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Auf dem Weg in die Rentner-Republik

24.09.2017  |  Manfred Gburek
Vor der Bundestagswahl haben alle Parteien in erster Linie Parolen von sich gegeben; danach gilt es, Realpolitik zu betreiben. Das gilt unabhängig vom Wahlausgang. Die Finanzen und besonders die Steuern werden schneller als allgemein erwartet in den Vordergrund rücken. Grund genug, den Blick nach vorn zu richten und an dem einen oder anderen Tabu zu rütteln.

Da wäre zunächst der unersättliche Staat: Zuletzt hat der Bund eine 30-jährige Anleihe mit einem Kupon von 1,5 Prozent und nur 1,7 Prozent Rendite aufgelegt. So etwas gab es noch nie, seit die Bundesrepublik existiert. Nebenbei bemerkt: Der österreichische Staat hat es fast zur selben Zeit sogar fertiggebracht, eine 100-jährige Anleihe mit 2,1 Prozent Rendite zu platzieren. Grund zum Jubeln, weil man jede Staatsanleihe, die uns eine Steuererhöhung zu ersparen hilft, willkommen heißen sollte?

Von wegen! Denn wo landen Anleihen? Nicht etwa in den Depots von Multimillionären oder -milliardären, sondern vor allem in Fonds, bei Lebensversicherungen, Versorgungswerken und ähnlichen Institutionen zur Altersvorsorge. Das heißt, letzten Endes tragen die kommenden Rentner, sofern sie zu den Kunden solcher institutioneller Anleger gehören, das Kursrisiko der Anleihen, und das nicht zu knapp. Berücksichtigt man noch den Kaufkraftschwund durch Inflation, bleibt unter dem Strich kein realer Ertrag übrig.

Nun könnte man meinen, die Basis der deutschen Altersvorsorge bestehe ja aus der gesetzlichen Rente, und die sei praktisch staatlich garantiert. Könnte man, sollte man aber lieber nicht. Denn die Deutschen leben im Durchschnitt viel länger als bei der Gründung des auf Umlagen beruhenden Rentensystems im Jahr 1957, und sie bekommen weniger Kinder als damals.

Umlagen, das bedeutet: Die Arbeitnehmer von heute zahlen nicht für ihre eigene Altersvorsorge in die Rentenkasse ein, sondern für die der Rentner. Oder um dies anhand eines Zahlenvergleichs zu veranschaulichen: In den 50-er und zum Teil noch in den 60-er Jahren bezogen Rentner im Durchschnitt zehn Jahre lang Rente, bevor sie starben; bis heute sind daraus 20 Jahre geworden - mit dramatisch steigender Tendenz.

Das alles schreit zwar zum Himmel und nach einer durchgreifenden Reform, aber stattdessen hat bislang jede Bundesregierung diesbezüglich nur Stückwerk abgeliefert. Zuletzt besonders schlimm, jedenfalls aus Sicht der meisten rechtschaffenen Bundesbürger: die Rente mit 63, ein vorgezogenes Wahlgeschenk. Die Folgen solchen Gewürges sind absehbar: Steuerzahler müssen zusätzlich ran. Dann ist Hauen und Stechen angesagt.

Zumindest so viel steht fest: Da alle Politiker an der Macht hängen und wiedergewählt werden möchten, wird es zu keiner durchgreifenden, mit größeren finanziellen Opfern für Rentner verbundenen Reform des Rentensystems kommen können, sondern nur zu Stückwerken mit vielen Ausnahmen. Eines steht jedenfalls schon jetzt fest: Das riesige Wählerpotenzial der Rentner wird sich kein Politiker verscherzen wollen. Folglich ist damit zu rechnen, dass neben dem vielen Geld aus der Platzierung von Anleihen auch immer mehr Steuergeld in die Rentenkasse fließen dürfte.

Aber woher nehmen? Da Steuererhöhungen unpopulär sind, wird es sie nur dort geben, wo sie Minderheiten betreffen. Das heißt, die kommende Koalition - egal, wie sie sich zusammensetzt - dürfte einen Angriff auf Kapitalanleger, Erben und Vermieter starten. Die Ausgestaltung im Detail wird von der Zusammensetzung der Koalition abhängen. Von Fall zu Fall ist Murks zu erwarten, sei es bei der Reform der Abgeltungsteuer, die im Mittelpunkt ideologischer Debatten steht, sei es bei der Mietpreisbremse, deren wortreiche Diskussion nicht minder ideologisch aufgeheizt ist.

Nun folgt ein erweiterter Abstecher in die Welt der Anleihen, weil sie neben den Steuern das Grundgerüst der Staatsfinanzierung bilden und weil man von ihrer Entwicklung viel lernen kann. Die eingangs erwähnte 30-jährige Bundesanleihe mit dem Kupon von lediglich 1,5 Prozent sollte uns allen über die genannten Probleme hinaus zu denken geben.


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