Von der Finanzmarktgeschichte langfristig profitieren
27.11.2006 | Redaktion
- Seite 3 -
Nichts ist von Dauer: Reagieren, um zu überleben.Bekanntlich ist nichts von Dauer. Die Welt ist einem ständigen Wandel unterworfen. Das gilt im Großen wie im Kleinen, in langen Zeiträumen ebenso wie in kurzen. Manche Veränderungen, wie beispielsweise die Kontinentalverschiebung, ereignen sich in geologischen Zeiteinheiten. Für uns Menschen haben sie gewöhnlich keine aktuelle Bedeutung. Nur wenn die wirkenden Kräfte zu Erdbeben oder Vulkanausbrüchen führen, werden sie plötzlich auf dramatische Weise wichtig.
Auch Klimaveränderungen gab es schon immer. Prinzipiell gehören sie zu den externen Rahmenbedingungen, auf deren Veränderung Lebewesen reagieren müssen, wenn sie überleben wollen. Wo einst das Eis der Gletscher die Landschaft bedeckte und sie dabei neu formte, befinden sich heute Großstädte wie beispielsweise Berlin. Während das Ende einer Eiszeit in manchen bisher klimatisch bevorzugten Gebieten lebensfeindliche Wüsten entstehen ließ, eröffneten sich in anderen Landstrichen neue Möglichkeiten für anpassungsfähiges Leben.
Neue Ideen verändern unsere Welt
Krankheiten und technische Innovationen sind weitere Beispiele von Veränderungen, die unser Leben - zum Teil dramatisch - beeinflussen. Die verheerenden Pestepidemien in Europa illustrieren diese Aussage ebenso wie die von Europäern eingeschleppten Krankheiten bei der Eroberung Amerikas.
Nicht zuletzt verändern neue Ideen die Welt. So führte die relativ weitgehende Umsetzung des klassischen Liberalismus während des 19. Jahrhunderts zu einem bis dahin ungesehenen ökonomischen Aufschwung. Es wurde Wohlstand in einem Umfang geschaffen, den niemand zuvor für möglich gehalten hätte. Umgekehrt führte die Idee des Kommunismus zu unsäglichem Leid. Sie beeinflusste den Lauf der Geschichte im 20. Jahrhundert maßgeblich und brachte Millionen einfacher Bürger Not, Leid und Tod.
Neben diesen, letztlich das Schicksal der gesamten Menschheit beeinflussenden Veränderungen gab es eine fast unendliche Vielzahl kleinerer, eher regionaler Einflussfaktoren. Hierunter fallen das Entstehen von Großreichen und ihr Verfall ebenso wie Aufstieg, Blüte und Niedergang einzelner Länder, Regionen oder Städte. Auch die Entwikklung einzelner Industrien und die mit ihnen zusammenhängenden Verschiebungen in Wirtschaft und Gesellschaft zähle ich zu dieser Kategorie. Die Grenzen sind hier fließend.
Panta rhei, alles fließt. Das wussten schon die alten Griechen. Jedem, der jemals bewusst ein Geschichtsbuch zur Hand genommen hat, muss diese fundamentale Erkenntnis gekommen sein. Prinzipiell wissen wir das. Nur im hektischen Tagesgeschäft neigen wir dazu, es zu vergessen oder aus Bequemlichkeit schlicht zu verdrängen. Veränderung ist Normalität, Stabilität nur ein vorübergehender Zustand. In guten wie in schlechten Zeiten gilt das entweder tröstende oder zur Bescheidenheit mahnende Motto: "Auch das wird vorübergehen."
Beeinflussen Nachrichten die Börse?
An der Börse spielen alle hier genannten Einflussfaktoren und eine unendliche Vielzahl hier nicht explizit genannter eine große Rolle. Sie bilden ein extrem komplexes, unübersichtliches Geflecht. Warum die Kurse letztlich gestiegen oder gefallen sind, weiß niemand mit Sicherheit zu sagen. Dennoch müssen die bedauernswerten Börsenjournalisten jeden Tag so tun, als kennten sie die Triebfeder selbst kurzfristiger Kursbewegungen. Dabei bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als aus der Vielzahl täglich vorhandener Nachrichten diejenige auszuwählen, die ihrer Meinung nach zu dem aktuellen Kursverlauf am besten zu passen scheint. Dabei kommt es regelmäßig vor, dass dieselben Entwicklungen, die zu einem früheren Zeitpunkt für fallende Kurse verantwortlich gemacht wurden, plötzlich zur Rechtfertigung haussierender Börsen herangezogen werden.
