Eine Krise historischen Ausmaßes
26.07.2017 | John Mauldin
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Manchmal ergibt es durchaus Sinn, den Schlag abzufedern. Es ergibt jedoch keinen Sinn, ein Problem jahrelang zu vertuschen, es größer und größer werden zu lassen und sich bis zu allerletzt zu weigern, seine Existenz überhaupt anzuerkennen - bis diese dann zum absolut ungünstigsten Zeitpunkt nicht mehr zu leugnen ist. Aber genau das geschieht normalerweise.Fairerweise muss dazugesagt werden, dass es die Finanzpolitiker oft mit Situationen zu tun haben, in denen alle Optionen schlecht sind. Meistens liegt das daran, dass ihre Vorgänger unter ähnlich schwierigen Umständen ähnlich schlechte Entscheidungen getroffen haben. Die Kette der Fehlentscheidungen reicht Jahrzehnte zurück. Wir glauben, dass Regierungen und Zentralbanken über Macht verfügen, und in gewisser Weise tun sie das auch, aber sie sind keineswegs allmächtig. Sie haben keinen magischen, monetären Zauberstab. Sie stehen zudem unter enormem Druck "irgendetwas zu tun", auch wenn es das Beste wäre, nichts zu unternehmen und zu warten, bis der Markt sich selbst gereinigt hat.
Wir konnten es nicht riskieren
Um die Denkweise zu verstehen, mit der die Zentralbanker weltweit die nächste Finanzkrise angehen werden, fällt mir kein besseres Beispiel ein als eine Debatte, die vor vier Jahren während einem Treffen von Ökonomen stattfand, das David Kotok jedes Jahr in Maine organisiert. Diese Diskussion löste bei mir einen "Aha"-Effekt aus und war entscheidend für mein Verständnis von der Arbeitsweise der Notenbanken während einer Krise. Damals schrieb ich:
"Für Samstagabend hatte David eine formelle Debatte zwischen dem Anleiheexperten Jim Bianco und David Blanchflower, einem früheren Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England, organisiert.
Das Format der Debatte war einfach gehalten. Thema war die Geldpolitik der Fed und Frage, was die US-Notenbank tun sollte. Sollte sie das QE-Programm beenden oder nicht? Sollte sie die quantitativen Lockerungen vielleicht sogar ausweiten? Bianco argumentierte, dass QE zum Problem, statt zur Lösung geworden war. Blanchflower war der Ansicht, dass es die richtige Strategie war.
Wirklich interessant wurde es während der anschließenden Podiumsdiskussion. Bianco vertrat nachdrücklich die Meinung, dass man die Insolvenz der Großbanken hätte zulassen sollen, statt die Kreditinstitute zu retten. Die Frage, die Blanchflower aus dem Publikum gestellt wurde, war folgende: 'Was, wenn Bianco recht hat? Wäre es nicht besser gewesen, die Banken pleite gehen zu lassen und sie dann im Rahmen eines Insolvenzverfahrens umzustrukturieren? Wäre der Wiederaufschwung dann nicht schneller gewesen, während wir uns jetzt mit geringem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit herumschlagen müssen?'
Blanchflower zeigte direkt auf Jim und sagte entschlossen: 'Es war nicht die Möglichkeit, dass er recht haben könnte, die uns Sorgen bereitete. Wir konnten es nicht riskieren, dass er falsch lag. Wenn er unrecht hat und wir nichts getan hätten, wäre das das Ende der Welt gewesen - und unsere Schuld. Wir mussten handeln.'"
Diese Erklärung machte mir bewusst, dass auch Zentralbanker nur Menschen sind, und dass ihre Reaktionen mitten in einer Krise ebenfalls nur menschlich sind. Sie haben einfach das Gefühl, dass sie etwas tun müssen.
Die geldpolitische Sackgasse
Unsere aktuellen Herausforderungen ergeben sich aus der Tatsache, dass unsere Helden in den Notenbanken die quantitativen Lockerungen, die Nullzinspolitik und in manchen Ländern auch die Negativzinsen länger fortgesetzt haben, als ratsam gewesen wäre. Man kann argumentieren, dass diese Maßnahmen 2008 und kurz danach notwendig waren, aber sie hätten nicht 7 - 9 Jahre fortgeführt und schon gar nicht ausgeweitet werden sollen. Dass das ein Fehler war, ist mittlerweile - rückblickend - fast jedem klar. Was nun zu tun ist, ist allerdings weniger klar.
Das Positive ist, dass die Zentralbanken zumindest über das Problem reden. Das neue Buzzword der coolen Kids ist "Normalisierung der Geldpolitik". Alle (außer der Bank of Japan) sind sich einig, dass die geldpolitische Abweichung die Dauer ihrer Nützlichkeit überschritten hat. Das ist wichtig: Ein Problem zuzugeben ist der erste Schritt zur Lösung.
Lösungen sind jedoch eine schwierige Angelegenheit, wenn man schon nach dem ersten winzigen Schritt gegen eine massive Wand läuft, die man selbst errichtet hat, weil man zu lange gezögert hat.
Mitte 2013 deutete Ben Bernanke erstmals an, dass die Fed ihre Anleihekäufe verringern könnte. Die als "Taper Tantrum" bekannte Marktreaktion darauf hielt ihn jedoch davon ab, diesen Kurs auch umzusetzen, obwohl er ihn offensichtlich für richtig hielt. Diese Aufgabe sowie die erste kleine Zinsanhebung im Dezember 2015 kam schließlich Janet Yellen zu. Neue Turbulenzen an den Märkten waren die Folge, diesmal jedoch hauptsächlich in China. Die Pläne für weitere Zinserhöhungen wurden vorerst auf Eis gelegt.
Wie ich vor zwei Wochen in einem Artikel schrieb, berücksichtigten die Gouverneure der Fed damals sicherlich, in welche Lage sie die (demokratische) Regierung bringen würden, wenn ein Fehler ihrerseits das Land in eine Rezession stürzen ließe. Sie ignorierten Ben Bernankes Mahnung, dass eine Zentralbank "die Möglichkeit haben muss, den geldpolitischen Kurs unabhängig von kurzfristigen politischen Bedenken zu bestimmen".
Heute, mit einer republikanischen US-Regierung und einem republikanischen Kongress, hat der Offenmarktausschuss der Fed anscheinend keinerlei derartige Bedenken. Wir werden es nie wissen, aber ich frage mich ganz im Ernst, ob die Fed die Zinsen auch unter einer Clinton-Regierung anheben würde.