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Von den Schwierigkeiten, Krisen zu prognostizieren

13.05.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Zwei Überlegungen könnten helfen, um mit dem ungewissen Zukünftigen besser umzugehen. Erstens: Es gibt ökonomische Gesetzmäßigkeiten in dem Sinne, dass man die (qualitativen) Ergebnisse von Handlungen vorab wissen kann. Wenn beispielsweise die Geldmenge in der Volkswirtschaft ausgeweitet wird, fallen die Güterpreise höher aus - verglichen mit einer Situation, in der die Geldmenge nicht erhöht worden wäre.

Oder: Wenn die Zentralbank den Marktzins unter den natürlichen Zins senkt - und das geschieht, wenn die Geldbehörden neues Geld per Kreditvergabe in Umlauf bringen -, stellen sich Wirtschaftsstörungen ein, die auf Bereinigung (im Zuge einer Krise) drängen. Diese (und andere) ökonomischen Gesetzmäßigkeiten gelten immer und überall.

Zweitens: Die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten spielen sich nicht im luftleeren Raum ab, sondern sie wirken stets unter den vorherrschenden Bedingungen, den besonderen Umständen. Wenn beispielsweise die Geldmenge in der Volkswirtschaft ausgeweitet wird, gleichzeitig sich aber die Geldnachfrage in gleichem Ausmaß erhöht, werden die Güterpreise unverändert bleiben.

Oder: Wenn der natürliche Zins der Volkswirtschaft absinkt (weil zum Beispiel die Marktakteure optimistisch in die Zukunft blicken und mehr sparen), dann wird das Absenken des Marktzinses durch die Zentralbank weniger Schaden anrichten - verglichen mit einer Situation, in der der natürliche Zins gestiegen wäre (weil die Marktakteure ein pessimistischeres Bild von der Zukunft entwickeln).

Aus diesen Überlegungen lassen sich die folgenden Schlüsse ziehen: (1) Der Investor kann versichert sein, dass es im Bereich des menschlichen Handelns ökonomische Gesetzmäßigkeiten gibt, die immer und überall gelten, die hier und heute und auch morgen Geltung beanspruchen. (2) Wie aber sich die Wirkung der ökonomischen Gesetzmäßigkeiten in der Realität zeigt, hängt von den besonderen Umständen ab. Für den treffsicheren Prognostiker wäre es daher von ganz entscheidender Bedeutung zu wissen, wie die besonderen Umstände in der Zukunft aussehen, um sich ein Bild vom Wirken ökonomischer Gesetzmäßigkeiten machen zu können.

Was das konkret heißt, soll abschließend mit Blick auf die weltweite Fiat-Geldarchitektur verdeutlicht werden. - Das ungedeckte Papiergeldsystem sorgt für Ungleichgewichte. Es sorgt beispielsweise dafür, dass die Verschuldung immer weiter in Höhe steigt. Schon heute ist absehbar, dass ein (Groß-)Teil dieser Schulden nicht (auf ehrlichem Wege) zurückgezahlt werden kann. Ob und wann sich das in einer Krise entlädt, hängt - wie gesagt - von den besonderen Umständen ab.

Es ist durchaus denkbar, dass die Verschuldung noch weiter ansteigt, wenn: (i) die Nachfrage nach Schuldpapieren Schritt hält mit ihrem Angebot; (ii) es den Zentralbanken gelingt, die Zinsen und damit die Kreditkosten niedrig halten; (iii) die Zentralbanken bereit sind, Schuldpapiere zu kaufen, sollten private Investoren sie nicht mehr kaufen wollen; (iv) die Wachstumskräfte die Schuldentragfähigkeit der Volkswirtschaften verbessern. Wenn diese (und möglicherweise auch noch andere) Umstände vorherrschen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es zu einer (Kredit-) Krise kommt.

Wir kommen zum Schluss: Die Ausführungen haben versucht deutlich zu machen, welche Hürden bestehen, um Krisen verlässlich vorherzusagen. Die Ökonomen (mit ihrem wissenschaftlichen Theoriewissen) können diese Aufgabe nicht bewältigen. Das heißt nun aber nicht, dass niemand verlässliche Krisenprognosen geben könnte. Möglicherweise gibt es Personen, die das können.

Wenn es sie gibt, müssen sie über Wissen verfügen, das über das ökonomische Wissen hinausgeht. Es muss ich um Personen handeln, die die Methode des Verstehens erfolgreich anwenden: Sie sind in der Lage, ihre Fähigkeiten, ihr Wissen - das aus vielen Elementen bestehen kann - vergleichsweise besser einzusetzen, als es ihre Mitmenschen können. Für die meisten von uns (einschließlich des Autors dieser Zeilen) ist eine verlässliche, über Zweifel erhabene Krisenprognose eine unlösbare Aufgabe. (Was diese Einsicht für den Anleger und Investor bedeutet, diskutieren wir in einer der kommenden Ausgaben des Degussa Marktreports.)


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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