"Crash-Faktor" Zins
30.10.2017 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Der Aufschwung der Weltwirtschaft geht weiter: Die Produktion wächst, die Beschäftigung nimmt zu. Die Aktienmärkte boomen. All das vollzieht sich jedoch unter höchst ungewöhnlichen Umständen: Die Zentralbanken halten die Kurz- und Langfristzinsen seit geraumer Zeit auf extrem niedrigen Niveaus. Vor allem aber haben sie ein "Sicherheitsheitsnetz" unter das Finanzsystem gespannt, das die Risikosorgen der Marktteilnehmer eingeschläfert, wenn nicht sogar vertrieben hat. (1) Das Wohl und Wehe der Konjunkturen und Finanzmärkte hängt daher mehr denn je von der Geldpolitik ab. Der weitere Gang der Geldpolitiken verdient daher besondere Aufmerksamkeit.
In den letzten zwei Wochen sind die kurzfristigen US-Zinsen weiter in die Höhe geklettert. Beispielsweise liegt der Zins für zweijährige US-Staatpapiere bei knapp 1,60 Prozent - am Jahresanfang waren es noch 1,20 Prozent. Was sind die Gründe? Die US-Konjunktur - schenkt man den offiziellen Zahlen Glauben - hat längst wieder Tritt gefasst, und das hat vermutlich die Investoren veranlasst zu erwarten, die US-Zentralbank (Fed) werde auf die verbesserte Wirtschaftslage reagieren und ihren Leitzins (er liegt derzeit in einer Bandbreite von 1,0 bis 1,25 Prozent) im Dezember weiter anheben (um vermutlich weitere 0,25 Prozentpunkte).
Möglicherweise hat aber auch die Spekulation über die Nachfolge von Janet L. Yellen, die Chefin der Fed, deren Amtszeit im Februar 2018 ausläuft (und vermutlich nicht erneuert wird), eine Rolle für den Auftrieb der US-Kurzfristzinsen gespielt. Im Gespräch als Nachfolger sind US-Präsident Donald Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn, der frühere Notenbanker Kevin Warsh, Fed-Mitglied Jerome "Jay" Powell und der Wirtschaftsprofessor John Taylor aus Stanford. Ob und wie sie als Fed-Chef den Kurs der US-Zentralbank beeinflussen würden, ist schwierig abzuschätzen und schafft ein gewisses Maß an Verunsicherung.
Blickt man auf die jüngste Bewegungen in den US-Zinsmärkten, so ist eines besonders auffällig: Die kurzfristigen US-Zinsen sind zwar seit etwa Mitte 2013 gestiegen - und der US-Leitzins steigt ebenfalls seit Dezember 2015 -, aber der Abstand zwischen den US-Langfristzinsen und -Kurzfristzinsen ist nach wie vor rückläufig - und hat mittlerweile den tiefsten Stand seit 2010 erreicht. Mit anderen Worten: Die USZinskurve wird flacher. Das wiederum kann für die Konjunktur und die Aktienmärkte zum ernsten Problem werden. Denn bei einer flachen Zinskurve wird der Kredit knapper.
Eine flache Zinskurve macht es für Banken weniger attraktiv, Kredite zu vergeben: Sie verdienen weniger (oder gar nichts mehr) aus der Fristentransformation, das heißt von der Vergabe langlaufender Kredite, die mit kurzlaufenden Mitteln finanziert werden. Ebbt aber der Zustrom von neuen Bankkrediten ab, so gerät die Konjunktur ins Straucheln. Schließlich ist sie abhängiger denn je von einem fortwährenden Zuwachs der Kredit- und Geldmengen, bereitgestellt zu sehr niedrigen Zinsen. Anders gesprochen: Treten die Banken auf die "Kreditbremse", ist der Aufschwung gefährdet, wird es an den Finanzmärkten ungemütlich.
Störfaktor Zins
Der Zins nimmt auf vielen Wegen Einfluss auf das Wirtschafts- und Finanzmarktgeschehen. Zwei seien beispielhaft hervorgehoben. (1) Senkt die Zentralbank den Zins stark ab, wird die Kreditfinanzierung attraktiver. Auf Pump finanzierte Konsum- und Investitionsausgaben nehmen zu, und das erhöht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Die Konjunktur zieht an. (2) Fällt der Zins, steigen zudem die Barwerte und damit die Preise von zum Beispiel Aktien, Häusern und Grundstücken. Die Marktakteure fühlen sich "reicher". Zusätzlich verbilligen hohe Aktienkurse die Eigenkapitalfinanzierung für Unternehmen, und das erleichtert den Firmen das Finanzieren von risikoreichen Investitionen.
