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Von der Finanzmarktgeschichte langfristig profitieren

27.11.2006  |  Redaktion
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Die Buy-and-Hold-Strategie

Nahezu alle Investmentfonds und sämtliche Indexfonds bekennen sich ganz bewusst zu dem hier beschriebenen Credo langfristig immer steigender Aktienkurse. Sie haben für sich und ihre Kunden daraus sogar eine Anlagestrategie gemacht, die Buy-and-Hold-Strategie. Diese geht davon aus, dass die Märkte nicht erfolgreich "getimed" werden können. Es sei also vergebliche Liebesmühe, das Auf und Ab der Börsen prognostizieren zu wollen. Die einzig sinnvolle Strategie bestehe darin, immer investiert zu sein. Eine große Stütze erfuhr diese Sichtweise auch von akademischer Seite, wo die so genannte Random-Walk-Hypothese große Popularität erlangt hat.

Bis vor kurzem wurde in den Wirtschaftswissenschaften nahezu unisono die Random-Walk-Hypothese vertreten. Sie postuliert, dass Aktienkurse einem reinen Zufallsprinzip folgen. Märkte seien effizient und beinhalteten alle für die Kursfindung relevanten Informationen. Folglich seien Aktien immer fair bewertet. Um zu diesem erstaunlichen Resultat zu gelangen, müssen die Wissenschaftler unter anderem von stets rational handelnden Anlegern ausgehen, die wiederum wissen, dass alle Anleger rational handeln und das auch wissen usw.

Das ist natürlich Unsinn. Die Welt, in der wir leben und handeln, wird von Menschen bevölkert, die bestenfalls gelegentlich rational handeln und ansonsten von Emotionen beherrscht werden. Dennoch erlangte die Random-Walk-Hypothese, mit der sich jeder Ökonomiestudent herumschlagen muss, großen Einfluss. Unter Praktikern riefen die mit erheblichem statistischen Aufwand und Know-how erstellten Studien, die diese These untermauern sollten, gewöhnlich nur ungläubiges Kopfschütteln, gelassenes Achselzucken oder ein mildes Lächeln hervor.

Zu unrealistisch waren die zugrunde liegenden Annahmen und zu offensichtlich waren die oft lang anhaltenden Trends an den Aktienmärkten, mit deren Hilfe eine kleine Schar professioneller Trader in der Lage war, dauerhaft Geld zu verdienen. Zu offensichtlich waren aber auch die Einflüsse geldpolitischer Veränderungen auf die Entwicklung der Börsenkurse, um aus ihnen keine geldwerten Schlüsse zu ziehen. Insbesondere ließ sich die sowohl theoretisch als auch empirisch fundierte Tatsache kaum leugnen, dass Aktienkäufe in Zeiten fundamentaler Unterbewertung längerfristig - das heißt auf Sicht von 10 bis 20 Jahren - hervorragende Ergebnisse erzielten. In Zeiten fundamentaler Überbewertung hingegen führten Aktienkäufe zu signifikant schlechteren Ergebnissen.

Erst in den vergangenen Jahren begann die Front der Verfechter der Random-Walk-Hypothese zu bröckeln. Mittlerweile scheint sich auch im Wissenschaftsbetrieb eine Sichtweise durchzusetzen, die zahlreichen Praktikern längst vertraut ist und ihr Tagesgeschäft bestimmt: Die Börsenkurse kommen nicht zufällig zustande, sondern folgen ebenso wie zahlreiche andere ökonomischen Größen wie beispielsweise die Unternehmensgewinne einem ganz bestimmten Muster. Sie bewegen sich in teilweise großen und lang anhaltenden Schwüngen um einen langfristigen Trend oder Mittelwert herum, sie sind "mean reverting". Diese Erkenntnis sollten Sie als Anleger unbedingt verinnerlichen, sie ist für die richtige Einschätzung der Märkte von unschätzbarem Wert.


Die Finanzmärkte ticken anders - lassen Sie sich nicht verführen

Normalerweise führen Preissteigerungen zu einem nachlassenden Kaufinteresse. Sie kennen das beispielsweise vom Wochenmarkt. Wenn die leckeren Ananas, Mangos oder Äpfel einen bestimmten Preis überschreiten, dann zucken Sie beim Kauf zurück. Vielleicht tut’s eine gerade recht billige Banane oder eine Schale Erdbeeren angesichts der hohen Preise ja auch.

