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Das Goldpreismanagement in Zeiten der Finanzrepression (Teil 3/3)

07.09.2017  |  Lars Schall
- Seite 6 -
Zudem werden die außenwirtschaftlichen Initiativen, die Peking mit dem Seidenstraßen-Projekt anstieß, "wirkungsvoll die auf Autonomie gerichtete Währungs- und Finanzpolitik Chinas" fördern können. "Aus chinesischer Perspektive ist der investive Einsatz der eigenen Dollarvorräte in ausländischen Infrastrukturprojekten ein politisch und ökonomisch sinnvolleres Devisenrecycling als die Anlage in amerikanischen Schatzanleihen. Zugleich befördern die geplanten Infrastrukturinvestitionen unmittelbar die Verwendung der chinesischen Landeswährung Renminbi (RMB) als Zahlungsmittel im internationalen Handels- und Leistungsverkehr." (53)

Eine weitere Förderung des Gebrauchs der chinesischen Währung zeichnete sich im Sommer 2017 ab. Nachdem bereits seit dem April 2016 in Yuan gehandelte, mit physischem Gold hinterlegte Termin-Kontrakte an der Goldbörse in Shanghai angeboten wurden, zog die Börse in Hongkong im Juli 2017 nach: der von Hong Kong Exchanges & Clearing Ltd (HKEX) organisierte Gold-Futures-Handel findet in Yuan und US-Dollar statt. Die eingegangenen Verträge müssen nicht unbedingt in bar beglichen werden, sondern sehen auch die Lieferung von physischem Gold vor. (54)

Im Sommer 2017 arbeitete die Shanghai International Energy Exchange darüber hinaus an einem Erdöl-Terminkontrakt, von dem Nikkei Asian Review berichtete, er habe das Potential, sich zur Preis-Benchmark für Asien zu entwickeln. Der Kontrakt sollte in Yuan gehandelt und in Gold konvertibel sein. Dieser "Schritt wird Exporteuren wie Russland und dem Iran erlauben, US-Sanktionen durch den Handel in Yuan zu umgehen", hieß es. "Um den Handel weiter anzulocken, sagt China, dass der Yuan an den Börsen in Shanghai und Hongkong vollumfänglich in Gold umtauschbar sein wird. 'Die Regeln des globalen Öl-Spiels könnten sich enorm ändern", kommentierte Luke Gromen, Gründer der US-Analystenfirma FFTT. (55)

Ein in Yuan gehandelter Goldkontrakt birgt für Erdölexporteure den Vorteil, dass sie ihr Öl in Yuan verkaufen können, um den möglichen Währungsüberschuss anschließend in Gold umzutauschen. Auf diese Weise brauchen die Exporteure weder chinesische Vermögenswerte zu kaufen, noch müssen sie den US-Dollar benutzen. Den Erdölproduzenten signalisierte China zudem, dass sie mehr Geschäftsmöglichkeiten insgesamt eingeräumt bekommen werden, wenn sie ihr Öl in Yuan verkaufen. Sollten sie den Verkauf in Yuan ausschlagen, stand im Gegenzug ein Verlust von Marktanteilen zu erwarten. (56)


Ein Albtraum?

In einem Interview, das Anfang 2015 entstand, sprach ich die US-Ökonomin Philippa Malmgren, die sowohl Mitglied im Chatham House als auch im Council on Foreign Relations ist, auf die enger werdenden Verbindungen zwischen Russland und China an. Ich fragte: "Ist dies eine Art Albtraum für die Leute beim Chatham House und beim Council on Foreign Relations, mit denen Sie sprechen?"

Philippa Malmgren: Nun ja, es ist eine Art Albtraum. Es handelt sich um ein kompliziertes Thema, das ich gern erklären würde.

Ein Teil dessen, was passiert, ist, dass Russland und China sagen: "Okay, ihr US-Amerikaner, Europäer, Briten und Japaner, ihr versucht seit einiger Zeit, euch eurer Schulden zu entledigen, indem ihr Inflation erzeugt - und während das vielleicht nicht so erfolgreich für euch lief, habt ihr Bedingungen geschaffen, wodurch die Inflation in die Weltwirtschaft und in andere Teile der Welt zurückgekehrt ist. Und daher ist dies ein feindlicher Akt, denn er destabilisiert unsere Bevölkerungen, bringt uns soziale Spannungen ein, und deshalb haben wir das Recht, nach Vermögenswerten zu greifen, von denen wir glauben, dass sie uns gehören."

Also werden die Chinesen zum Beispiel aggressiver im Südchinesischen Meer, weil sich dort 10% des weltweiten Fischvorkommens befinden - das ist wichtig in einer Welt, wo Eiweißpreise Rekordhöhen erreichen; außerdem gibt es dort Öl und Gas. Für die Russen ist es ähnlich. Sie sagen: "Nun, in einer Welt, in der ihr den Preis von Sachwerten in die Höhe treibt, ist der Wert der Ukraine gestiegen". Die Ukraine ist der viertgrößte Nahrungsproduzent der Welt, und wenn sich die Frage stellt, wer den größten Einfluss über sie hat, die NATO und Westeuropa, die EU oder Russland, dann wird Russland sagen: "Wir würden diesen Vermögenswert gern in unserer Tasche behalten, in unserer Ecke".

