Ausblick auf 2018: Was übersehen die Optimisten?
21.12.2017 | Axel Merk
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Warum sollten wir uns also Sorgen machen? Während einer Diskussion über die optimistische Haltung eines Analysten bezüglich der Zukunftsaussichten zitierte Marktveteran David Kotok (Vorsitzender und CIO von Cumberland Advisors) kürzlich Ronald Reagan: "Ich werde seine Jugend und Unerfahrenheit ausnutzen. Wir werden sehen, ob er schwimmen kann."
Was ist es, das den Optimisten entgeht? Man muss übrigens gar kein Pessimist sein, um sich Sorgen zu machen. Risikoanlagen tragen diesen Namen aus einem ganz bestimmten Grund. Wenn Sie nicht beunruhigt sind, dann ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass Sie es sein sollten. Ein umsichtiger Investor managt sein Risiko.
Diese Aufgabe ist heute allerdings recht kompliziert geworden. Wir leben in einer Zeit, in der die Zentralbanken entscheidend zum Anstieg der Finanzkurse auf neue Höchstwerte beigetragen haben und in der die sogenannten risikofreien Anlagen nur geringe Erträge generieren - wenn sie überhaupt etwas abwerfen. Europäische Investoren haben das Problem, dass die Rendite vieler festverzinslicher Wertpapiere mit "Investment-Grade"-Rating negativ sind, nicht nur die Rendite zahlreicher Staatsanleihen.
Die gesamte Geldpolitik ist darauf ausgerichtet, höhere Risikobereitschaft zu fördern. Wenn es jedoch zu einem "Risk-off"-Ereignis kommt und die Risikoassets nach unten korrigieren, werden viele Investoren wahrscheinlich mehr Geld verlieren, als sie für möglich gehalten hatten. Wenn sie daraufhin ihre Portfolios entsprechend ihrer tatsächlichen Risikotoleranz neu ausrichten, könnte das eine Abwärtsbewegung der Märkte zusätzlich verstärken.
Unten hebe ich einige Faktoren hervor, die man als Anleger vielleicht besonders genau beobachten sollte. Die Hinweise sind nicht als Blick in die Kristallkugel gedacht, sondern als Anregungen zum Nachdenken.
Zuerst das Offensichtliche: Ein Glas, das als halb voll betrachtet wird, kann auch als halb leer angesehen werden. Auch wenn sich die Faktenlage nicht ändert, kann sich die Bewertung der Fakten ändern. Was einst als geniales Projekt galt, kann plötzlich als Fass ohne Boden angesehen werden.
Einige Marktbeobachter sind der Meinung, dass die zuletzt schlechtere Performance der Technologieaktien im Verhältnis zu anderen Sektoren darauf zurückzuführen ist, dass diese Unternehmen schon relativ niedrige Steuern zahlen und daher weniger von einer Senkung der Unternehmenssteuer profitieren würden als andere. Werfen wir also einen Blick auf den Kurschart der Wall-Street-Lieblinge. Ist der jüngste Rücksetzer eine weitere Kaufgelegenheit, oder liegt das Top bereits hinter uns?
Breiter aufgestellte Marktindices haben neue Allzeithochs erreicht, während sich diese zuvor führenden Werte nach unten gewendet haben. Andere Indikatoren der Marktbreite, deren Entwicklung wir stets im Auge behalten, spiegeln jedoch kaum Grund zur Besorgnis wieder.
Kommen wir zu einer Sache, die sich definitiv ändern wird: Das US-Steuersystem. Ich überlasse es den Profis, die Details der neuen Regelungen auseinanderzunehmen, aber ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Aspekt lenken, über den bislang nur wenig berichtet wurde: Der Reformvorschlag sieht eine Obergrenze für die Absetzbarkeit von Zinskosten vor. Das bedeutet unter Umständen, dass Hypothekenzinsen nur noch bis zu einem bestimmten Betrag von der Steuer abgesetzt werden dürfen, aber viel interessanter für die Finanzmärkte sind die entsprechenden Einschränkungen für Unternehmen.
Derzeit sieht es so aus, als könnten diese ihre Zinskosten künftig nur noch bis zu einer bestimmten Höhe von der Steuer absetzen, auch wenn es einige Ausnahmen gibt. Dadurch wird es für die Unternehmen weniger attraktiv, sich über Schulden zu finanzieren. Folglich werden sie sich stärker auf die Kapitalaufnahme an den Aktienmärkten konzentrieren. Geringere Schulden mögen vielleicht gute Nachrichten für die finanzielle Stabilität der Unternehmen sein. Gleichzeitig wird das Aktienangebot aber wahrscheinlich zunehmen und dadurch Abwärtsdruck auf die Kurse ausüben.
Die Steueroptimierungen zu Jahresende könnten in diesem Jahr ebenfalls eine neue Dimension erreichen. Große Studienstiftungen werden womöglich versuchen, die Kostenbasis ihrer Investments neu auszurichten, falls sie ihre Gewinne künftig versteuern müssen. In diesem Kontext ist es durchaus vorstellbar, dass die Weihnachtsrally an den Aktienmärkten in diesem Jahr schon ein bisschen früher stattfand - und bereits beendet ist.
Hinsichtlich der Geldpolitik hören wir überall, dass sich die US-Notenbank Federal Reserve unter dem neuen Vorsitzenden Jerome Powell nicht viel von der Fed unter Janet Yellens Leitung unterscheiden wird. Ich bin anderer Ansicht. Nach allem, was ich über Mr. Powell in Erfahrung gebracht habe, scheint er äußerst versiert in Sachen Bankenregulierung zu sein, aber unentschlossen in Hinblick auf die Geldpolitik.
Ich musste lange und genau suchen, um Originalquellen zu seinen geldpolitischen Ansichten zu finden. Das muss nicht schlecht sein, aber es deutet doch zumindest darauf hin, dass er sich bei der Festlegung des geldpolitischen Kurses auf andere verlassen wird - wahrscheinlich auf die Mitarbeiter der Fed und die Mitglieder des Offenmarktausschusses.