Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Das Risiko: Falsche Preise, falsches Handeln

06.08.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Wir hatten bereits mehrfach eine Interpretation für diese Zinsentwicklung angeboten: Die Zentralbank sorgt zunächst durch ihre Zinssenkungen dafür, dass die Kreditnachfrage steigt: Private, Unternehmen und Staaten verschulden sich. Die Verschuldung in der Volkswirtschaft schwillt an. Die Schuldentragfähigkeit wiederum hängt davon ab, dass der Zins im Zeitablauf immer weiter absinkt. Die Zentralbank wird also die Zinsen - über das Auf und Ab der Konjunktur hinweg - im Zeitablauf auf immer niedrigere Niveaus schleusen.

Nun könnte man vielleicht denken, die Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft ließe sich "steuern" und in Gang halten, wenn nur die Zentralbank die Zinsen immer weiter absenkt. Das aber ist ein schwerer und folgenreicher Irrtum. Die Einflussnahme der Zentralbanken auf den Zins ist vielmehr eine Quelle volkswirtschaftlicher Ungleichgewichte und Störungen. Sie sorgt vor allem für die gefürchteten "Boom-und-Bust"-Zyklen. Das wird unmittelbar ersichtlich, wenn man sich die Folgen vor Augen führt, die die Zinspolitik der Zentralbank auf die Güterpreise hat.


Aufblähen der Preise

Die Preise, die sich durch Angebot und Nachfrage auf den Märkten bilden - seien es die Preise für Arbeit, Energie, Konsumgüter oder Häuser und Aktien -, sind von allergrößter Bedeutung für das volkswirtschaftliche Geschehen. Preise haben nämlich Signalfunktion. Steigt beispielsweise ein Preis, so zeigt das an, dass ein Gut knapp wird. Das ist quasi der Aufruf für Produzenten, das Angebot zu erhöhen. Gleichermaßen gilt: Produzenten sollten die Produktion der Güter, deren Preise sinken, verringern und andere, nämlich die nachgefragten Güter, deren Preise steigen, vermehrt herstellen.

Open in new window
Quelle: Thomson Financial. (3) Indexiert


Die Zentralbank sorgt mit ihrer Zinspolitik dafür, dass die Marktzinsen unter das Niveau absinken, das sich einstellen würde, wenn sie keine Zinspolitik betreiben würde. Ein solches künstliches Absenken der Marktzinsen hat weitreichende Folgen, insbesondere für die Güterpreise. Beispielsweise treiben die künstlich gesenkten Zinsen die Kurse für Aktien in die Höhe: Die künftigen Gewinne der Unternehmen werden mit einem nunmehr niedrigeren Zins abdiskontiert.

Folglich steigen der (Bar-)Wert der Aktien und damit auch ihr Kurs. Für Unternehmen wird nun die Eigenkapitalbeschaffung billiger: Das Unternehmen muss weniger Aktien verkaufen, um sich eine bestimmte Summe Eigenkapital zu beschaffen. Die Kapitalkosten sinken.

Es wird folglich attraktiver, neue Investitionen anzugehen - Investitionen, die ohne das Absinken der Kapitalkosten nicht angegangen worden wären. Doch damit nicht genug. Die gesenkten Zinsen treiben auch die Preise für Vermögenspreise und damit die Beleihungswerte in die Höhe. Kreditgeber - allen voran die Banken - fällt es zusehends leichter, Kredite für zum Beispiel den Hausbau zu vergeben. Besitzer von Vermögen (dessen Preise in die Höhe steigen) werden zusehends finanzkräftiger.

Die Zentralbankpolitik der gesenkten Zinsen verleitet die Marktakteure zu falschem Handeln: Es ermuntert zu einem Handeln, das anders ausfällt als das, das sich im Zuge eines unverfälschten Zinses einstellen würde. Folglich kommt eine Konjunkturdynamik in Gang, die nur aufrechterhalten werden kann, wenn die Zinsen niedrig bleiben, beziehungsweise wenn die Zinsen auf immer niedrigere Niveaus geschleust werden. Steigen die Zinsen, ist die "Party" gewissermaßen zu Ende: Die Preise der Güter, die zuvor aufgebläht wurden, sacken in sich zusammen. Der "Boom", für den die künstlich niedrigen Zinsen gesorgt haben, kippt in einen "Bust" um.


Krise aus dem Nichts

In der zinsbedingten Verzerrung der Preise und damit der dadurch bewirken volkswirtschaftlichen Produktions- und Beschäftigungsstruktur lauern daher gewaltige Risiken, die dann zutage treten, wenn die Zinsen steigen. Eine Verteuerung der Kreditkosten lässt Investitionen unrentabel werden und bringt Schuldner in Bedrängnis. Die Konjunktur, die eben noch erfreulich gut und geräuschlos lief, erlahmt oder bricht gar ein.

Die Ruhe auf den Finanzmärkten - das Verschwinden der Risikosorgen - ist in einem ungedeckten Papiergeldsystem trügerisch. Unter der Oberfläche, unbeachtete von vielen, bauen sich Ungleichgewichte auf, die früher oder später auf Bereinigung drängen. Nicht selten kommt der Auslöser für eine krisenhafte Korrektur der Ungleichgewichte völlig unerwartet. Er kann aus dem Zinsmarkt, er kann aber auch aus einer ganz anderen Richtung kommen. Das Störfeuer, für das die Zentralbanken mit ihrer Zinspolitik sorgen, soll im Artikel auf der kommenden Seite beleuchtet werden.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"