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Sparer aufgewacht: Geldwertschwund schluckt Zins

11.06.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Weltweit hohe Geldnachfrage

Die Bargeldnachfrage stellt nur einen Teil der gesamten Geldnachfrage dar. Der größte Teil des Geldes wird in Form von Guthaben bei Geschäftsbanken gehalten - und zwar in Form von Giroguthaben sowie Termin- und Spareinlagen (die sich in der Regel relativ zeitnah in jederzeit verfügbare Giroguthaben umwandeln lassen). Der Blick auf die Daten zeigt: In den letzten Jahrzehnten ist die Geldnachfrage in den Vereinigten Staaten von Amerika, im Euroraum und in Japan deutlich stärker gewachsen, als die Wirtschaftsleistung (das Bruttoinlandsprodukt (BIP)) zugenommen hat (Abb. 3).

Das hat mehrere Gründe. Der vermutlich wichtigste ist: Mit Geld werden nicht nur die Umsätze der Güter finanziert, die im BIP enthalten sind. Geld wird zum Beispiel auch nachgefragt, um die Umsätze für Vorleistungsgüter und die Umsätze auf den Finanzmärkten zu finanzieren (Kauf und Verkauf von Aktien, Anleihen etc.). Und je größer diese Märkte werden im Vergleich zum BIP, desto stärker wird auch tendenziell das Wachstum der Geldmenge ausfallen im Vergleich zum BIP.

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Quelle: Thomson Financial; Berechnungen Degussa.


Warum Menschen Geld nachfragen

Menschen fragen Geld nach, weil die Zukunft unsicher ist. Aus diesem Grund wollen sie jederzeit tauschfähig sein, und deshalb ist das Halten von Geld für sie sinnvoll: Geld ist nämlich das Gut, das sich am einfachsten gegen andere Güter eintauschen lässt. Man unterscheidet verschiedene Motive der Geldnachfrage. Da ist zunächst die Transaktionskassennachfrage: Geld wird gehalten, um Zahlungen leisten zu können.

Weiterhin gibt es eine Vorsichtskassennachfrage: Man hält Geld in "Reserve". Es könnte ja etwas Unvorhergesehenes passieren ("Waschmaschine geht kaputt"), und auch für diese Eventualitäten will man liquide sein. Und es gibt auch eine Spekulationskasse: Man hält Geld, um zum Beispiel Gelegenheiten an der Börse nutzen zu können - um im Börsen-Crash billige Aktien kaufen zu können.

Die Geldnachfrage der Menschen hängt in der Regel von gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen ab:

(1) Steigt das Bruttoinlandsprodukt, so nimmt die Transaktionskassenachfrage zu. Es gibt dann höhere Umsätze, für die mehr Geld gebraucht wird. (2) Fällt der Zins, nimmt die Geldnachfrage zu: Die Kosten der Geldhaltung sinken - in Form der entgangenen Erträge, die man erzielen würde, hielte man zinstragende Papiere. (3) Steigt die Inflation, reduzieren die Menschen ihre Geldnachfrage, weil sie Kaufkraftverlusten entkommen wollen. (4) In Zeiten von Finanzmarktkrise steigt die Geldnachfrage: Investoren verkaufen Aktien und Anleihen, die sie als risikoreich ansehen, ziehen die sichere Geldhaltung vor.


Die Datenlage macht vor allem eines deutlich: Die Menschen scheinen ein großes, ein bislang ungebrochenes Vertrauen in das ungedeckte Geld zu haben - in ein Geld also, das die Zentralbanken, in enger Kooperation mit den Geschäftsbanken, fortwährend vermehren, das sie durch Kreditvergabe "aus dem nichts" in Umlauf bringen. Weder die Finanz- und Wirtschaftskrise noch die darauf folgenden extremen "Rettungspolitiken" (in Form von Null- und zuweilen Negativzinsen und großen Ausweitungen der Basisgeldmengen) scheinen das Vertrauen in das ungedeckte Geld getrübt zu haben. Für die Geldhalter wird sich das allerdings nicht auszahlen. Im Gegenteil.


Die Entwertung

Im Euroraum gibt es seit Mai 2015 keine Zinsen mehr auf Sicht-, Termin- und Sparguthaben (Abb. 4 a). Vielmehr sind diese Bankdepositen zu einem Verlustgeschäft geworden - weil die laufende Inflation der Konsumgüterpreise den Zins (soweit überhaupt noch einer gezahlt wird) übersteigt. Nach einer überschlägigen Rechnung betrug der Kaufkraftverlust der Bankguthaben, die in der Geldmenge M3 enthalten sind, im April 2019 gut 230 Mrd. Euro. Die Halter von US-Dollar-Guthaben erleiden hingegen keinen realen Kaufkraftverlust mehr, weil die US-Zentralbank jüngst die Zinsen soweit angehoben hat, dass der kurzfristige Nominalzins die laufende Konsumgüterpreisinflation übersteigt (Abb. 4 b).


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