Als kritischer Beobachter des Finanzmarktzirkus können Sie sich dann des Eindrucks nicht erwehren, dass viele der angeblich so wichtigen Nachrichten eigentlich belanglos sein müssen. So haben Sie in den vergangenen zwei, drei Jahren immer wieder gehört, wie schlecht die steigenden Ölpreise für die Börsen seien. Unbeeindruckt von dieser schönen und plausiblen Geschichte hat sich die Hausse dennoch fortgesetzt. Prompt titelte das Handelsblatt am 18. April 2006: "Ölpreis beflügelt deutschen Export" und unterstreicht diese Aussage noch mit einem Leitartikel, der die Überschrift "Segen teurer Rohstoffe" trägt.
Beispiele dieser Art gibt es zuhauf. Am besten, Sie machen sich einen Spaß daraus, die Widersprüche bewusst zu suchen. Auf diese Weise wird es Ihnen leichter fallen, den Sirenengesängen zu widerstehen und Ihrer Strategie treu zu bleiben.
Auf langfristige Aufwärtstrends folgen ebenso lange Abwärtstrends
Tatsache ist: Die Börsenkurse bewegen sich in großen Zyklen. Betrachten wir uns zur Illustration dieser Aussage eine Grafik, die die Entwicklung der amerikanischen Börsenkurse über einen langen Zeitraum zeigt. Sie stammt aus dem im Jahr 2000 erschienenen Buch "Stock Cycles. Why stocks won’t beat money markets over the next twenty years" von Michael A. Alexander. Zur Erinnerung: Wir sehen hier die Börsenentwicklung eines Landes, das eine der spektakulärsten Erfolgsgeschichten durchlaufen hat, die die Welt je sah. Dennoch verlief auch diese Erfolgsstory nicht ohne Brüche und empfindliche Rückschläge.
Die Grafik zeigt die Aktienkursentwicklung der USA in den vergangenen 200 Jahren. Dank der außergewöhnlichen Kontinuität der US-Geschichte liegen für dieses Land - im Unterschied zum zweimaligen Weltkriegsverlierer Deutschland - entsprechend langfristige Daten und Zeitreihen vor. Zur besseren Verdeutlichung der Zyklen sind die Aktienkurse sowohl um Dividendenzahlungen als auch um die Inflationsrate bereinigt.
Das Auf und Ab dauert jeweils viele Jahre
Wie nicht anders zu erwarten, zeigt der Kursverlauf von links unten nach rechts oben. Er spiegelt den Aufbau eines gewaltigen Kapitalstocks und den daraus resultierenden Wohlstand der Nation wider. Über den gesamten Zeitraum gerechnet stiegen diese bereinigten Aktienkurse um 6,8% per annum. Die Kursentwicklung war keineswegs stetig. Vielmehr schwankten die Kurse ganz erheblich um diesen langfristigen Trend von 6,8% p. a. herum. Auf Zeiten steigender Kurse folgten weniger erfreuliche Phasen, in denen die Börsenkurse kaum Fortschritte machten oder sogar mehr oder weniger deutlich fielen. Alexander unterscheidet für den betrachteten Zeitraum insgesamt 14 dieser Phasen oder Trends. Die Aufwärtsphasen dauerten zwischen acht und 20 Jahren und die Abwärtsphasen - zur Überraschung vieler - ebenfalls acht bis 20 Jahre.
Dieser Einteilung zufolge befand sich der US-Aktienmarkt nur ungefähr die Hälfte der gesamten Zeit in einem Aufwärtstrend. Die andere Hälfte war für Aktionäre also wenig erfreulich. Die Performance-Unterschiede in den beiden Phasen sind beträchtlich: Während der Aufwärtsphasen betrug sie stattliche 13,2% per annum, während der Abwärtsphasen aber nur 0,3%. Wer das Pech hatte, gegen Ende einer Aufwärtsphase einzusteigen, musste regelmäßig nicht nur viele Jahre warten, bis sein Investment sich halbwegs zu rentieren begann. Für gewöhnlich musste er zuvor ein tiefes Tal der Tränen durchschreiten und dabei zusehen, wie ein großer Teil seines Vermögens dahin schmolz.
Natürlich stiegen oder fielen die Kurse während dieser lang anhaltenden Trends nicht ununterbrochen. Vielmehr bestehen langfristige Trends selbst wiederum aus so genannten zyklischen Trends. Diese umfassen an den Aktienmärkten rund vier Jahre. In den USA sind diese 4-jährigen Zyklen unter dem Namen "US-Präsidentenzyklus" bekannt.