Europa und die drohende Implosion der Rentensysteme
29.06.2018 | John Mauldin
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Im Gegensatz zu den meisten finanziellen Problemen in Europa ist der Kontinent hier nicht in Nord und Süd gespalten. Österreich und Slowenien sehen sich ebenso einer schwierigen demografischen Situation gegenüber wie Griechenland. Der linke Chart aus dem Wall Street Journal vergleicht den Anteil der Europäer im Alter von mindestens 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung mit dem Anteil der Rentner in anderen Regionen; der rechte Chart zeigt den Anteil der Erwerbstätigen im Alter von 20 bis 64 in bestimmten europäischen Ländern. Die Statistiken sind erschreckend.In Europa hat die durchschnittliche Geburtenrate seit den 1960er Jahren um 40% abgenommen und liegt den Daten der Vereinten Nationen zufolge mittlerweile bei rund 1,5 Kindern pro Frau. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 69 auf rund 80 Jahre gestiegen.
In Polen ist die Geburtenrate noch niedriger und das demografische Problem wird durch die Abwanderung vieler Polen ins Ausland verstärkt. Zahlreiche polnische Arbeitnehmer nutzen die Personenfreizügigkeit innerhalb der EU und ziehen auf der Suche nach einem höheren Gehalt in ein anderes Land. In einer entsprechenden Untersuchung prognostiziert die polnische Zentralbank, dass bis 2030 ein Viertel der polnischen Frauen und ein Fünftel der polnischen Männer älter als 70 sein werden.
Alles, was ich bislang über die Staaten mit Umlageverfahren gelesen habe, deutet darauf hin, dass sich diese in einer noch viel schlechteren Lage befinden als die USA. Zudem stagniert ihre Wirtschaftsleistung und die Steuerbelastung beträgt schon heute fast 50% des BIP. Darüber hinaus stecken auch viele private Rentenversicherungen in ernsten Schwierigkeiten. Die niedrigen und negativen Zinsen haben es ihnen unmöglich gemacht, ihre Rücklagen zu vergrößern.
In Kombination mit den staatlichen Rentenleistungen werden die Gesamtkosten für die Gesundheitsversorgung und die Einkommenssicherung der Bürger in ganz Europa dramatisch ansteigen und einen weit höheren Prozentsatz der Wirtschaftsleistung beanspruchen.
Denken Sie einen Moment darüber nach. Ich meine nicht den Anteil der Sozialkosten am Steueraufkommen, sondern den Anteil am gesamten Bruttoinlandsprodukt. In Belgien wird dieser Anteil 2030 bei 18% liegen, was 40-50% der Steuereinnahmen entspricht. Da bleibt nicht viel übrig für andere Posten im Staatshaushalt. Griechenland, Italien, Spanien? Dort sieht es nicht viel besser aus.