Von der Finanzmarktgeschichte langfristig profitieren
27.11.2006 | Redaktion
- Seite 4 -
Der US-PräsidentenzyklusSchwieriger und teilweise sehr dubios ist die durchaus weit verbreitete Zyklusbetrachtung der Börse, die gleichmäßige Zeitabstände unterstellt. Diese Disziplin der technischen Analyse hat mich bisher nicht überzeugen können - mit einer Ausnahme. Es gibt den erstaunlich akkuraten 4-Jahres-Zyklus an der Börse, der auch Präsidentenzyklus genannt wird. Er spiegelt vermutlich die für Politiker typische Vorgehensweise wider, ihren Wählern in den ersten beiden Jahren einer Amtsperiode die bitteren Pillen zu verabreichen. Danach hat der Wählerstimmenfang absolute Priorität und langfristig sinnvolle, aber kurzfristig schmerzhafte Maßnahmen haben keine Chance mehr.
Ein Blick auf die Grafik, die den 4-Jahres-Zyklus anhand des Kursverkaufs des S&P500 Index zeigt, muss selbst skeptische Betrachter in Erstaunen versetzen. Mit schöner Regelmäßigkeit kam es in der Nachkriegszeit alle 4 Jahre zu einer zumindest mittelfristig sehr attraktiven Kaufgelegenheit. Das nächste 4-Jahres-Tief dieses Zyklus ist im Herbst dieses Jahres fällig. Wird es uns dieses Mal erspart bleiben?
Selbst wenn Aktien langfristig immer steigen würden, muss es für Sie nicht richtig sein, immer voll investiert zu sein. Die Abwärtsphasen sind einfach viel zu lang und bescheren Ihnen unter Umständen sehr deutliche Kursverluste, von denen Sie sich in Ihrem vielleicht nicht ganz so langfristigen Leben kaum noch erholen können.
Der Kursverfall von DAX, NASDAQ oder gar Neuer Markt in den Jahren 2000 bis 2003 demonstrieren diese Aussage vortrefflich. Trotz der zwischenzeitlich eingetretenen erheblichen Kurserholungen wären Sie seit Ende der 90er Jahre selbst mit einem Sparbuch besser gefahren. Allerdings hätten Sie Ihre bescheidenen Anlageergebnisse in diesem Fall ohne die Aufregungen der Börse erzielen können.
Die obige Statistik legt natürlich den Gedanken nahe, dass die längerfristige Abwärtsphase an den europäischen und amerikanischen Aktienmärkten noch nicht vorüber ist. Sie begann bekanntlich im Jahr 2000. Die Tiefstkurse wurden bereits im ersten Quartal 2003 erreicht. Damit wäre dieser jüngste Abwärtstrend nur drei Jahre alt geworden. Historisch gesehen, ist dies ein bisher einmaliger, extrem kurzer Zeitraum. Zwar ist an der Börse nichts unmöglich, aber es gibt einen schwer wiegenden Grund, der ganz massiv gegen ein Ende dieser Abwärtsphase spricht: die fundamentale Bewertung, der ich mich anschließend etwas ausführlicher widmen werde.
Die hier beschriebenen längerfristigen Trends lassen sich übrigens nicht nur an den Aktienmärkten beobachten. Auch andere Anlageklassen weisen Zyklen auf, die viele Jahre dauern. Ob Immobilien, Gold, Rohstoffe oder Anleihen: Alle Märkte sind gekennzeichnet durch das langfristige Auf und Ab der Preise. Dabei waren die Zyklen bei Zinsen und Rohstoffen in der Vergangenheit sogar noch länger als an den Aktienmärkten. 20 bis 30 Jahre waren bei Rohstoffen und Zinsen die Regel. Für Sie ergeben sich daraus zwei überaus wichtige Erkenntnisse:
1. Die Rohstoffhausse hat langfristig noch viel Potenzial
Etwa um die Jahrtausendwende begann bei den unterschiedlichsten Rohstoffen nach einer rund 20-jährigen Abwärtsphase ein langfristiger Aufwärtstrend. Historisch gesehen steckt dieser jetzt rund sechs Jahre alte Trend noch in den Kinderschuhen. Stellen Sie sich also auf weiterhin steigende Rohstoffpreise ein. Vermutlich sind die Preissteigerungen der vergangenen Jahre erst ein Vorgeschmack dessen, was uns noch erwartet. Im Verlauf langfristiger Trends erleben regelmäßig selbst die bullishsten Experten noch positive Überraschungen. Was uns aufgrund der heutigen Datenlage als völlig utopisch erscheinen mag, wird später von der Realität noch übertroffen.
