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Vorsicht vor Mega-Crash-Versprechen

23.06.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Wann und in welcher Form es zu Finanz- und Wirtschaftskrisen kommt, ist weitaus ungewisser, als es viele Prognostiker in Aussicht stellen. Diese Einsicht ist für Anleger sehr bedeutsam.

Unser aller Handeln ist in die Zukunft gerichtet, es ist stets - und auch notwendigerweise - zukunftsorientiert. Denn das Handeln kann weder die Vergangenheit noch die Gegenwart beeinflussen.

Allerdings ist die Zukunft bekanntermaßen unsicher. Man weiß aus heutiger Sicht häufig nicht, wie sich die Menschen künftig verhalten werden; und auch nicht unter welchen Bedingungen unser eigenes Handeln und das der anderen stattfinden wird. Das ist der Grund, warum sich die Zukunft nicht so ohne Weiteres mit der Erfahrung der Vergangenheit ab-schätzen lässt. Vor diesem Hintergrund dürfte damit deutlich werden, wie schwierig es ist, belastbare Prognosen über die künftige Entwicklung ganzer Volkswirtschaften vorzulegen.

Die Unsicherheit, unter der das Zukünftige steht, gibt immer wieder Anlass zu Sorgen und Ängsten - beziehungsweise sie wird nicht selten auch für das Schüren von Sorgen und Ängsten eingespannt. Das trifft nicht nur in der "Welt-Klimadebatte" zu, sondern auch für die "Krisenprognosen", die mit Blick auf das weltweite Finanz- und Wirtschaftssystem angestellt werden. Zweifelsohne gibt es gute Gründe, die heute vorherrschende monetäre (Un-)Ordnung als störanfällig und instabil einzustufen. Schließlich repräsentiert sie ein ungedecktes Geldsystem (das man auch als ungedecktes Papiergeldsystem oder Fiat-Geldsystem bezeichnen kann).

Ein solches monetäres System wird immer wieder Krisen hervorbringen. Das lässt sich unzweifelhaft mit einer soliden ökonomischen Theorie erklären: Die Ausgabe von neuem Geld durch Bankkredite, denen keine "echte Ersparnis" gegenübersteht, setzt zunächst einen "Boom" in Gang. Er sorgt zwar zunächst für steigende Einkommen und Beschäftigung, ist aber auf Sand gebaut. Früher oder später verpufft die "Reichtumsillusion", und der Boom schlägt in einen "Bust" um. Und je länger ein Boom angedauert hat, umso stärker wird auch der nachfolgende Bust - die Korrektur der aufgelaufenen Fehlentwicklungen - ausfallen.

Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Bedingungen in der realen Welt, die das Abschätzen der zeitlichen Abfolge von Boom und Bust erschweren. So können beispielsweise im Boom produktive Innovationen entstehen, die die Schuldentragfähigkeit der Volkswirtschaft erhöhen und die den Boom länger andauern lassen, als man vielleicht denken könnte. Es kann aber auch sein, dass der Staat und seine Zentralbank in das Marktgeschehen eingreifen und aktiv verhindern, dass der Boom in einen Bust umschlägt - was ihnen durchaus auch eine ganze Zeit lang gelingen kann.

"Wir blicken so gern in die Zukunft, weil wir das Ungefähre, was sich in ihr hin und her bewegt, durch stille Wünsche so gern zu unsern Gunsten heranleiten möchten." - Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)

Weil sich aber all das nicht exakt vorhersagen lässt (zumindest nicht mit wissenschaftlich-soliden Mitteln), ist man als Anleger gut beraten, den "Versprechungen", es werde zu einer "Mega-Krise" kommen, und zwar, sagen wir, in im Jahr 2020, 2021 oder 2022, durchaus kritisch gegenüberzustehen. Derartige Kassandrarufe erzeugen zwar meist große Aufmerksamkeit, sie bergen ja auch einen Kern Wahrheit. Sie sind aber - und das sei betont - in dieser Form nicht mehr als grobe Spekulationen. Vor allem können sie äußerst kostspielig für den Unbedarften Zuhörer sein, der seine Anlageentscheidungen von ihnen abhängig macht.

Was ist eigentlich mit "Krise" oder "Mega-Krise" gemeint? Unterschiedliche Menschen werden diese Worte unterschiedlich deuten. Die einen meinen, die kommende Krise sei verbunden mit hoher Inflation, vielleicht sogar Hyperinflation. Andere wiederum fürchten, die Krise komme im Gewand einer Deflation daher: fallende Preise, Firmenpleiten, hohe Arbeitslosigkeit, tiefe Rezession. Wieder andere fürchten, es werde erst zu Deflation kommen, auf die dann eine (Re-)Inflation folgt. Wie gesagt, das alles sind mögliche Szenarien, deren relative Eintrittswahrscheinlichkeit und zeitliches Auftreten aber in keinem Falle exakt beziffert werden können.

Eine künftige Krise kann - und das scheint häufig übersehen zu werden - aber noch in einem ganz anderen Gewand daherkommen: Die Staaten und ihre Zentralbanken legen die letzten Reste des Systems der freien Märkte lahm und verhindern, dass marktwirtschaftliche Kräfte den Boom, für den das Fiat-Geldsystem sorgt, korrigieren und einen Bust herbeiführen können. In diese Richtung weisen durchaus einige Indizien. Die Zentralbanken haben die Zinsen auf extreme niedrige Niveaus gedrückt und wollen verhindern, dass die Zinsen wieder ansteigen und die "Blasenwirtschaft" zum Platzen bringen können.

Die Zentralbanken versprechen den Finanzmarktakteuren zudem, dass keine systemrelevanten Schuldner - Staaten oder Banken - zahlungsunfähig werden: Dass sie "im Notfall" die benötigten Kredit- und Geldmengen bereitstellen werden.


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