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Tanz auf Messers Schneide

15.09.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Unter dieser Bedingung kann der weltweite Konjunkturaufschwung wahrscheinlich noch einige Zeit weitergehen. Was aber leiden wird, ist der Geldwert. Bargeld, aber auch Sicht-, Termin- und Spareinlagen, die bei Banken gehalten werden, büßen ihre Kaufkraft ein, weil die Zentralbanken die Zinsen künstlich niedrig halten und die Geldmenge weiter ausweiten. Das lässt die Preise von zum Beispiel Aktien, Grundstücken und Häusern weiter in die Höhe klettern. Umsichtige Anleger sollten sich daher bewusst machen, dass das weltweite Schuldgeldsystem ohne Geldentwertung schon heute nicht mehr auskommt. Und das wird künftig nicht besser, sondern eher schlechter.

Das eigentliche Risikoszenario ist daher nicht eine erneute Kreditkrise - also die Sorge auf den Finanzmärkten, die Kreditgeber könnten ihren Schuldendienst nicht mehr leisten -, sondern vielmehr eine Währungskrise. Denn wenn die Zentralbanken neues Geld in Umlauf bringen, um aus politischen Gründen Zahlungsausfälle von Staaten und Banken abzuwehren, dürften über kurz oder lang Zweifel an der Werthaltigkeit des Geldes aufkeimen. Und wenn die Menschen nicht mehr darauf vertrauen (können), dass das Geld, das sie in der Tasche und auf dem Konto haben, seine Kaufkraft behalten wird, dann wird es schnell ungemütlich.

Denn dann geht die Geldnachfrage zurück - was nichts anderes heißt, als dass die Menschen das neu geschaffene Geld nicht halten, sondern es lieber sofort gegen etwas anderes eintauschen wollen - wie Häuser, Aktien, Autos oder Edelmetalle. Ein Prozess kommt in Gang, durch den die Preise stärker zu steigen beginnen: Immer mehr Geld wird angeboten im Tausch gegen andere (knappe) Güter. Die einzige Möglichkeit, solch einen Prozess zu stoppen, besteht darin, dass die Zentralbank die Zinsen anhebt und die Geldmenge verknappt. Das heißt aber nichts anderes, als dass Zahlungsausfälle von Schuldnern - die man ja eigentlich abwenden will - zugelassen werden müssen.

Die Geldpolitik der Zentralbanken wird gut illustriert durch das sprachliche Bild "Tanz auf Messers Schneide": Man versucht die Balance zu halten. Es soll zu keiner Kreditkrise kommen und auch zu keiner Währungskrise. Dass dieser Drahtseilakt noch eine Weile durchgehalten werden kann, ist durchaus denkbar. Dass er aber ein gutes Ende nehmen wird, erscheint doch recht unwahrscheinlich. Wenn die Balance verloren geht, wird der Sturz für die Volkswirtschaften sehr schmerzvoll sein.


Folge der Zentralbankpolitik: eingeschläferte Risikosorgen auf den Finanzmärkten

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Quelle: Thomson Financial


Die obige Graphik zeigt den sogenannten "EURUSD cross currency basis swap" (ausgedrückt in Basispunkten für unterschiedliche Laufzeiten). Man kann ihn (mit Vorsicht) als "Krisenbarometer" interpretieren, und zwar aus folgendem Grund: Schuldner im Euroraum können sich US-Dollar besorgen, indem sie entweder eine USDollar-denominierte Anleihe begeben.

Alternativ können sie auch eine Euro-denomnierte Anleihe begeben, die erzielten Euro dann in US-Dollar tauschen und gleichzeitig per Termin die US-Dollar wieder in Euro tauschen. In "normalen Zeiten" sollten beide Finanzierungsstrategien die gleichen Kosten aufweisen - und in dem Fall befinden sich die obigen Linien (die "Basis") nahe an der Nulllinie. Wenn es hingegen "Stress" im Finanzmarkt gibt, dann schlagen die Linien "nach unten" aus - wie in 2008/2009 oder in 2012. Derzeit scheint der Kreditmarkt recht gut zu funktionieren - die "Basis" hat sich zurückgebildet. Das ist in erster Linie die Folge der Zentralbankpolitiken:

Die Finanzmarktakteure erwarten, dass die Zentralbanken eine neue Krise mit allen Mitteln zu "bekämpfen". Man kann durchaus sagen: Die Risikosorgen auf den Finanzmärken wurden erfolgreich von den Zentralbanken eingeschläfert. Eine "natürliche" Entwicklung ist das nicht. Der Eingriff der Zentralbanken in die Märkte führt zu einer Verzerrung der Zinsen: Die Risikoprämien nehmen ab und kompensieren die Investoren nicht mehr für die eingegangenen Risiken. Kapitalfehllenkung ist die Folge - und macht das Finanz- und Wirtschaftssystem krisenanfällig(er).


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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