Ganz anders reagieren die Marktteilnehmer der Finanzmärkte auf steigende Preise. Je länger der Trend steigender Preise anhält, je höher die Kurse klettern, desto unwiderstehlicher wird der Drang zu kaufen. Vielleicht haben Sie sich selbst schon dabei erwischt, eine Aktie monatelang beim Steigen beobachtet zu haben, immer in der Hoffnung, sie vielleicht etwas billiger kaufen zu können. Dann plötzlich halten Sie den Druck des vergeblichen Abwartens und Zuschauens nicht mehr aus. Ihre Idee war doch richtig, die Aktie attraktiv, die Kurse steigen täglich - und jetzt schreibt auch noch Ihre Tageszeitung, warum Sie diese Aktie haben müssen. Sie kaufen, obwohl die Aktie sich von Ihrem ursprünglich ins Auge gefassten Kaufkurs bereits verdoppelt hat.

Der Drang zu kaufen, dabei zu sein, auch zu der immer größer und lauter werdenden Schar von Gewinnern zu gehören wird fast unwiderstehlich. In diesem wichtigen Punkt sind die Finanzmärkte ganz anders als die übrigen Lebensbereiche. Je höher und länger die Preise steigen, desto lauter und schöner werden die Sirenengesänge.

Auf diese Art und Weise führen steigende Kurse zu vermehrtem Kaufinteresse. Die Hausse nährt die Hausse, pflegen Börsianer schon seit ewigen Zeiten zu scherzen. Dieser Mechanismus ist es, der immer wieder, Zyklus für Zyklus, zu erheblichen Übertreibungen nach oben führt. Auf dem anschließenden, unvermeidlichen Weg nach unten wird dieses von der Gier genährte Anlegerverhalten von Angst abgelöst. Ebenso wie die Gier ist auch diese emotionale Triebfeder menschlichen Handelns ansteckend. Allerdings breitet sich das Virus der Angst an den Märkten sehr viel schneller aus als das der Gier. Deshalb sind Abwärtsbewegungen gewöhnlich schneller, kürzer und schärfer als Aufwärtsbewegungen.


... halten Sie sich an die Regeln

Als Anleger sollten Sie sich über die Rolle von Emotionen an den Märkten stets bewusst sein. Das Wissen allein genügt allerdings nicht. Sie müssen zusätzlich sicherstellen, dass in Zeiten hoch emotionaler Marktphasen Ihr Handeln weiterhin rationalen Regeln folgt und Sie nicht von dem Virus angesteckt werden. So wie Odysseus sich an den Mast seines Schiffes binden ließ, um den Sirenengesängen widerstehen zu können, müssen Sie sich an der Börse ehernen Regeln unterwerfen, um auch in der Hitze des Gefechts richtige Entscheidungen zu treffen.

Mit den Empfehlungen, wozu ausdrücklich auch die Stop Loss-Marken für die einzelnen Positionen gehören, besitzen Sie ein einfach zu handhabendes Instrument für eine disziplinierte Anlagestrategie. Ich werde Ihnen bei der Auswahl der richtigen Werte, dem Setzen sinnvoller Stop Loss-Marken und dem Erkennen von Trends und Trendwenden helfen. Die Umsetzung meiner Vorschläge liegt aber ausschließlich in Ihren Händen.


Fundamentale Aktienanalyse ist wichtig

Langfristig bestimmen die Unternehmensgewinne den Wert eines Unternehmens. Folglich ist die sicherlich bekannteste fundamentalanalytische Kennzahl der Aktienbewertung das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Um diese Kennzahl zu erhalten wird einfach nur der aktuelle Kurs einer Aktie ins Verhältnis zum Gewinn pro Aktie dieses Unternehmens gesetzt. Dabei beachte ich nur das KGV, das auf den tatsächlich ausgewiesenen Unternehmensgewinnen der vergangenen zwölf Monate nach GAAP (Generally Accepts Accounting Principles) basiert. Die auf diese Weise ermittelten Unternehmensgewinne folgen klar definierten Regeln und schränken den Spielraum bei der Gewinnermittlung deutlich ein. Außerdem basieren alle mir bekannten historischen KGVZeitreihen auf dieser Art der KGV-Berechnung. Historische Vergleiche sind also nur mit dieser KGV-Variante möglich.

