die Geldpolitik der Federal Reserve auf die gesamte Welt auswirkt. Ob einem das nun gefällt oder nicht - der US-Dollar ist derzeit das ultimative Tauschmittel auf unserer Erde. Fast jede Finanztransaktion wird auf die eine oder andere Weise in Dollar abgewickelt. China und andere Staaten würden das natürlich gern ändern. Eines Tages wird es ihnen vielleicht gelingen, aber nicht in diesem Jahr und auch nicht im nächsten.
Vor diesem Hintergrund könnte der Einfluss, den die Fed mit ihrem Kurs auf den Dollar hat, die unvermeidliche, kommende Krise noch deutlich verstärken. In den USA spricht viel für Zinserhöhungen - Entschuldigung, ich meine natürlich die "Normalisierung" der Zinsen. Eine Anhebung des Zinsniveaus auf 2% oder 3% wird unsere Wirtschaft nicht umbringen. Steigende Zinsen werden jedoch wahrscheinlich andere Akteure in Schwierigkeiten bringen, und deren Probleme werden schon bald auch die unseren sein.
Denken Sie nur an all die in Dollar bezifferten Schulden der Regierungen und Unternehmen in den Schwellenländern. Höhere Zinssätze in den Vereinigten Staaten werden den Dollar stärken und den Schuldendienst teuer machen. Das wird fast mit Sicherheit zu einigen Zahlungsausfällen und Pleiten führen. An den extrem gehebelten und eng vernetzten heutigen Märkten werden sich die durch diese Insolvenzen entstanden Verluste bald ausdehnen und auf Kreditgeber in Europa, Japan und den USA übertragen.
Sie könnten nun einwenden, dass strengere Kapitalanforderungen heute bedeuten, dass die Banken einem solchen Szenario besser standhalten können. Das stimmt zum Teil. Es stimmt aber auch, dass die Führungsetagen der Banken diese Bestimmungen hassen und beharrlich an ihrer Aufweichung arbeiten. Noch dazu sind die Banken heute viel größer als im Jahr 2008.
Ja, sie bestehen die Stresstests der Fed, aber die Fed kann nicht jedes mögliche Szenario durchspielen. Die Generäle versuchen immer, den neuen Krieg mit den alten Strategien zu gewinnen. Die nächste Krise wird ihren Ursprung jedoch nicht am Hypothekenmarkt haben. Sie wird in einer ganz anderen Ecke der Märkte ihren Anfang nehmen und wir haben keine Ahnung, ob die Banken wirklich darauf vorbereitet sind.
Sie und ich haben keinen Einfluss darauf, ob die Banken gut vorbereitet sind. Wir können jedoch beeinflussen, ob wir selbst gut vorbereitet sind. Meine kurze Auszeit hat mich restlos davon überzeugt, dass uns erneut eine Krise historischen Ausmaßes bevorsteht. Möglicherweise bleibt uns nur wenig Zeit, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Wir haben definitiv keine Zeit zu verlieren.
© John Mauldin
www.mauldineconomics.com
Dieser Artikel wurde am 09. Juli 2017 auf www.mauldineconomics.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.