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Europa und die drohende Implosion der Rentensysteme

29.06.2018  |  John Mauldin
- Seite 3 -
Fehlende Handlungsbereitschaft

Wir Amerikaner verklären oft ein stereotypisches Bild der Schweiz, die auch zu meinen Lieblingsländern zählt. Wir glauben, dass die Schweiz das Land der Finanzdisziplin und Unabhängigkeit ist. In gewissem Maße trifft das auch zu, doch selbst die Eidgenossenschaft hat ihre Probleme. Mit der alternden Bevölkerung sind auch in den schweizerischen Rentenkassen Löcher entstanden.

Im letzten Sommer lehnten die Schweizer Bürger einen Reformplan ab, der das Rentensystem durch eine Anhebung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre, sowie höhere Steuern und Arbeitnehmerbeiträge gestärkt hätte. Diese relativ geringfügigen Anpassung wurden mit einer Mehrheit von 52,7% abgeschmettert.

Auf der ganzen Welt wollen die Wähler üblicherweise alles auf einmal haben. Wir fordern großzügige Leistungen in allen Bereichen, aber den Preis dafür wollen wir nicht zahlen. Die Schweizer scheinen ihrem Ruf zum Trotz nicht anders zu sein. Die Financial Times schrieb dazu Folgendes:

"Innenminister Alain Berset sagte, dass Votum gegen die Reform sei 'nicht leicht zu interpretieren', doch zu einer Mehrheit für den Vorschlag fehle nicht allzu viel. Man werde daher beginnen, die Reformvorschläge zu überarbeiten.

Die Regierung hatte versucht, die Last der notwendigen Änderungen im Rentensystems gleichmäßig zu verteilen, sagte Daniel Kalt, Chefökonom der UBS in der Schweiz. 'Es ist allerdings schwer, einen Kompromiss zu finden, dem alle zustimmen können.' Der Reformdruck sei 'noch nicht groß genug', argumentierte er. 'Das Bewusstsein dafür, dass etwas getan werden muss, wird nun zunehmen.'"


Das beschreibt im Großen und Ganzen die weltweite Einstellung. Sowohl Politiker als auch Wähler ignorieren die langfristigen Probleme, obwohl diese hinreichend bekannt sind, und denken nur bis zum nächsten Wahltag. Das Zitat, "das Bewusstsein dafür, dass etwas getan werden muss, wird nun zunehmen", mag im wörtlichen Sinne zutreffen, aber zwischen Bewusstsein und der Bereitschaft zum Handeln klafft ein breiter Graben - in der Schweiz ebenso wie in allen anderen Staaten.

Die Ironie daran ist, dass Großbritannien und die Schweiz trotz all ihrer Probleme noch besser dastehen als zahlreiche andere Länder Europas. In beiden Staaten gibt es immerhin eine Pflicht zur privaten Vorfinanzierung sowie ein bescheidenes staatliches Sicherheitsnetz. Das Gleiche gilt für Dänemark, die Niederlande, Schweden, Polen und Ungarn.

In Frankreich, Belgien, Deutschland, Österreich und Spanien existiert dagegen ein Umlageverfahren und in den öffentlichen Kassen befinden sich keinerlei Rücklagen für künftige Rentenleistungen. Die Ausgaben werden über den jährlichen Staatshaushalt bestritten. Die Krise ist abzusehen, da die Zahl der Personen im Ruhestand wächst, während die Zahl der Arbeitnehmer, die in den allgemeinen Haushalt einzahlen, rückläufig ist. Die sinkende Geburtenrate in diesen Ländern erschwert es zusätzlich, eine Lösung für diese demografische Realität zu finden.


Abwertung nach Bedarf

Spanien hat sich von der letzten Krise besser erholt als einige der anderen Mittelmeerstaaten, wie beispielsweise Griechenland. Das gilt auch für die nationalen Rentenkassen, die bis vor Kurzem sogar ein Plus erzielten. Leider hat sich die Regierung einen Teil des Überschusses zu anderen Zwecken "geliehen" und nun wird er sich schon bald in ein beträchtliches Defizit verwandeln. Die Ironie dabei ist, dass das spanische Rentensystem wie in den USA wörtlich "Soziale Sicherheit" heißt, aber weder sicher noch besonders sozial ist.

Die Regierungen beider Länder haben die angeblich unantastbaren Rentenrücklagen zweckentfremdet und beide nutzen diese Ersparnisse für alles, was ihnen gerade die Gunst der Wähler sichert.

Spanien hat heute 1,1 Millionen Rentner mehr als noch vor zehn Jahren und wenn die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht, werden es noch mehr werden. Dass die Arbeitslosenquote unter den Jüngeren bei 25% liegt, ist ebenfalls wenig hilfreich.

Von den beiden Staaten ist das System der USA in einem "besseren" Zustand, weil wir wenigstens unsere eigene Währung herausgeben und diese nach Bedarf abwerten können, um die Zahlungsfähigkeit der Regierung zu gewährleisten. Unsere Sozialleistungsschecks können immer eingelöst werden, auch wenn wir uns dafür weniger kaufen können. Spanien hat diesen Vorteil nicht, wenn es in der Währungsunion bleibt. Das ist einer der Gründe dafür, dass die Eurozone letztlich zerbrechen könnte.

In einigen der Länder mit Umlageverfahren ermöglichen die staatlichen Rentenpläne eine Pensionierung mit 60 Jahren oder noch eher. Die Beiträge der Arbeitnehmer machen in diesen Staaten im Allgemeinen weniger als 25% der Gesamtleistungen aus.

Manche Staaten zahlen sogar Rentenleistungen, die zum Teil über dem früheren Verdienst der Pensionäre liegen. Der folgende Chart der OECD zeigt die Rentenbezüge als prozentualen Anteil der Arbeitslöhne. In Kroatien, der Türkei und den Niederlanden beträgt dieser mehr als 100%, und in Italien und Portugal sind es mehr als 90%.

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Es tut mir leid, aber das kann keinesfalls so weitergehen. Die Regierungen dieser Länder haben utopische Regelungen beschlossen. Sie werden diese Versprechen niemals halten können, es sei denn die Löhne und Sozialleistungen fallen auf ein unvorstellbar niedrigeres Niveau.

Ein recht trostloser Sonderbericht des Wall Street Journals untersuchte die ehrfurchtgebietenden demografischen Herausforderungen, vor denen Europa steht. Der Kontinent weist bereits den weltweit größten Anteil an Ruheständlern auf, und es werden immer mehr. Auf 100 Arbeitnehmer kommen 42 Personen im Alter von 65 oder älter, die nicht mehr erwerbstätig sind. Bis 2060 werden es 65 Rentner je 100 Erwerbstätige sein. Im Vergleich dazu kommen in den USA nach Angaben des Bureau of Labor Statistics auf 100 berufstätige Personen nur 24 Personen im Ruhestand. Eine offizielle Prognose für 2060 existiert nicht.


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