Betrachten wir nun das KGV der im S&P500 zusammengefassten Unternehmen. Ein Blick auf die Grafik zeigt, dass das KGV in den vergangenen hundert Jahren erheblichen Schwankungen unterlag. Es gab Zeiten, in denen das KGV einstellig war, und solche, in denen es auf über 20 stieg. Während der vermutlich größten Aktienspekulationsblase aller Zeiten Ende der 1990er Jahre brach das KGV alle bis dahin gesehenen Rekorde und stieg auf über 30 an.

Historisch gesehen waren langfristig höchst attraktive Zeitpunkte zum Aktienkauf durch einstellige KGV gekennzeichnet, langfristig extrem unattraktive durch KGV von 20 oder mehr. Dieses Ergebnis ist natürlich kein Zufall. Langfristig sind die Unternehmensgewinne um 6% per annum gestiegen, natürlich unter großen zyklischen Schwankungen. Dieses Gewinnwachstum spiegelt sich tatsächlich in den Aktienkursen wider - aber eben nicht ausschließlich.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Bereitschaft der Anleger, Risiken zu tragen. Wie viel Geld sind sie für einen unsicheren Ertrag bereit zu zahlen? Manchmal wenig, dann sind die KGVs niedrig, manchmal viel, dann sind die KGVs hoch. Als im Sommer 1982 die große Hausse der 80er- und 90er-Jahre begann, betrug das KGV des S&P 500-Index nur sieben. Heute beläuft es sich auf knapp 20, ist also fast drei Mal so hoch. Bezogen auf das Kursniveau von 1982 erklärt allein diese Steigerung des KGV eine Verdreifachung der Kurse. Umgekehrt würde eine Rückkehr der Anleger zu ihrer risikoscheuen Haltung von 1982, die einem KGV von sieben entspricht, eine Drittelung des aktuellen Kursniveaus bewirken.

Ein großer Teil der überdurchschnittlichen Kursgewinne der vergangenen 25 Jahre hat also nichts mit der Gewinnentwicklung der Unternehmen zu tun, sondern ausschließlich mit der Bereitschaft der Anleger, für diese Gewinne dreimal mehr zu zahlen als 1982. Wenn wir nun ganz optimistisch davon ausgehen, dass die sehr hohen KGVs dauerhaft Bestand haben werden, können wir aufgrund des langfristigen Gewinnwachstums von 6% per annum als alleinige Triebfeder künftiger Kursgewinne nicht mit einer Fortsetzung der außergewöhnlich positiven Aktienmarktperformance der vergangenen 25 Jahre rechnen. Kaum auszudenken, wenn die KGVs in den kommenden Jahren fallen würden, womöglich gar in den Bereich ihrer unteren historischen Begrenzung.

Die Unternehmensgewinne können entweder an die Aktionäre ausgeschüttet oder vom Unternehmen investiert werden. Im ersten Fall erhält der Aktionär in Form einer Dividende einen handfesten Ertrag auf sein Investment. Im zweiten Fall werden hoffentlich die künftigen Gewinne des Unternehmens gesteigert, die wiederum höhere künftige Ausschüttungen ermöglichen.

Damit sind wir bei der zweiten klassischen fundamentalen Kennzahl angekommen, der Dividendenrendite. Auch sie durchlief in der Vergangenheit heftige Schwankungen. Langfristig sehr attraktive Einstiegspunkte an der Börse wurden von Dividendenrenditen von mindestens 6% begleitet. Langfristig unattraktive Börsenzeiten wurden durch Dividendenrenditen von weniger als 3 bis 4% signalisiert. Auch bei dieser historisch bewährten Kennzahl wurden Ende der 90er-Jahre neue Rekorde aufgestellt, als die Dividendenrendite auf unter 3% sank. Anfang 2000, am Hochpunkt der Spekulationsblase, belief sich die Dividendenrendite selbst im Dow Jones Industrial Average auf äußerst magere 1,4%. Fünf Jahre später liegt sie mit rund 2% noch immer in einem Extrembereich.

Sie sollten die oben genannten Grenzwerte von KGV und Dividendenrendite kennen. Sie sagen Ihnen, ob die Aktienmärkte langfristig attraktiv sind oder eben nicht.





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