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Die kurzen Beine der Lügner-Kredite

23.03.2007  |  Claus Vogt
Im Lauf der US-Immobilienblase wurden die Standards der Kreditvergabe immer laxer. Je höher die Immobilienpreise tiegen, desto einfacher wurde es Kreditsuchenden gemacht, ihren Traum von einem auf Pump gekauften Haus zu verwirklichen -auch wenn sie sich diese Anschaffung bei objektiver Beurteilung gar nicht leisten konnten. Ein Beispiel für diese Entwicklung mag genügen: umgangssprachlich bürgerte sich in den USA der Begriff "Lügner-Kredit" für eine schnell populär gewordene Hypothekenvariante ein, die vom Schuldner keinen Beleg seiner Einkommensverhältnisse fordert.


Hypothekenbetrug grassiert in den USA

Ich habe Sie in meinen Analysen und Kommentaren immer wieder darauf hingewiesen, dass die notwendige Bedingung für das Entstehen einer Spekulationsblase überreichliches Geld- und Kreditmengenwachstum ist. Üppiges Geld- und Kreditmengenwachstum bilden den Nährboden, auf dem sich die typischen Exzesse spekulativer Übertreibungsphasen entwickeln können.

In unserem Buch "Das Greenspan Dossier" haben Roland Leuschel und ich Checklisten zum Erkennen von Spekulationsblasen vorgelegt. Unter anderem heißt es dort: "Aufgrund des schnell zu verdienenden Geldes und sicherlich auch aufgrund der durch den Boom hervorgerufenen Personalknappheit, die zu sinkenden Qualitätsstandards führt, ziehen Spekulationsblasen Schwindler, Betrüger und Windbeutel an. Deren Machenschaften werden jedoch meist erst nach dem Platzen der Blase sichtbar."

Am 18. September 2004 fiel mir vor diesem Hintergrund folgende Meldung von Associated Press auf: "FBI: Mortgage Fraud Is Rampant in U.S." (US-Bundespolizei: Hypothekenbetrug grassiert in den USA). Und weiter: "It has the potential to be epidemic." (Wir sehen hier das Potenzial einer Seuche.) "Wir auch. Die Seuche heißt Spekulationsblase, und der Seuchenherd befindet sich bei der US-Notenbank." So lautete damals mein knapper Kommentar zu dieser Pressemeldung.

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US-Geldmenge M2 in Mrd. Dollar, 1960 bis 2007. Quelle: Bloomberg
Das Zeitalter der hemmungslosen staatlich verordneten Geldvermehrung hält unvermindert an. Leider gibt uns die
Finanzmarktgeschichte kein einziges Beispiel für die Schaffung von Wohlstand durch das Kreieren von Papiergeld.


Im "Subprime Mortgage"-Bereich kommen jetzt die ersten Leichen hoch

Jetzt, über zwei Jahre später, kommen die damals bereits offensichtlichen, aber noch in der Zukunft liegenden Probleme zum Tragen. Im sogenannten "subprime mortgage"-Bereich kommen die ersten Leichen hoch. Unter "subprime mortgages" versteht man in den USA Hypothekenkredite, die bereits bei der Kreditvergabe - anhand branchenüblicher Kriterien - an schlechte Schuldner gingen.

Der zweitgrößte auf diesen riskanten Bereich spezialisierte Finanzdienstleister, New Century Financial Corp., meldete am 7. Februar dieses Jahres, dass es Unregelmäßigkeiten mit der Bilanzierung gab. Die Rücknahmeverpflichtungen für notleidend gewordene Kredite, die das Unternehmen eingegangen war, seien nicht ordentlich verbucht worden. Die Rückstellungen müssten drastisch angehoben werden. Daraufhin stürzte die Aktie in einem Rutsch um 36% ab. Auch der Rest des Sektors kam recht deutlich unter Druck.

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New Century Financial, 2006 bis 2007. Quelle: Bloomberg
Wie der kürzlich erfolgte Absturz der Aktie dieser Hypothekenbank zeigt, nimmt der Aktienmarkt kaum noch
Entwicklungen vorweg. Schließlich kommen die Probleme am Hypothekenmarkt alles andere als überraschend.


Außerdem gab die britische Großbank HSBC bekannt, ihre Rückstellungen für Verluste aus dem Hypothekengeschäft um 20% auf 10,6 Mrd. US-Dollar anzuheben. Und das Wall Street Journal - vielleicht erinnern Sie sich, das ist die US-Zeitung, die Ende der 90er den Begriff "New Economy" nicht etwa in Anführungszeichen, sondern mit ernst gemeinten großen Anfangsbuchstaben verwendete - wählte folgende Schlagzeile für ihren Bericht über dieses Thema: "In Home-Lending Push, Banks Misjudged Risk" (Während der Hypothekenkreditoffensive haben die Banken das Risiko falsch eingeschätzt). Und die deutsche Börsen-Zeitung schrieb: "Am US-Hypothekenmarkt greift Panik um sich."

Der für meinen Geschmack beste Kommentar stammt wie so oft von dem sprachlich so versierten und mit reichlich gesundem Menschenverstand sowie einer scharfen Zunge ausgestatteten Analysten und Autoren Bill Bonner. Da ich es selbst nicht besser auf den Punkt bringen könnte, erlaube ich mir, Herrn Bonner zu zitieren: "Dear, dear reader ... who would have thought that lendig money to people who could not afford to pay it back would lead to problems? Life is just full of surprises, isn’t it?" (Lieber, lieber Leser ... wer hätte wissen können, dass das Geldverleihen an Leute, die es sich nicht leisten können, es zurückzuzahlen, zu Problemen führen würde? Das Leben ist eben voller Überraschungen, nicht wahr?)


Falsche Geldpolitik und Gier vernebeln den Verstand

Jeder mit einem halbwegs gesunden Menschenverstand ausgestattete Marktbeobachter weiß natürlich, dass Kredite an schlechte Schuldner sehr riskant sind. Er weiß auch, dass diese Kredite in der Abwärtsphase des Wirtschafts- bzw. Kreditzyklus’ als erste problematisch werden und die größten Ausfälle aufweisen.

Früher wussten das sogar Banker, die für die Prüfung der Kreditwürdigkeit und -fähigkeit zuständig sind. Im Lauf der großen Immobilienblase ging dieses banale, aber wichtige Wissen auf mysteriöse Art und Weise verloren. In den kommenden Monaten und vielleicht Jahren wird es - vermutlich unter erheblichen Schmerzen - erneut erlernt werden müssen.

Insofern bleibt an den Finanzmärkten, bei den Banken und bei den Lemmingen alles beim Alten. Unter www.ml-implode.com können Sie das Schicksal der US-Hypothekenbanken übrigens hautnah verfolgen. Unter anderem führt diese sehr interessante Seite seit Dezember 2006 Buch über die Anzahl der Hypothekenbanken, die unfreiwilligerweise den Geschäftsbetrieb aufgeben musste. Per 1. März werden bereits 27 aufgelistet.




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