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Gefangen im Euro - oder: Willkommen im Bett des Prokrustes

28.04.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Passend machen

Doch die Anhänger des Euro - eines ungedeckten Geldes - eifern Prokrustes nach - versuchen unbeirrt, das Unpassende passend zu machen, und sie gehen wie einst der mythische Procrustes nicht zimperlich vor. Die Grundpfeiler des freien Marktsystems werden untergraben, bürgerliche und unternehmerische Freiheiten und Rechte einkassiert. Der Staat wird immer größer, immer mächtiger. Wohin das führt? Nun, der Ökonom Friedrich August von Hayek (1899-1992) schrieb 1960 dazu etwas, was auch heute seine Relevanz nicht eingebüßt hat, nämlich dass

"der Sozialismus als bewußt anzustrebendes Ziel zwar allgemein aufgegeben worden ist, es aber keineswegs sicher ist, daß wir ihn nicht doch errichten werden, wenn auch unbeabsichtigt. Die Neuerer, die sich auf die Methoden beschränken, die ihnen jeweils für ihre besonderen Zwecke am wirksamsten scheinen, und nicht auf das achten, was zur Erhaltung eines wirksamen Marktmechanismus notwendig ist, werden leicht dazu geführt, immer mehr zentrale Lenkung der wirtschaftlichen Entscheidungen auszuüben (auch wenn Privateigentum dem Namen nach erhalten bleiben mag), bis wir gerade das System der zentralen Planung bekommen, dessen Errichtung heute wenige bewußt wünschen.

Außerdem finden viele der alten Sozialisten, daß wir schon so weit auf den Zuteilungsstaat zugetrieben sind, daß es jetzt viel leichter scheint, in dieser Richtung weiter zu gehen, als auf die etwa in Mißkredit geratene Verstaatlichung der Produktionsmittel zu drängen. Sie scheinen erkannt zu haben, daß sie mit einer verstärkten staatlichen Beherrschung der nominell privat gebliebenen Industrie jene Umverteilung der Einkommen, die das eigentliche Ziel der sensationelleren Enteignungspolitik gewesen war, leichter erreichen können."


Doch bekanntlich folgt die menschliche Entwicklung keiner Gesetzmäßigkeit (wie es noch Karl Marx und Friedrich Engels behaupteten). Es sind vielmehr die Ideen, die Theorien, die die Menschen in ihrem Handeln leiten, und die "Geschichte machen". Das ist Grund zur Zuversicht: Denn wird von den Bürgern verstanden, dass sie alle gewissermaßen im Euro gefangen gehalten werden - und sprichwörtlich passend gemacht werden für das Bett des Prokrustes -, und dass ein freier Markt für Geld einfach zu haben ist und perfekt funktionieren würde, wäre die drangsalierende und freiheitsberaubende Kraft des Euro vermutlich sehr rasch dahin.

Übrigens: Prokrustes wurde von Theseus auf seiner Wanderung nach Athen als letzter der Bösewichte am Kephisos erschlagen. Es gibt als Grund zur Hoffnung: Das Schlechte findet, so lernen wir daraus, ganz offensichtlich, doch irgendwann seinen Bezwinger.


Euro unter Druck

Der Euro setzt seinen Abwärtstrend gegenüber dem US-Dollar fort. Am 24. April 2019 rutschte er erneut unter die Marke von 1,12. Die Gründe dafür sind, wie meist bei Wechselkursbewegungen, nicht zweifelsfrei bestimmbar. Doch lassen Sie uns an dieser Stelle einige grundlegende Faktoren betrachten, die üblicherweise den Wechselkurs bestimmen (sollten). Da sind zunächst die Zinsunterschiede zwischen beiden Währungsräumen. Der Zinsvorteil der US-Dollar-Anlagen gegenüber Euro-Anlagen spricht seit geraumer Zeit für eine Euro-Abschwächung. Gleichwohl ist anzumerken, dass der US-Dollar-Zinsvorteil seit etwa Jahresbeginn leicht rückläufig gewesen ist, vor allem im Langfristzinsbereich (Abb. a).

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Quelle: Thomson Financial; Berechnungen Degussa.


Weiterhin sind die unterschiedlichen Inflationsentwicklungen in beiden Währungsräumen relevant für den Wechselkurs. Die US-Inflation fällt seit Jahren höher im Euroraum (Abb. b). Das für sich genommen spräche eigentlich für einen stärken Euro gegenüber dem Greenback. Bis Ende 2013 war das auch der Fall. Doch dann hat es einen "Trendbruch" gegeben: Obwohl der US-Dollar stärker inflationiert hat, hat der US-Dollar merklich aufgewertet gegenüber der Einheitswährung.

Und noch eine weitere Betrachtung: Stellt man den Verlauf der Aktienkurse in den USA relativ zu den Aktienkursen im Euroraum dem EURUSD gegenüber, so signalisiert das einen weiteren Abwertungsdruck auf den Euro (Abb. c). Der vermutliche Grund: Die Wertentwicklung der US-Unternehmen (als Reflex der US-Wirtschaftskraft) war bedeutend besser als die der Unternehmen im Euroraum.

Das wiederum kann eine Reihe von Gründen haben. Vermutlich verdüstern vor allem die strukturellen Probleme im Euroraum die Erfolgsperspektiven der Euro-Unternehmen. Das Anlagekapitel wandert ab, vor allem auch in die USA, und im Devisenmarkt verliert der Euro gegenüber dem Greenback.


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Quelle: Thomson Financial; Berechnungen Degussa.


Wenn man nun annimmt, dass die Inflationsunterschiede zwischen beiden Währungsräumen durch die Zinsund Aktienkursunterschiede mehr oder weniger "eingefangen" werden - und das erscheint ökonomisch sehr plausibel -, dann spricht einiges dafür, dass der Euro weiterhin unter Abwertungsdruck gegenüber dem US-Dollar stehen dürfte.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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