Ein hervorragendes Beispiel für diese Aussage lieferte die große US-Aktienhausse, die im Sommer 1982 begann und 18 Jahre anhielt. Ende der 70er Jahre gab es nur eine Handvoll extrem optimistischer Börsenstrategen. In Deutschland gehörte dazu übrigens mein Co-Autor und als Crashprophet bekannt gewordener Freund Roland Leuschel, in den USA der bekannte Elliott Wellen-Analyst Robert Prechter. Letzterer wagte damals die weithin verlachte Prognose, dass sich der bei unter 800 Punkten notierende Dow Jones Industrial Average in den kommenden Jahren mehr als verdreifachen würde. Der Index verdreifachte sich nicht nur wie von Prechter prognostiziert, er verfünfzehnfachte sich im Lauf einer alle Rekorde brechenden langfristigen Aufwärtsphase.
2. Stellen Sie sich auf Inflation und steigende Zinsen ein
Weltweit sind die Anleihemärkte seit 1980 im Rahmen eines langfristigen Aufwärtstrends deutlich gestiegen und die Zinsen entsprechend gefallen. Die Inflationsraten, die Ende der 70er und Anfang der 80er teilweise im zweistelligen Bereich lagen, kamen ebenfalls deutlich zurück. Ein Ende dieses langfristigen und weltweiten Trends zeichnet sich bereits relativ deutlich ab. In Japan fielen die Zinsen 10-jähriger Staatsanleihen im Jahr 2003 auf ein Rekordtief von etwa 0,5%. Seither haben sie sich mehr als verdreifacht. Auch in den USA erreichten die Anleihezinsen im Jahr 2003 ihren Tiefpunkt. Seither haben sie sich unter relativ kleinen Schwankungen seitwärts bewegt. Aus charttechnischer Sicht hat sich dabei eine mächtige Trendumkehrformation gebildet, aus der die Kurse kürzlich sehr dynamisch nach oben ausgebrochen sind. Damit wurde der Beginn eines langfristigen Aufwärtstrends der Anleihezinsen signalisiert. Lediglich in Europa wurden die Tiefs des Jahres 2003 im vergangenen Jahr sogar noch unterboten.
Dennoch ergibt sich auch hier das Bild einer mächtigen Bodenbildung. Diese von den Anleihemärkten ausgehenden Signale einer wichtigen Trendwende passen perfekt zu den bereits etablierten Aufwärtstrends der Rohstoff- und Edelmetallpreise. Alle drei Bereiche senden Ihnen nunmehr unisono eine klare Botschaft: Inflation!
Der Wirtschaftszyklus beeinflusst Ihr Depot
Nachdem Sie mir bis hierher gefolgt sind und das große Auf und Ab von Wirtschaft, Aktienkursen und Preisen haben Revue passieren lassen, stellen Sie sich sicherlich die Frage, warum das so ist. Einige der klügsten Männer der Welt haben sich diese Frage natürlich auch gestellt. Ihre für das Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft wichtigen Antworten habe ich für Sie im Folgenden zusammengestellt.
Alle Jahre wieder kommen die so genannten Wirtschaftsweisen zu ihren Herren nach Berlin. Dort dürfen sie für einen kurzen Moment das Blitzlichtgewitter genießen, mit dem die Presse ihrem Auftritt öffentliches Gewicht verleiht. Hände drücken, Schultern klopfen, Schnittchen essen und natürlich politische Kontakte knüpfen, das ganze Gehabe moderner Politik-Beratung steht auf dem Programm. Der offizielle Höhepunkt ist natürlich die Überreichung des "Jahresgutachtens".