Quelle: Thomson Financial
In den letzten zwei Wochen sind die kurzfristigen US-Zinsen weiter in die Höhe geklettert. Beispielsweise liegt der Zins für zweijährige US-Staatpapiere bei knapp 1,60 Prozent - am Jahresanfang waren es noch 1,20 Prozent. Was sind die Gründe? Die US-Konjunktur - schenkt man den offiziellen Zahlen Glauben - hat längst wieder Tritt gefasst, und das hat vermutlich die Investoren veranlasst zu erwarten, die US-Zentralbank (Fed) werde auf die verbesserte Wirtschaftslage reagieren und ihren Leitzins (er liegt derzeit in einer Bandbreite von 1,0 bis 1,25 Prozent) im Dezember weiter anheben (um vermutlich weitere 0,25 Prozentpunkte).
Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen
Möglicherweise hat aber auch die Spekulation über die Nachfolge von Janet L. Yellen, die Chefin der Fed, deren Amtszeit im Februar 2018 ausläuft (und vermutlich nicht erneuert wird), eine Rolle für den Auftrieb der US-Kurzfristzinsen gespielt. Im Gespräch als Nachfolger sind US-Präsident Donald Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn, der frühere Notenbanker Kevin Warsh, Fed-Mitglied Jerome "Jay" Powell und der Wirtschaftsprofessor John Taylor aus Stanford. Ob und wie sie als Fed-Chef den Kurs der US-Zentralbank beeinflussen würden, ist schwierig abzuschätzen und schafft ein gewisses Maß an Verunsicherung.
Blickt man auf die jüngste Bewegungen in den US-Zinsmärkten, so ist eines besonders auffällig: Die kurzfristigen US-Zinsen sind zwar seit etwa Mitte 2013 gestiegen - und der US-Leitzins steigt ebenfalls seit Dezember 2015 -, aber der Abstand zwischen den US-Langfristzinsen und -Kurzfristzinsen ist nach wie vor rückläufig - und hat mittlerweile den tiefsten Stand seit 2010 erreicht. Mit anderen Worten: Die USZinskurve wird flacher. Das wiederum kann für die Konjunktur und die Aktienmärkte zum ernsten Problem werden. Denn bei einer flachen Zinskurve wird der Kredit knapper.
Eine flache Zinskurve macht es für Banken weniger attraktiv, Kredite zu vergeben: Sie verdienen weniger (oder gar nichts mehr) aus der Fristentransformation, das heißt von der Vergabe langlaufender Kredite, die mit kurzlaufenden Mitteln finanziert werden. Ebbt aber der Zustrom von neuen Bankkrediten ab, so gerät die Konjunktur ins Straucheln. Schließlich ist sie abhängiger denn je von einem fortwährenden Zuwachs der Kredit- und Geldmengen, bereitgestellt zu sehr niedrigen Zinsen. Anders gesprochen: Treten die Banken auf die "Kreditbremse", ist der Aufschwung gefährdet, wird es an den Finanzmärkten ungemütlich.
Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) US: 10-Jahreszins minus 2-Jahreszins. Graue Fläche: Phasen, in denen der Langfristzins niedriger als der Kurzfristzins gefallen ist.
Störfaktor Zins
Der Zins nimmt auf vielen Wegen Einfluss auf das Wirtschafts- und Finanzmarktgeschehen. Zwei seien beispielhaft hervorgehoben. (1) Senkt die Zentralbank den Zins stark ab, wird die Kreditfinanzierung attraktiver. Auf Pump finanzierte Konsum- und Investitionsausgaben nehmen zu, und das erhöht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Die Konjunktur zieht an. (2) Fällt der Zins, steigen zudem die Barwerte und damit die Preise von zum Beispiel Aktien, Häusern und Grundstücken. Die Marktakteure fühlen sich "reicher". Zusätzlich verbilligen hohe Aktienkurse die Eigenkapitalfinanzierung für Unternehmen, und das erleichtert den Firmen das Finanzieren von risikoreichen Investitionen.