Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Vorsicht vor Mega-Crash-Versprechen

23.06.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Unter diesen Bedingungen schwindet natürlich die Risikosorge der Investoren. Die Kreditaufschläge und auch die Kapitalkosten fallen. Der Druck des (Kapital-)Marktes auf Firmen, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern, schwindet. Die disruptive Krise bleibt zwar aus, aber die Volkswirtschaften erleiden eine Wachstumsverlangsamung beziehungsweise verfallen in Stagnation. Die Politik der zeitlichen Verschiebung der Krise kann durchaus lange andauern; man blicke dazu beispielsweise nur einmal nach Japan.

Eine besonders kritische Variable im ungedeckten Pa-piergeldsystem ist der Bankensektor. Er produziert schließlich den Großteil des ausstehenden Kredit- und Geldmengenvolumens. In seinen Bilanzen sind zudem die Ersparnisse von Millionen von Menschen ausgewiesen - und zwar in Form von Eigenkapital, Depositen und ausstehenden Schuldpapieren. Es ist keineswegs übertrieben zu sagen, dass das Wohl und Wehe des Fiat-Geldsystems in entscheidendem Maße vom Wohl und Wehe der Banken abhängt.

Im Euroraum haben viele Banken noch einen erheblichen Abschreibungsbedarf auf ihr Kreditportfolio zu verkraften. Das ist problematisch, schließlich operieren die Kreditinstitute mit einer sehr geringen Eigenkapitaldecke, die durch Kreditausfälle rasch aufgezehrt werden kann. Zudem sehen sich die Banken wachsenden Ertrags- und Gewinnproblemen gegenübersehen.

Die Frage, die man sich da in der Tat stellen muss, lautet: Wird es der Euro-Bankensektor sein, der in die Knie geht, und wird sein betriebswirtschaftliches Scheitern die nächste Euro-Krise (oder Schwereres) auslösen? Wer diese Frage bejaht, der macht aber vermutlich die Rechnung ohne den Wirt. Denn was würden die Staaten und die Europäische Zentralbank (EZB) in solch einer "Notsituation", in der Banken drohen Pleite zu gehen, machen?

Die EZB ist der Monopolist der Euro-Geldproduktion. Sie kann dem Euro-Bankensektor jede gewünschte Kredit- und Geldmenge verabreichen. Sie kann das Liquiditätsrisiko effektiv aus der Welt schaffen. Zudem kann sie auch dafür sorgen, dass die Euro-Banken bei Bedarf mit neuem Eigenkapital ausgestattet werden. Das könnte wie folgt ablaufen: Die Euro-Staaten geben neue Schuldpapiere aus, die von der EZB gekauft werden. Die dadurch neu geschaffenen Euro zahlen die Staaten als Eigenkapital in die Banken ein, die Euro-Banken werden de facto verstaatlicht.

Die Altaktionäre der Banken erleiden zwar hohe Verluste, aber die Banken "überleben". Die Zahlungsfähigkeit des Euro-Fiat-Geldsystems bleibt erhalten. Zahlungsausfälle auf den Kreditmärkten sind abgewendet, das de facto verstaatlichte Bankensystem bricht nicht plötzlich zusammen. Die Anleger haben dann allerdings mit anderen Problemen zu kämpfen: Entwertung der Bankguthaben durch Inflation, selektives Einstellen der Zahlungsverpflichtungen von Staaten und Banken, steigende Besteuerung.

Wie anfangs gesagt, die Zukunft ist unsicher. Man kann in den meisten Fällen nicht verlässlich abschätzen, wann und in welcher Form die Probleme, für die das Fiat-Geldsystem sorgt, künftig in Erscheinung treten werden. Die letzten Jahre der "Rettungspolitiken" im Euroraum haben jedoch deutlich gemacht, dass der "Systemkollaps" mit allen Mitteln verhindert werden soll; Regierende wie auch Regierte scheinen sich in dieser Sache einig zu sein. So gesehen ist es wahrscheinlich, dass Regierende und Regierte auch künftig alles daransetzen, um eine große Krise abzuwenden, selbst wenn das - so ist zu befürchten - mit dem Verlust des freien Marktsystems einhergehen würde.

Erreichen lässt sich das nur mit einem fortgesetzten Ausweiten der Kredit- und Geldmengen, bereitgestellt zu sehr niedrigen Zinsen beziehungsweise zu Null- und Negativzinsen. Und solange die geldpolitischen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind, solange die Zentralbanken noch immer neue Kaninchen aus dem Zylinder zaubern können, ist die Wahrscheinlichkeit als relativ hoch einzustufen, dass ein "Mega-Crash" in der nahen Zukunft in der Tat ausbleibt, dass sein Eintreffen weit(er) in die Zukunft verlagert wird.

Wenn sich die voranstehenden Überlegungen bewahrheiten sollten, dann wäre es keine gute Empfehlung, als Investor zum Beispiel jetzt schon das Handtuch zu werfen und aus beispielsweise den Aktienmärkten auszusteigen. Solch ein Ausstieg wäre keinesfalls risikolos! Dem Anleger könnten mitunter Renditen entgehen, die er selbst in einer Krise nicht mehr aufholen kann. Was zu lernen ist: Mit Krisenprognosen sollte man als Anleger stets kritisch und auch sehr umsichtig umgehen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"