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Trauen Sie der Technischen Analyse nicht

24.11.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Wen das alles immer noch nicht überzeugt, der sei auf eine Überlegung verwiesen, die eine wirklich hieb- und stichfeste Begründung liefert, warum sich aus vergangenen Kursbewegungen keine verlässlichen Kursprognosen ableiten lassen.

Sie erschließt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass sich das Börsengeschehen mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht begreifbar machen lässt. Warum ist das so? In der Naturwissenschaft (insbesondere in ihrer Königsdisziplin Physik) lassen sich durch Beobachtungen Gesetzmäßigkeiten, das heißt konstante Ursache-Wirkungsbeziehungen, erkunden gemäß der Form "Wenn A, dann B" oder "Wenn A um x Prozent steigt, verändert sich B um y Prozent". (Umsichtige Forscher sprechen heutzutage von "Hypothesen" oder "Modellen", eine Folge des modernen Wissenschaftsverständnisses).

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Im Bereich der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften lassen sich jedoch aus historischen Geschehnissen keine verlässlichen Verhaltenskonstanten ermitteln. Handelnde Menschen - und um die geht es hier - verfolgen Ziele, haben Vorlieben und wählen zwischen Alternativen. Sie sind - und das kann man ihnen nicht widerspruchsfrei absprechen - lernfähig. Wer sagt "Der Mensch ist nicht lernfähig", der begeht einen Selbstwiderspruch, weil er mit dem Gesagten voraussetzt (gegenüber sich selbst oder Gesprächspartnern), dass man das Konzept "Lernen" versteht - dass man also gelernt hat zu lernen.

Und wer sagt: "Der Mensch kann lernen, dass er nicht lernen kann", begeht einen offenen Widerspruch. Der voranstehende Gedankengang mag etwas weit hergeholt zu sein, doch er ist es nicht. Denn er legt offen, was ansonsten nicht so ohne weiteres erkennbar ist: Wenn Menschen unbestreitbar als lernfähig aufzufassen sind, dann lässt sich aus logischen Gründen nicht schon heute sagen, wie sie künftig auf bestimmte Einflussfaktoren handeln werden. Und daher lassen sich auch aus vergangenen Handlungen - oder deren Niederschlag in Form von zum Beispiel Kursmustern an den Börsen - keine systematischen Rückschlüsse auf künftige Kursentwicklungen ziehen.


Systematische Alternative: Wert statt Kurs im Blick

Wenn aber die Technische Analyse nicht Auskunft über die künftige Kursentwicklung geben kann, welche bessere Alternative hat der Investor? Eine verlässliche, vielfach erprobte Vorgehensweise lautet: Richte Dich nach dem “Preis versus Wert”. Investieren ist dann sinnvoll, wenn Du deutlich weniger zahlst als den Wert der Aktie. Doch was ist der Wert einer Aktie? Es entspricht der Summe der abgezinsten künftigen Unternehmensgewinne auf die Gegenwart. Sicher, es ist nicht immer leicht, den Wert von Aktien zu ermitteln. Aber ohne dass man ihn kennt, lässt sich nun einmal keine gute Investitionsentscheidung treffen.

Man gelangt spätestens an dieser Stelle zu einer ganz wichtigen Frage, die da lautet: Kann ich dauerhaft besser abschneiden mit meinen Investitionsentscheidungen als der Gesamtmarkt? Wenn die Antwort Nein ist, ist das keine Schande. Man investiert dann einfach am bestenin einen Welt-Aktienmarkt-Index und hält langfristig daran fest. Wenn die Antwort Ja lautet, ich kann besser sein, dann hat man gute Gründe, viel Eifer aufzuwenden, um den Wert von interessanten Unternehmensaktien zu ermitteln, oder aber Partner zu suchen, die das nachweislich gut können.

Doch in keinem Fall wird man seine Investitionsentscheidungen auf den Ergebnissen der Technischen Analyse aufbauen wollen, denn sie werden Ihnen nicht dazu verhelfen - jedenfalls nicht auf systematische Art und Weise - das Richtige zur richtigen Zeit zu tun. So interessant und inspirierend der Blick auf die vergangenen Kursdaten Ihnen auch erscheinen mag. Rufen Sie sich immer wieder in Erinnerung: Es gibt logische Gründe dafür - und nicht an den Haaren herbeigezogene Vorbehalte - von der Verwendung der Technischen Analyse als Investitionsgrundlage abzuraten.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



Erschienen am 21. November 2018 auf WirtschaftsWoche Online.


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