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Zur Abflachung der US-Zinskurve

05.01.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Eine flache US-Zinsstruktur wird häufig als Indikator für einen bevorstehenden "Aktienmarkt-Crash" gedeutet. Doch ganz so eindeutig und verlässlich ist dieser "Indikator" nicht.

Die Zinsstrukturkurve zeigt die Zinsen nach Laufzeit. Liegen die langfristigen Zinsen über (unter) den kurzfristigen, ist die Zinsstrukturkurve positiv (negativ) geneigt. In der Vergangenheit hat eine Verflachung der Zinsstrukturkurve schon so manches Mal mit Vorlauf eine Rezession oder einen Aktienmarkt-Crash angezeigt. So etwa 2000/2001 und 2008/2009. Was ist der Grund dafür?

Die Zinskurve flacht sich ab, wenn zum Beispiel die Zentralbank den Kurzfristzins anhebt, gleichzeitig jedoch der Langfristzins nachgibt. Das kann geschehen, wenn die Finanzmarktakteure erwarten, dass die Zentralbank den Zins zu stark anzieht, dass sie sich bald wieder von ihrem Straffungskurs abkehren wird.

Der Langfristzins ist nämlich - vereinfachend gesprochen - nichts anderes als der Durchschnitt der künftig erwarteten Kurzfristzinsen. Daher ist es möglich, dass ein steigender Kurzfristzins verbunden ist mit der Markterwartung, dass die künftigen Kurzfristzinsen wieder absenken werden, und der Langfristzins sinkt relativ zum Kurzfristzins beziehungsweise fällt unter den Kurzfristzins. Dann sinkt die Bereitschaft und Fähigkeit der Banken, neue Kredite zu vergeben. Warum?

Nun, Banken verdienen dann weniger durch die "Fristentransformation", also durch die Vergabe von Krediten mit langer Laufzeit, finanziert mit kurzfristigen Mitteln. Flaut der Kreditstrom ab, leiden die Konjunktur und die Aktienmärkte.

Letztlich ist eine flache Zinsstrukturkurve aber nur ein "Erfahrungswert" aus der Vergangenheit, mit dem sich nicht verlässlich auf künftige Entwicklungen schließen lässt. So ist es derzeit denkbar, dass die Prämie für das Halten von Langfristanleihen ("Term Premium") abgesunken ist, weil die Finanzmärkte davon ausgehen, die US-Notenbank werde die Finanzmärkte bei einem Verlangsamen der Konjunktur oder bei Störungen im Kreditsystem erneut stützen. Vor allem dürfte auch die Höhe der Realzinsen eine wichtige Rolle spielen für die aktuelle Aussagekraft der Zinsstrukturkurve.

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Abbildung links: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) Zum Beispiel steht "10 J - 2 J" für 10-Jahreszins minus 2-Jahreszins, ausgedrückt in Basispunkten (100 Basispunkte = 1 Prozentpunkt).
Abbildung rechts: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (2) Nominalzins abzüglich der Jahresänderung der Preise der US-Konsumgüter.


Der reale US-Kurzfristzins ist zwar in den letzten Jahren mehr oder wenig stetig angestiegen, und zwar von minus 3,9 Prozent im September 2011 auf nunmehr plus 0,3 Prozent im November 2018. Historisch gesehen ist die aktuelle Realzinshöhe jedoch immer noch sehr niedrig; und sie ist auch deutlich niedriger als vor Ausbruch der "New Economy"-Krise und der internationalen Kreditkrise 2008/2009.

Wenngleich die Zins-strukturkurve nicht notwendigerweise ein verlässlicher "Krisenindikator" ist, ist es dennoch aufschlussreich, die Bewegung der Zinsstrukturkurve im Blick zu haben. Denn die jüngste Verflachung könnte nahelegen, dass ein geldpolitischer Kurswechsel nicht mehr lange auf sich warten lässt:

Dass also die Fed jetzt nicht nur eine "Zinspause" einlegt, sondern dass sie ihren Leitzins bald schon wieder, quasi in "vorauseilendem Gehorsam", absenken könnte. Eine solche Entwicklung kann, muss aber nicht notwendigerweise mit einer Rezession oder einem Aktienmarkt-Crash einhergehen. Vor allem wegen der weltweiten Verschuldungslage erscheint eine wirkliche Abkehr von der Niedrigzinspolitik unwahrscheinlich zu sein, nicht nur in den USA, sondern auch im Euroraum und in Japan. Das ist vermutlich die zentrale Botschaft, die die abgeflachte US-Zinskurve sendet.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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