Und so glaube ich, dass wirtschaftliche Triebkräfte hier sehr stark sind, aber es handelt sich dabei um ein sehr unkonventionelles Argument. Die Sichtweise in der industrialisierten Welt - die Sicht des Chatham House, des Council on Foreign Relations - ist durchaus verschieden. Deren Sicht ist: Russland ist klein, relativ unbedeutend und sie sind bankrott, es wird viel Wind gemacht und wir müssen uns nicht besonders darum kümmern. Und die Ereignisse in der Ukraine sind spezifisch, örtlich begrenzt und isoliert vom Rest der Welt; es ist kein Teil einer größeren Gesamtstrategie. Dagegen glaube ich sehr wohl, dass es dies ist, und dass wir Russlands Aktivitäten in der Arktis, entlang der gesamten Grenze Westeuropas, bis hinunter ans Mittelmeer und zum Schwarzen Meer genau beobachten sollten. Es geht nicht nur um die Ukraine.

Man glaubt zwar, es handele sich um eine wichtige Entwicklung, aber nicht unbedingt um eine bedrohliche. Zum Beispiel arbeiten Russland und China gemeinsam daran, die Rolle des US-Dollar zu verringern und den Gebrauch von Renminbi und Rubel zu fördern, besonders in aufstrebenden Märkten. Die Amerikaner sind sich dieses Themas nicht einmal richtig bewusst, da sie so USzentriert sind, sie registrieren nicht einmal richtig, dass irgendjemand etwas anderes als einen Dollar gebrauchen will; aber was Russland und China anbetrifft, so sind diese in gewisser Weise ungläubig und erstaunt, weil die USA mehr ausgeben als sie einnehmen, und diejenigen, welche die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen - welche wir das Leistungsbilanzdefizit nennen - schlossen, das waren Russland und China.

Wenn diese also aufhören, US-Schuldverschreibungen zu kaufen und in US-Dollar zu handeln, wird dies möglicherweise eine große Wirkung haben; aber es ist seltsam, dass die US-Seite das nicht registriert. Alles in allem verschlechtert sich der Dialog zwischen den USA, Russland und China. Jeder kann diese Verschlechterung spüren. Aber sie alle streiten darüber, was die Gründe dafür sind, und deshalb auch darüber, was die Lösungen sind.


Lars Schall: Was glauben Sie ist der Grund dafür, dass China und Russland in großen Mengen Gold kaufen, und warum findet das keine größere Aufmerksamkeit im Mainstream der westlichen Finanzpresse?

Philippa Malmgren: Ich halte das für eine sehr interessante Geschichte. Dies führt uns zurück auf die Strategie der Quantitativen Lockerung in den USA und im Westen, die dazu erdacht wurde, mehr Inflation zu erzeugen. Deren Sicht ist also: Es gibt eine lange Geschichte der Vereinigten Staaten, in der sie Inflation als ein Mittel genutzt haben, ihre Schulden nicht zu begleichen; so haben die Amerikaner die Amerikanische Revolution bezahlt, so haben die Amerikaner den Bürgerkrieg bezahlt, so haben sie den Vietnamkrieg bezahlt und das Great-Society-Programm. Und so haben wir es mit einem Schuldenproblem zu tun, das mindestens so schlimm, wenn nicht schlimmer, ist, als diese vorherigen Schuldenlasten, und es kommt daher nicht überraschend, dass die USA in Richtung Inflation als Ausweg tendieren.

Und daher ist die Sichtweise in Russland und China: Wir sollten besser Sachwerte besitzen. Ich würde noch weiter gehen und sagen, dass für die Chinesen folgende Sichtweise gilt: Sie würden gern als mit der einen festen Währung dastehen in einer Welt, in der jeder andere seine Währung entwertet, und deswegen erlauben Goldkäufe es ihnen zu sagen: "Seht ihr? Wir haben mehr Sachwerte hinter unserer Währung stehen als die Jungs in den USA." Für Russland, so glaube ich, sind die Goldkäufe nicht so sehr eine Kernstrategie wie für die Chinesen - es geht dabei mehr um die allgemeinen Schwierigkeiten des Dollar, und die politischen Spuren, welche mithilfe des US-Dollars gezogen werden.

Aber beide zusammen stellen sich auf den Standpunkt, dass die internationale ökonomische Nachkriegsordnung, welche eine US-Schöpfung mit dem US-Dollar in deren Herzen war, nicht mehr allen Mitgliedern gleich gut dient, und dass es daher vielleicht an der Zeit sei, eine neue Architektur für die internationale ökonomische Weltordnung zu schaffen, und diese sollte auf einer neuen Währung basieren, einer mehr goldbasierten Währung, und weniger auf den USA. Und das ist, von der Philosophie her, eine sehr wichtige Entwicklung in der Weltwirtschaft, und wir sollten alle darüber nachdenken, inwieweit dies brauchbar und praktikabel sein kann oder nicht. (57)


Der Westen sollte womöglich auch verstärkt über die Tatsache nachdenken, dass das physisch vorhandene, nicht bloß auf dem Papier existierende Gold in erklecklichem Maße gen Asien wandert. In den letzten Jahren werden für den Verkauf in den asiatischen Märkten große Barren von 400 Unzen, die aus westlichen Beständen kommen, in kleinere 1 Kilo schwere Barren umgeschmolzen. Auf diese Weise fanden 2013 "rund 2000 Tonnen Gold" den Weg nach Asien, 2014 waren es "zwischen 1060 und 1275 Tonnen Gold", und 2015 belief sich die Summe "zwischen 1136 und 1353 Tonnen Gold." Das heißt: im Zeitraum der Jahre 2013 bis 2015 verließen den Westen "ungefähr 4200 - 4600 Tonnen Gold" in Richtung Fernost. (58)

Ein Teil dieses Goldes wird höchstwahrscheinlich von westlichen Zentralbanken stammen, weswegen man sich nicht wundere, so sich deren Bestände zukünftig als kleiner entpuppen, als es die heutigen Bilanzen weismachen möchten.

Den ersten Teil dieses Artikels können Sie hier und den zweiten Teil hier lesen.


© Lars Schall



Quellenverweise siehe Original-PDF des Artikels zum Download.



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