Eine Durchsuchung des als pdf-Dokument vorliegenden "Gutachtens" des Jahres 2004 nach dem Wort "Schock" zeigt nicht weniger als 218 Fundstellen. Damit trifft uns im Durchschnitt auf jeder fünften Seite des umfangreichen "Gutachtens" ein Schock. Wir lesen von Ölpreisschocks, Wechselkursschocks, Nachfrageschocks und Angebotsschocks, von Technologieschocks, Preisschocks und Geldmarktschocks, von Schockperioden gar, was immer das auch sein mag. Die Bedrohung scheint also immer irgendwie von außen zu kommen. Wie kann das sein, wo Wirtschaft und Gesellschaft doch bis auf ganz wenige Ausnahmen wie beispielsweise Naturkatastrophen das Ergebnis menschlichen Handelns sind? Da sich diese von Schocks geprägte Sichtweise der Welt nicht mit meinen Erfahrungen deckt, habe ich Mitte der 1990er Jahre begonnen, nach besseren Erklärungen zu suchen. Fündig wurde ich zunächst bei Joseph Schumpeter. Dieser große Ökonom entwarf vor rund 100 Jahren eine kapitalistische Entwicklungstheorie, die ohne externe Schocks bestehen kann.
Schumpeters Entwicklungstheorie
Im Zentrum dieses Modells stehen Unternehmer, rührige Menschen mit Ideen, Zielen und Plänen, und die von diesen Persönlichkeiten ersonnenen Innovationen. Letztere ermöglichen den Unternehmern das Abschöpfen so genannter Pioniergewinne, die gewissermaßen den pekuniären Anreiz für das kreative Tätigwerden darstellen. Bekanntlich schläft die Konkurrenz in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht, sondern sie beobachtet den ihr vertrauten Sektor sehr genau, um den Anschluss nicht zu verlieren. Auf diese Weise locken erfolgreiche Innovationen frühe Nachahmer an. Sie sorgen dafür, dass sich eine Neuerung am Markt schnell durchsetzt und ein Boom entsteht. Dieser wiederum erregt nun auch die Aufmerksamkeit jener potenziellen Unternehmer, die mit der boomenden Branche bisher wenig oder gar nichts zu tun hatten. Wir können sie die Spätkommer und Seiteneinsteiger nennen. Sie begehen einen typischen und systematischen Fehler, indem sie den Boom und die Pioniergewinne extrapolieren. Auf dieser falschen Voraussetzung aufbauend, verstärken sie den bestehenden Investitionsboom und bauen Fehl- bzw. Überkapazitäten auf. Sobald diese den Markt erreichen, nimmt der Konkurrenzdruck deutlich zu und die Preise beginnen zu fallen. Der Boom kommt zu einem harten Ende, ein Abschwung schließt sich an. Falls die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Innovation sehr groß ist, wird auch der Abschwung entsprechend umfangreich ausfallen. Man spricht dann von einer Rezession oder einer Depression.
Diese Theorie der durch Innovationen und typisches menschliches Handeln ausgelösten Auf- und Abschwünge der Wirtschaft konnten Sie - Stichwort Neuer Markt in Deutschland - um die Jahrtausendwende geradezu in Reinkultur beobachten. Allerdings beschreibt diese Theorie nur, anstatt zu erklären. Insbesondere drängt sich sofort die Frage auf, wieso es immer wieder zu massenhaften Fehlplanungen der Unternehmer kommt.
"Unternehmer sind doch im Unterschied zu vielen Politikern gewöhnlich weder blöd noch auf die gezielte Irreführung ihrer Kunden aus", werden Sie vielleicht einwenden. "Der von Schumpeter beschriebene Prozess ist einsichtig und klar, und zumindest manche Menschen sind lernfähig. Wieso sollen ausgerechnet die unternehmerisch denkenden, klugen und anpackenden Gestalter unserer Welt immer wieder massenweise wie die Lemminge Fehlentscheidungen treffen?"