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Italien wählt Dolce Vita statt Austerität

24.05.2018  |  Robert Vitye
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"Indikatoren wie Spread und BIP interessieren uns nicht, für uns zählt das Lächeln Eurer Familien."

Luigi di Maio, Parteivorsitzender der M5S, findet bereits vor Amtsantritt eine verblüffend einfache Erklärung auf die im Vorwege der Koalitionsbildung aufgetretenen Marktturbulenzen. Matteo Salvini, Generalsekretär des Koalitionspartners Lega Nord, schlägt in die gleiche Kerbe und lässt verlauten, neue Schulden kümmerten ihn nicht.

Insbesondere die Entwicklung der italienischen Anleiherenditen lässt sich als deutliche Misstrauensbekundung gegenüber den angekündigten Schuldenplänen interpretieren:

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Euro-Krise 2.0 oder Freifahrtschein durch die EZB?

Nicht zuletzt die zwischenzeitlich kursierte Forderung nach einem Schuldenschnitt in Höhe von 250 Mrd. Euro hat die Marktteilnehmer aufgeschreckt. Vermutlich ist dieser Testballon bewusst lanciert worden, um die politischen wie auch die Reaktionen der Finanzmärkte auszuloten. Im Koalitionsvertrag taucht diese Forderung zwar nicht mehr explizit auf, jedoch wird kryptisch die grundlegende Neudiskussion der EU-Verträge gefordert. Ferner ist das Instrument sogenannter "Mini-BOTs" enthalten. Hierbei handelt es sich um kurz laufende Schuldscheine, die zur Begleichung öffentlicher Rechnungen gedacht sind. Nicht wenige Beobachter sehen hierin eine Vorstufe zu einer italienischen Parallelwährung.

Zusätzliche politische Brisanz bekommt die neue Regierungskonstellation durch die ausgeprägte Euro- und EU-Skepsis beider Parteien. Besonders intensiv vorhanden scheint diese Haltung bei dem als Finanz- oder Wirtschaftsminister vorgesehenen Prof. Paolo Savona. Savona ist Ex-Industrieminister & Industrieverbandschef und gibt schonmal in einem "Brief an unsere deutschen Freunde" den Hinweis zum Besten, dass das Dritte Reich genau das in Europa angestrebt habe, was die EU dank Euro heute verwirklicht habe: eine vollständige wirtschaftliche Arbeitsteilung, die zur Konzentrierung der Steuerungsfunktionen in Deutschland und zur Verarmung und Unterordnung der Peripherie führe.

Nach der jahrelangen "Rundum-Sorglos-Versorgung" der Märkte durch frische Liquidität schicken sich die westlichen Zentralbanken in kumulierter Betrachtung ausgerechnet in diesem Umfeld an, die Liquiditätszufuhr sukzessive zu reduzieren - nach aktueller Prognose wäre bereits im Laufe des 4.Quartales 2018 der Zustand des "Quantitative Tightening" - der geldpolitischen Straffung - durch saldierte Reduktion der Liquidität erreicht.

Während die EZB derzeit weiterhin 30 Mrd. EUR in nicht mehr marktfähige Anleihen v.a. der südlichen Peripherieländer „investiert“, sind in den USA die Zinsen bereits sechsfach angehoben und weitere Erhöhungen avisiert worden.

Mit besonderem Augenmerk darf in den kommenden Wochen die Reaktion der EZB auf die Entwicklungen in Italien verfolgt werden. Ihr Dilemma: lässt sie das Anleihekaufprogramm tatsächlich auslaufen, führt das wahrscheinlich zu noch schneller explodierenden Zinsen Italiens - das von Draghi erteilte Versprechen den Euro zu retten, "koste es was es wolle", wäre obsolet. Greift sie hingegen ein und kauft in noch größerem Umfang italienische Anleihen, ist mit starkem Widerstand der Nordländer zu rechnen.


Showdown zwischen Nord- & Südländern

Die angekündigten Steuersenkungen und Ausgabenprogramme werden nach unserer Erwartung letztlich zu bisher unvorstellbaren fiskalpolitischen Tabubrüchen führen, die in Bälde auch außerhalb Italiens Schule machen dürften - weshalb sollten sich schließlich Portugal, Spanien & Griechenland unbeliebten Strukturreformen beugen, wenn sie dem Beispiel Italiens folgend einfach hemmungslos weiter aufschulden könnten?

In Anbetracht des massiven latenten Erpressungspotenziales gegenüber der EU-Institutionen sowie den kosten- & leidtragenden Nordländern (v.a. Deutschland) durch die Androhung des Verlassens der Gemeinschaftswährung wird nach unserer Erwartung der Kreativität hinsichtlich Umfang und Ausgestaltung von Schuldenausweitungen im weiteren Jahresverlauf und darüber hinaus neue Maßstäbe gesetzt.



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